2010  
 [ 2009 ]       [ 2011 ][  ‹  ]
10.001 POWER BALL
 
  1. BGH,     U, 04.02.10,     – I_ZR_51/08 –

  2. www.BGH.de = GRUR_10,835 -38 = CR_10,602 -04 = K&R_10,574 -77 = MDR_10,1277 -78 = NJW-RR_10,1273 -1276

  3. MarkenG_§_14 Abs.2 Nr.2, MarkenG_§_23 Nr.2; UWG_§_6 Abs.2 Nr.3; ZPO_§_253 Abs.2 Nr.2, ZPO_§_313 Abs.1 Nr.4

  4. Revision-zurückgewiesen

 

Gibt ein Unternehmen in einer bestimmten Zeile seiner Internetseite, von der es weiß, dass eine Internetsuchmaschine (hier: Google) auf die dort angegebenen Wörter zugreift, zusammen mit seiner Produktkennzeichnung eine Bezeichnung an (hier: power ball), die mit der Marke eines Dritten (hier: POWER BALL) verwechselbar ist, ist es dafür verantwortlich, dass die Internetsuchmaschine die Kennzeichen zusammen als Treffer anführt.

§§§

10.002 Täterdossiers
 
  1. BGH,     U, 09.02.10,     – VI_ZR_243/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_10,2432 -37 = CR_10,480 = GRUR_10,549 -54 = JZ_10,249 = K&R_10,332 -337 = MDR_10,570 -71 = VersR_10,673 -77

  3. GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.5 Abs.1; BGB_§_823 Abs.1, BGB_§_1004 Abs.1 S.2; KUG_§_22, KUG_§_23;

  4. Revision-erolgreiche / Walter Sedlmayr / Spiegel-Dossier

 

Zur Zulässigkeit des Bereithaltens von sogenannten Dossiers zum Abruf im Internet, in denen den Täter identifizierende alte Wort- und Bildberichterstattungen über eine schwere Straftat zusammengefasst sind.

§§§

10.003 Rundfunkgebührenpflicht
 
  1. OVG Saarl,     B, 09.02.10,     – 3_A_461/08 –

  2. EsG

  3. RGebStV_§_6 Abs.1 Nr.8, RGebStV_§_6 Abs.5, RGebStV_§_6 Abs.6 S.1; SchwbAV_§_3 Abs.1 Nr.5

  4. Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht

 

1) Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht kann gemäß § 6 Abs.5 RGebStV in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Antragstellung grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gewährt werden; eine rückwirkende Befreiung ist nicht möglich.

 

2) Wegen der strikten Bindung der Rundfunkanstalt an die Gültigkeitsdauer des jeweiligen Bewilligungsbescheids ist die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs.6 Satz 1 RGebStV grundsätzlich entsprechend der Gültigkeitsdauer des Bewilligungsbescheides zu befristen.

 

3) Eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs.1 Satz 1 Nr.8 RGebStV setzt zwingend die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit der Eintragung des Merkzeichens "RF" (vgl § 3 Abs.1 Nr.5 Schwerbehindertenausweisverordnung) bzw die Vorlage eines entsprechenden Feststellungsbescheides voraus.

§§§

10.004 Auslandsveröffentlichung-Internet
 
  1. BGH,     U, 02.03.10,     – VI_ZR_23/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_184,313 -23 = CR_10,383 -85 = GRUR_10,461 -64 = JZ_10,315 -16 = K&R_10,338 -41 = MDR_10,744 -46 = MMR_10,441 -43 = NJW_10,1752 -54 = VersR_10,690 -93

  3. ZPO_§_32; BGB__823 Abs.1 BGB__1004 Abs.1 S.2

  4. Revision-erfolgreiche / The New York Times / internationale Zuständigkeit bei rechtsverletzenden Veröffentlichungen im Internet

 

1) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse des Beklagten an der Gestaltung seines Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits - nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann.

 

2) Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde.

§§§

10.005 40-Euro-Klausel I
 
  1. OLG Hamm,     U, 02.03.10,     – 4_U_174/09 –

  2. NRWE = JurPc = NJW_10,8 = NJW-RR_10,1193 -94

  3. BGB_§_357 Abs.2 S.3

 

Eine dem § 357 Absatz 2 Satz 3 BGB entsprechende Vereinbarung der regelmäßigen Rücksendekosten im Falle des Widerrufs bei einem Warenwert von bis zu 40 Euro kann weder durch den Belehrungstext im Rahmen der Widerrufsbelehrung, noch durch eine entsprechende Regelung der Widerrufsbelehrung innerhalb der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers wirksam erfolgen.

§§§

10.006 40-Euro-Klausel II
 
  1. OLG Hamm,     U, 02.03.10,     – 4_U_180/09 –

  2. JurPc Web-Dok-78/2011 = MIR = MMR_10,330

  3. BGB_§_305 ff

 

1) Die Übertragung der regelmäßigen Kosten der Rücksendung auf den Käufer beim (Verbraucher-) Widerruf in den Fällen von § 357 Abs.2 Satz 3 BGB (sog. "40-Euro-Klausel") kann nur durch eine diese Rechtsfolgen begründende (vertragliche) Vereinbarung außerhalb der Widerrufsbelehrung erfolgen. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich auch im Rahmen einer entsprechenden Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich.

 

2) Erfolgt die Vereinbarung im Sinne von § 357 Abs.2 Satz 3 BGB im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, unterliegt eine solche Regelung voll den Wirksamkeitserfordernissen der §§ 305 ff. BGB.

 

3) Eine (vertragliche) Vereinbarung nach § 357 Abs.2 Satz 3 BGB nur im Rahmen der Belehrung über die Widerrufsfolgen ist nicht möglich, da diese Belehrung einseitigen Charakter besitzt, nicht zum eigentlichen Bestellvorgang gehört und insofern nicht zugleich Vertragsbestandteil ist (mit Verweis auf: OLG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2009 - Az. 2_U_51/09; Hanseatisches OLG, Beschluss vom 24.01.2008 - Az. 3_W_7/08). Einem solchen bloßen Hinweis im Rahmen der Widerrufsbelehrung kommt nicht die Qualität einer vertraglichen Regelung über die Kostentragung im Sinne von § 357 Abs.2 Satz 3 BGB zu. Der Verbraucher vermutet vertragliche Regelungen nicht im Rahmen der Widerrufsbelehrung sondern nur die Aufklärung über gesetzlich vorgegebene Rechte und Folgen. Gleiches gilt, wenn die Widerrufsbelehrung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen wird.

 

4) Eine Widerrufsbelehrung mit dem Hinweis, dass der Verbraucher die Kosten der Rücksendung im Fall des Widerrufs zu tragen hat, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht (vgl. § 357 Abs.2 Satz 3 BGB), stellt einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von §§ 3, 4 Nr.11 UWG iVm § 357 Abs.2 Satz 3 BGB dar, wenn eine gesonderte vertragliche Vereinbarung über die Kostentragung nicht vorliegt.

§§§

10.007 Vorratsdatenspeicherung
 
  1. BVerfG,     U, 02.03.10,     – 1_BvR_256/08 –

  2. www.BVerfG.de = www.dfr/BVerfGE = BVerfGE_125,260 -364 = BGBl_I_10,272 = CR_10,232 -47 = DÖV_10,407 = DVBl_10.503 -09 = JuS_10,747 = K&R_10,248 -54 = MMR_10,356 -69 = NJW_10,855 -56 = NVwZ_10,770 -71

  3. GG_Art.10 Abs.1, GG_Art.73 Abs.1 Nr.7; TKG_§_113a, TKG_§_113b; StPO_§_100g Abs.1 S.1

  4. Telekommunikationsdaten / private Anbieter / anlasslose Speicherung / Grundsatz der Verhältnismäßigkeit / Gewicht des Grundrechtseingriffs / Datensicherheit / Auskunft / Ordnungswidrigkeit

Abs.183

1) Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.März 2006 (ABl L 105 vom 13.April 2006, S.54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art.10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

 

2) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.

 

3) Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art.73 Abs.1 Nr.7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.

 

4) Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht.

 

5) Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

 

6) Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden.

* * *

Urteil

Entscheidungsformel:

1. Die §§ 113a und 113b des Telekommunikationsgesetzes in der Fassung des Artikel 2 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3198) verstoßen gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

2. § 100g Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung des Artikel 1 Nummer 11 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3198) verstößt, soweit danach Verkehrsdaten nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes erhoben werden dürfen, gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und ist insoweit nichtig.

3. Die aufgrund der einstweiligen Anordnung vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 659), wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2239), zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3704), von Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste im Rahmen von behördlichen Auskunftsersuchen erhobenen, aber einstweilen nicht nach § 113b Satz 1 Halbsatz 1 des Telekommunikationsgesetzes an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten sind unverzüglich zu löschen. Sie dürfen nicht an die ersuchenden Stellen übermittelt werden.

4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen aus den Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

* * *

T-10-04Eingriff ins Fernmeldegeheimnis

183

"Die Verfassungsbeschwerden sind im Wesentlichen begründet. Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht, da es auf einen möglichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht ankommt. Die grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes stehen einer - anders gestalteten - Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG nicht entgegen.

184

Unbegründet ist die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 4) im Verfahren 1 BvR 256/08, soweit diese eine Verletzung von Art.12 Abs.1 GG rügt.

185

Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlass für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art.267 AEUV. Zwar könnte eine entsprechende Vorlage durch das Bundesverfassungsgericht (vgl BVerfGE_37,271 <282> ) insbesondere in Betracht kommen, wenn die Auslegung oder die Wirksamkeit von Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht in Frage stehen, das Vorrang vor innerstaatlichem Recht beansprucht und dessen Umsetzung vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes geprüft wird. Jedoch kann eine solche Vorlage nur dann zulässig und geboten sein, wenn es auf die Auslegung beziehungsweise Wirksamkeit des Unionsrechts ankommt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

186

Die Wirksamkeit der Richtlinie 2006/24/EG und ein sich hieraus möglicherweise ergebender Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor deutschen Grundrechten sind nicht entscheidungserheblich. Der Inhalt der Richtlinie belässt der Bundesrepublik Deutschland für die Gestaltung der in ihr vorgeschriebenen Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten einen weiten Entscheidungsspielraum. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar dazu, Betreibern von öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsnetzen und Kommunikationsdiensten die Speicherung von praktisch allen Telekommunikationsverkehrsdaten für eine Dauer von mindestens sechs Monaten vorzuschreiben (Art.1, 3, 5 und 6 Richtlinie 2006/24/EG). Ihre Regelungen sind dabei aber im Wesentlichen auf die Speicherungspflichten selbst beschränkt und regeln nicht den Zugang zu den Daten oder deren Verwendung durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Insbesondere harmonisieren sie weder die Frage des Zugangs zu den Daten durch die zuständigen nationalen Strafverfolgungsbehörden noch die Frage der Verwendung und des Austausches dieser Daten zwischen diesen Behörden (vgl EuGH, Urteil vom 10.Februar 2009 - Rs.C-301/06 -, Rn.83). Ausgehend von den Mindestanforderungen der Richtlinie (Art.7 und 13 Richtlinie 2006/24/EG) liegt es ebenfalls bei den Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung von Datensicherheit, Transparenz und Rechtsschutz zu ergreifen.

187

Mit diesem Inhalt kann die Richtlinie ohne Verstoß gegen die Grundrechte des Grundgesetzes umgesetzt werden. Das Grundgesetz verbietet eine solche Speicherung nicht unter allen Umständen. Vielmehr kann sie auch unabhängig von einem etwaigen Vorrang des Gemeinschaftsrechts nach den Maßgaben der Grundrechte des Grundgesetzes zulässig angeordnet werden (siehe unten IV). Eine Prüfung der angegriffenen Vorschriften insgesamt am Maßstab der deutschen Grundrechte gerät damit nicht in Konflikt mit der Richtlinie 2006/24/EG, so dass es auf deren Wirksamkeit und Vorrang nicht ankommt. II.

188

Die angegriffenen Vorschriften greifen in Art.10 Abs.1 GG ein.

189

1. Art.10 Abs.1 GG gewährleistet das Telekommunikationsgeheimnis, welches die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs (vgl BVerfGE_106,28 <35 f>; BVerfGE_120,274 <306 f>) vor einer Kenntnisnahme durch die öffentliche Gewalt schützt (vgl BVerfGE_100,313 <358>; BVerfgE_106,28 <37> ). Dieser Schutz erfasst dabei nicht nur die Inhalte der Kommunikation. Geschützt ist vielmehr auch die Vertraulichkeit der näheren Umstände des Kommunikationsvorgangs, zu denen insbesondere gehört, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Telekommunikationseinrichtungen Telekommunikationsverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist (vgl BVerfGE_67,157 <172>; BVerfGE_85,386 <396>; BVerfGE_100,313 <358>; BVerfGE_107,299 <312 f>; BVerfGE_115,166 <183>; BVerfGE_120,274 <307>).

190

Der Schutz durch Art.10 Abs.1 GG gilt nicht nur dem ersten Zugriff, mit dem die öffentliche Gewalt von Telekommunikationsvorgängen und -inhalten Kenntnis nimmt. Seine Schutzwirkung erstreckt sich auch auf die Informations- und Datenverarbeitungsprozesse, die sich an die Kenntnisnahme von geschützten Kommunikationsvorgängen anschließen, und auf den Gebrauch, der von den erlangten Kenntnissen gemacht wird (vgl BVerfGE_100,313 <359> ). Ein Grundrechtseingriff ist jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten sowie jede Auswertung ihres Inhalts oder sonstige Verwendung durch die öffentliche Gewalt (vgl BVerfGE_85,386 <398>; BVerfGE_100,313 <366>; BVerfGE_110,33 <52 f>). In der Erfassung von Telekommunikationsdaten, ihrer Speicherung, ihrem Abgleich mit anderen Daten, ihrer Auswertung, ihrer Selektierung zur weiteren Verwendung oder ihrer Übermittlung an Dritte liegen damit je eigene Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis (vgl BVerfGE_100,313 <366 f> ). Folglich liegt in der Anordnung gegenüber Kommunikationsunternehmen, Telekommunikationsdaten zu erheben, zu speichern und an staatliche Stellen zu übermitteln, jeweils ein Eingriff in Art.10 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_107,299 <313>).

191

Das aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung kommt neben Art.10 GG nicht zur Anwendung. Bezogen auf die Telekommunikation enthält Art.10 GG eine spezielle Garantie, die die allgemeine Vorschrift verdrängt und aus der sich besondere Anforderungen für die Daten ergeben, die durch Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis erlangt werden. Insoweit lassen sich allerdings die Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG entwickelt hat, weitgehend auf die speziellere Garantie des Art.10 GG übertragen (vgl BVerfGE_100,313 <358 f>).

192

2. a) Die in § 113a Abs.1 TKG den Diensteanbietern auferlegte Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten greift in das Telekommunikationsgeheimnis ein. Dies gilt zunächst für die Speicherungspflichten bezüglich der Telekommunikationsdienste gemäß § 113a Abs.2 bis 5 TKG und in Verbindung hiermit gemäß § 113a Abs.6 und 7 TKG. Die insoweit zu speichernden Angaben geben Auskunft darüber, ob, wann, wo und wie oft zwischen welchen Telekommunikationseinrichtungen Verbindungen aufgenommen oder aufzunehmen versucht wurden. Insbesondere gilt dies auch für die Speicherung der Daten zu Diensten der elektronischen Post gemäß § 113a Abs.3 TKG, deren Vertraulichkeit gleichfalls durch Art.10 Abs.1 GG geschützt wird (vgl BVerfGE_113,348 <383>; BVerfGE_120,274 <307>). Dass sich E-Mails technisch leicht abfangen lassen, ändert an deren vertraulichem Charakter und ihrer Schutzwürdigkeit nichts. Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet dabei auch die Speicherung der den Internetzugang betreffenden Daten gemäß § 113a Abs.4 TKG. Zwar ermöglicht der Internetzugang nicht nur die Aufnahme von Individualkommunikation, die dem Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses unterfällt, sondern auch die Teilnahme an Massenkommunikation. Da eine Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation ohne eine der Schutzfunktion des Grundrechts zuwiderlaufende Anknüpfung an den Inhalt der jeweils übermittelten Information nicht möglich ist, ist bereits in der Speicherung der den Internetzugang als solchen betreffenden Daten ein Eingriff zu sehen, auch wenn sie Angaben über die aufgerufenen Internetseiten nicht enthalten (vgl Gusy, in: v Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.1, 5.Aufl. 2005, Art.10 Rn.44; Hermes, in: Dreier, GG, Bd.1, 2.Aufl 2004, Art.10 Rn.39).

193

Die Eingriffsqualität des § 113a TKG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Speicherung nicht durch den Staat selbst, sondern durch private Diensteanbieter erfolgt. Denn diese werden allein als Hilfspersonen für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden in Anspruch genommen. § 113a TKG verpflichtet die privaten Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung allein für die Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden zu Zwecken der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben gemäß § 113b TKG. Dabei ordnet der Staat die mit der Speicherung verbundene Grundrechtsbeeinträchtigung unmittelbar an, ohne dass den speicherungspflichtigen Unternehmen insoweit ein Handlungsspielraum verbleibt; die Daten sind so zu speichern, dass Auskunftsersuchen der berechtigten öffentlichen Stellen nach § 113a Abs.9 TKG unverzüglich erfüllt werden können. Unter diesen Voraussetzungen ist die Speicherung der Daten rechtlich dem Gesetzgeber als unmittelbarer Eingriff in Art.10 Abs.1 GG zuzurechnen (vgl BVerfGE_107,299 <313 f>).

194

b) Grundrechtseingriffe in Art.10 Abs.1 GG liegen auch in den Regelungen zur Datenübermittlung in § 113b Satz 1 Halbsatz 1 TKG. Zwar eröffnet diese Vorschrift für sich genommen noch keine Verwendung der nach § 113a TKG gespeicherten Daten, sondern verweist auf weitere gesetzlich eigens zu schaffende Abrufnormen. Jedoch liegt in ihr die grundlegende Bestimmung, für welche Zwecke die Daten verwendet werden dürfen. Sie befreit diesbezüglich die Telekommunikationsunternehmen von ihrer im Übrigen geltenden Geheimhaltungspflicht. Dass die Datenverwendung letztlich endgültig erst im gestuften Ineinandergreifen von Vorschriften auf verschiedenen Normebenen ihre Gesamtregelung findet, ändert nichts daran, dass die Definition der Verwendungszwecke und die Erlaubnis zur Datenübermittlung Teil der Verwendungsregelung sind und insoweit Eingriffscharakter haben. Auch hier ist es unerheblich, dass § 113b TKG eine Übermittlung der Daten seitens privater Diensteanbieter betrifft. Die vorgesehene Übermittlung beruht auf einer gesetzlichen Regelung und damit unmittelbar auf einem Akt der nach Art.1 Abs.3 GG grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt, setzt eine hoheitliche Anordnung im Einzelfall voraus und erfolgt an Behörden. Sie ist damit rechtlich als Eingriff des Staates anzusehen.

195

c) Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet auch § 113b Satz 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 113 Abs.1 TKG. Danach können Behörden von den Diensteanbietern Auskünfte über Bestands- und Kundendaten gemäß §§ 95, 111 TKG verlangen, die die Diensteanbieter nur unter Nutzung der nach § 113a Abs.4 TKG gespeicherten Daten ermitteln können. Unabhängig von der Frage, ob und wieweit in Auskünften gemäß § 113 TKG allgemein ein Eingriff in Art.10 Abs.1 GG liegt beziehungsweise ob insoweit grundsätzlich allein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG einschlägig ist, ist jedenfalls für Auskünfte gemäß § 113b Satz 1 Halbsatz 2, § 113 Abs.1 TKG ein Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis des Art.10 Abs.1 GG zu bejahen. Denn es wird hier die Nutzung der gemäß § 113a TKG gespeicherten und damit durch einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG gewonnenen Daten geregelt. Jede Folgeverwendung von Daten, die einmal in Form eines Eingriffs in Art.10 Abs.1 GG erhoben worden sind, bleibt stets an diesem Grundrecht zu messen (vgl BVerfGE_100,313 <359>; BVerfGE_110,33 <68 f>; BVerfGE_113,348 <365>). Auch hier kann es nicht darauf ankommen, dass diese gesetzlich vorgeschriebene Nutzung nicht durch die öffentliche Hand selbst, sondern - in Erfüllung des Auskunftsverlangens - durch private Anbieter erfolgt.

196

d) Einen Eingriff in Art.10 Abs.1 GG begründet schließlich auch § 100g StPO. Er ermöglicht den Strafverfolgungsbehörden, sich die nach § 113a TKG gespeicherten Daten von den zur Speicherung Verpflichteten übermitteln zu lassen und zu nutzen. § 100g Abs.1 Satz 1 StPO selbst sowie das Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung greifen als Akte der öffentlichen Gewalt daher gleichfalls in den Schutzbereich von Art.10 Abs.1 GG ein. III.

197

In formeller Hinsicht begegnen die angegriffenen Vorschriften keinen Bedenken. Sie genügen dem Gesetzesvorbehalt des Art.10 Abs.2 Satz 1 GG und sind durch eine Kompetenz des Bundes gedeckt.

198

1. Beschränkungen des Telekommunikationsgeheimnisses dürfen gemäß Art.10 Abs.2 Satz 1 GG nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden. Keinen Zweifeln unterliegen insoweit zunächst § 113b TKG und § 100g StPO, die - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit weiteren Vorschriften - eine gesetzliche Grundlage für den Erlass einzelfallbezogener Anordnungen darstellen, aufgrund deren der Zugriff auf die Daten erfolgt. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist insoweit auch § 113a TKG, der für die Speicherung der Daten nicht auf einzelfallbezogene Anordnungen verweist, sondern diese unmittelbar selbst vorschreibt. Art.10 Abs.2 Satz 1 GG steht Beschränkungen des Telekommunikationsgeheimnisses auch unmittelbar durch Gesetz nicht entgegen (vgl BVerfGE_85,386 <396 ff>).

199

2. Dem Bund fehlt es nicht an einer Gesetzgebungskompetenz. Die §§ 113a, 113b TKG finden ihre Kompetenzgrundlage in Art.73 Abs.1 Nr.7 GG, § 100g StPO findet sie in Art.74 Abs.1 Nr.1, Art.72 Abs.1 GG.

200

Art.73 Abs.1 Nr.7 GG berechtigt unmittelbar allerdings nur zur Regelung der technischen Seite der Errichtung einer Telekommunikationsinfrastruktur und der Informationsübermittlung mit Hilfe von Telekommunikationsanlagen. Von der Norm nicht umfasst sind Regelungen, die auf die übermittelten Inhalte oder die Art der Nutzung der Telekommunikation gerichtet sind (vgl BVerfGE_113,348 <368>; BVerfGE_114,371 <385> ) und etwa eine Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Erlangung von Informationen für Aufgaben der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr vorsehen. Solche Regelungen sind im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz jeweils dem Rechtsbereich zuzuordnen, für dessen Zwecke die Überwachung erfolgt (vgl BVerfGE_113,348 <368>). 201

201

Die §§ 113a und 113b TKG sind von der Kompetenz zur Regelung des Telekommunikationsrechts jedoch als Bestandteil der hiermit zu verbindenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen kraft Sachzusammenhangs miterfasst. Mangels ausdrücklicher Kompetenzzuweisung fällt das Recht des Datenschutzes zwar grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Eine bundesgesetzliche Zuständigkeit für dessen Regelung besteht kraft Sachzusammenhangs jedoch insoweit, als der Bund eine ihm zur Gesetzgebung zugewiesene Materie verständigerweise nicht regeln kann, ohne dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen mitgeregelt werden (vgl BVerfGE_3,407 <421>; BVerfGE_98,265 <299>; BVerfGE_106,62 <115>; BVerfGE_110,33 <48> ; stRspr; zum Datenschutzrecht vgl Simitis, in: Simitis, BDSG, 6.Aufl 2006, § 1 Rn.4). Dies ist für die §§ 113a, 113b TKG der Fall. Diese stehen im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes zum Datenschutz und normieren in Anknüpfung an die Regelung der technischen Bedingungen der Informationsübermittlung die jeweils zu beachtenden Anforderungen an den Umgang mit den bei der Erbringung von Telekommunikationsdiensten erzeugten oder verarbeiteten Daten. Sie knüpfen damit unmittelbar an Sachverhalte an, die in den Bereich der Gesetzgebungsmaterie der Telekommunikation fallen. Wegen dieses engen Zusammenhangs zwischen technischem Übermittlungsvorgang und den dabei anfallenden Daten kann die erforderliche datenschutzrechtliche Regelung ihrer Verwendung nur einheitlich durch den Bundesgesetzgeber erfolgen, der über die Kompetenz zur Regelung des Übermittlungsvorgangs verfügt. Andernfalls bestünde die Gefahr eines Inkongruenzen verursachenden Auseinanderfallens der technischen und datenschutzrechtlichen Regelungen der Datenverarbeitung. Dementsprechend enthält das Telekommunikationsgesetz neben den Regelungen der §§ 113a und 113b TKG und über das Fernmeldegeheimnis in den §§ 88 ff. TKG auch in den §§ 91 bis 107 TKG umfangreiche bereichsspezifische Regelungen zum Datenschutz, deren kompetenzielle Rechtmäßigkeit bisher - soweit ersichtlich - nicht ernsthaft in Zweifel gezogen wurde. 202

202

Der Reichweite nach kann der Bund auf dieser Kompetenzgrundlage diejenigen Regelungen treffen, die zu einer grundrechtskonformen Regelung der Datenverwendung erforderlich sind. Insbesondere kann er die Bestimmungen vorsehen, die notwendig sind, damit die in § 113a TKG vorgesehene Datenspeicherung und die Übermittlung der Daten an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden sowie Nachrichtendienste und ihre Verwendung zur Erteilung von Auskünften nach § 113 TKG den grundrechtlichen Anforderungen von Art.10 Abs.1 GG genügen. Da Eingriffe in Art.10 Abs.1 GG voraussetzen, dass ihr Zweck bereichsspezifisch, präzise und normenklar bestimmt ist (vgl BVerfGE_100,313 <359 f>; BVerfGE_110,33 <53>; BVerfGE_115,320 <365>; BVerfGE_118,168 <187 f> ), beinhaltet dies die Kompetenz zur bereichsspezifischen, präzisen und normenklaren Regelung des Zwecks der Speicherung. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes reicht diesbezüglich freilich nur so weit, wie dies nach datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und den hiermit verbundenen verfassungsrechtlichen Anforderungen geboten ist. Die Ermächtigungen zum Datenabruf selbst kann der Bund deshalb nicht auf Art.73 Abs.1 Nr.7 GG stützen. Er bedarf dafür eines eigenen Kompetenztitels oder muss die Entscheidung hierüber den Ländern überlassen. 203

203

§§ 113a, 113b TKG tragen dem vom Grundsatz her Rechnung. Sie beschränken sich allein darauf, durch Speicherungspflichten und Übermittlungsregelungen die Voraussetzungen für einen staatlichen Zugriff auf die Daten zu schaffen. Deren Ausfüllung bleibt demgegenüber eigenen Regelungen zum Datenabruf überlassen. Unbeschadet der materiellrechtlichen Frage, ob der Bund die Verwendungszwecke hierbei sachlich hinreichend begrenzt hat (siehe unten C V 5 und VI 3 b), sind hiergegen kompetenzrechtlich keine Einwände zu erheben. IV.

204

Materiell verfassungsgemäß sind die Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis, wenn sie legitimen Gemeinwohlzwecken dienen und im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl BVerfGE_100,313 <359>), das heißt zur Erreichung der Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen sind (vgl BVerfGE_109,279 <335 ff>; BVerfGE_115,320 <345>; BVerfGE_118,168 <193>; BVerfGE_120,274 <318 f>; stRspr).

205

Eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für qualifizierte Verwendungen im Rahmen der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Aufgaben der Nachrichtendienste, wie sie die §§ 113a, 113b TKG anordnen, ist danach mit Art.10 GG nicht schlechthin unvereinbar. Der Gesetzgeber kann mit einer solchen Regelung legitime Zwecke verfolgen, für deren Erreichung eine solche Speicherung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet und erforderlich ist. Einer solchen Speicherung fehlt es auch in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht von vornherein an einer Rechtfertigungsfähigkeit. Bei einer Ausgestaltung, die dem besonderen Gewicht des hierin liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung trägt, unterfällt eine anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht schon als solche dem strikten Verbot einer Speicherung von Daten auf Vorrat im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfGE_65,1 <46 f>; BVerfGE_115,320 <350>; BVerfGE_118,168 <187>).

206

1. Die Effektivierung der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr und der Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste sind legitime Zwecke, die einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis grundsätzlich rechtfertigen können (vgl BVerfGE_100,313 <373, 383 f>; BVerfGE_107,299 <316>; BVerfGE_109,279 <336>; BVerfGE_115,320 <345>). Dabei liegt eine illegitime, das Freiheitsprinzip des Art.10 Abs.1 GG selbst aufhebende Zielsetzung nicht schon darin, dass die Telekommunikationsverkehrsdaten anlasslos vorsorglich gesichert werden sollen. Art.10 Abs.1 GG verbietet nicht jede vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Daten überhaupt, sondern schützt vor einer unverhältnismäßigen Gestaltung solcher Datensammlungen und hierbei insbesondere vor entgrenzenden Zwecksetzungen. Strikt verboten ist lediglich die Speicherung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken (vgl BVerfGE_65,1 <46>; BVerfGE_100,313 <360> ). Eine vorsorglich anlasslose Datenspeicherung ist allerdings nur ausnahmsweise zulässig. Sie unterliegt sowohl hinsichtlich ihrer Begründung als auch hinsichtlich ihrer Ausgestaltung, insbesondere auch in Bezug auf die vorgesehenen Verwendungszwecke, besonders strengen Anforderungen.

207

2. Eine vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten zur späteren anlassbezogenen Übermittlung an die für die Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr zuständigen Behörden beziehungsweise an die Nachrichtendienste darf der Gesetzgeber zur Erreichung seiner Ziele als geeignet ansehen. Es werden hierdurch Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation auch für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten in vielen Fällen erfolgversprechend sind. Unerheblich ist, ob die vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen in der Lage sind, lückenlos alle Telekommunikationsverbindungen zu rekonstruieren. Auch wenn eine solche Datenspeicherung nicht sicherstellen kann, dass alle Telekommunikationsverbindungen verlässlich bestimmten Anschlussnehmern zugeordnet werden können, und etwa Kriminelle die Speicherung durch die Nutzung von Hotspots, Internetcafés, ausländischen Internettelefondiensten oder unter falschen Namen angemeldeten Prepaid-Handys unterlaufen können, kann dies der Geeignetheit einer solchen Regelung nicht entgegenhalten werden. Diese erfordert nicht, dass das Regelungsziel in jedem Einzelfall tatsächlich erreicht wird, sondern verlangt lediglich, dass die Zweckerreichung gefördert wird (vgl BVerfGE_63,88 <115>; BVerfGE_67,157 <175>; BVerfGE_96,10 <23>; BVerfGE_103,293 <307>).

208

3. Der Gesetzgeber darf eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auch als erforderlich beurteilen. Weniger einschneidende Mittel, die ebenso weitreichende Aufklärungsmaßnahmen ermöglichen, sind nicht ersichtlich. Eine vergleichbar effektive Aufklärungsmöglichkeit liegt insbesondere nicht im sogenannten Quick-Freezing-Verfahren, bei dem an die Stelle der anlasslos-generellen Speicherung der Telekommunikationsdaten eine Speicherung nur im Einzelfall und erst zu dem Zeitpunkt angeordnet wird, zu dem dazu etwa wegen eines bestimmten Tatverdachts konkreter Anlass besteht. Ein solches Verfahren, das Daten aus der Zeit vor der Anordnung ihrer Speicherung nur erfassen kann, soweit sie noch vorhanden sind, ist nicht ebenso wirksam wie eine kontinuierliche Speicherung, die das Vorhandensein eines vollständigen Datenbestandes für die letzten sechs Monate gewährleistet.

209

4. Eine sechsmonatige Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten in einem wie in § 113a TKG vorgesehenen Umfang ist auch nicht von vornherein unverhältnismäßig im engeren Sinne.

210

a) Allerdings handelt es sich bei einer solchen Speicherung um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt: Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsverkehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zurechenbar vorwerfbares Verhalten, eine - auch nur abstrakte - Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation. Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln, das im täglichen Miteinander elementar und für die Teilnahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht mehr verzichtbar ist. Grundsätzlich ist keine Form der Telekommunikation prinzipiell von der Speicherung ausgenommen. Zwar lässt die Regelung im Ergebnis vereinzelt Lücken, die verhindern, dass ausnahmslos jede Telekommunikationsverbindung individualisierend rekonstruiert werden kann, wie unter Umständen bei Nutzung von Hotspots, unübersichtlichen privaten Netzwerken oder Diensteanbietern im nichteuropäischen Ausland. Eine reguläre Ausweichmöglichkeit für den Bürger eröffnet dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber versucht vielmehr, grundsätzlich alle Telekommunikationsverbindungen so zu erfassen, dass die Nutzer möglichst flächendeckend ermittelt werden können.

211

Die Aussagekraft dieser Daten ist weitreichend. Je nach Nutzung von Telekommunikationsdiensten seitens der Betroffenen lassen sich schon aus den Daten selbst - und erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen dienen - tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden Bürgers gewinnen. Zwar werden mit einer Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung, wie in § 113a TKG vorgesehen, nur die Verbindungsdaten (Zeitpunkt, Dauer, beteiligte Anschlüsse sowie - bei der Mobiltelefonie - der Standort) festgehalten, nicht aber auch der Inhalt der Kommunikation. Auch aus diesen Daten lassen sich jedoch bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüsse ziehen. Adressaten (deren Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, Institutionen oder Interessenverbänden oder die von ihnen angebotenen Leistungen), Daten, Uhrzeit und Ort von Telefongesprächen erlauben, wenn sie über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, in ihrer Kombination detaillierte Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zugehörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen und Schwächen derjenigen, deren Verbindungsdaten ausgewertet werden. Einen Vertraulichkeitsschutz gibt es insoweit nicht. Je nach Nutzung der Telekommunikation und künftig in zunehmender Dichte kann eine solche Speicherung die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers ermöglichen. Bezogen auf Gruppen und Verbände erlauben die Daten überdies unter Umständen die Aufdeckung von internen Einflussstrukturen und Entscheidungsabläufen.

212

Eine Speicherung, die solche Verwendungen grundsätzlich ermöglicht und in bestimmten Fällen ermöglichen soll, begründet einen schwerwiegenden Eingriff. Von Gewicht ist hierbei auch, dass unabhängig von einer wie auch immer geregelten Ausgestaltung der Datenverwendung das Risiko von Bürgern erheblich steigt, weiteren Ermittlungen ausgesetzt zu werden, ohne selbst Anlass dazu gegeben zu haben. Es reicht etwa aus, zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle gewesen oder von einer bestimmten Person kontaktiert worden zu sein, um in weitem Umfang Ermittlungen ausgesetzt zu werden und unter Erklärungsdruck zu geraten. Auch die Missbrauchsmöglichkeiten, die mit einer solchen Datensammlung verbunden sind, verschärfen deren belastende Wirkung. Das gilt insbesondere wegen der Vielzahl verschiedener privater Anbieter, bei denen die Telekommunikationsdaten gespeichert werden. Schon angesichts der Anzahl der Speicherungsverpflichteten ist die Zahl derjenigen groß, die Zugriff auf solche Daten haben und haben müssen. Da die Speicherungspflicht kleinere Diensteanbieter mitbetrifft, stößt die Sicherung vor Missbrauch ungeachtet aller möglichen und erforderlichen Anstrengungen des Gesetzgebers auch in Blick auf deren Leistungsfähigkeit auf strukturelle Grenzen. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Anforderungen an die Datenverwaltung und die Übermittlung der Daten an die Behörden ein hohes Maß an Technikbeherrschung sowie anspruchsvolle Software voraussetzen, womit sich zwangsläufig die Gefahr von Schwachstellen und das Risiko von Manipulationen durch interessierte Dritte verbinden. Besonderes Gewicht bekommt die Speicherung der Telekommunikationsdaten weiterhin dadurch, dass sie selbst und die vorgesehene Verwendung der gespeicherten Daten von den Betroffenen unmittelbar nicht bemerkt werden, zugleich aber Verbindungen erfassen, die unter Vertraulichkeitserwartungen aufgenommen werden. Hierdurch ist die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann. 213

213

b) Trotz der außerordentlichen Streubreite und des mit ihr verbundenen Eingriffsgewichts ist dem Gesetzgeber die Einführung einer sechsmonatigen Speicherungspflicht, wie in § 113a TKG vorgesehen, verfassungsrechtlich nicht schlechthin verboten. Allerdings entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass dem Staat eine Sammlung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken verfassungsrechtlich strikt untersagt ist (vgl BVerfGE_65,1 <46>; BVerfGE_100,313 <360>; BVerfGE_115,320 <350>; BVerfGE_118,168 <187>). Um eine solche von vornherein verbotene Form der Datensammlung handelt es sich bei einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten nicht in jedem Fall. Erfolgt sie zu bestimmten Zwecken, kann eine solche Speicherung eingebunden in eine dem Eingriff adäquate gesetzliche Ausgestaltung (siehe unten V) vielmehr auch den Verhältnismäßigkeitsanforderungen im engeren Sinne genügen.

214

aa) Maßgeblich ist hierfür zunächst, dass die vorgesehene Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern durch eine Verpflichtung der privaten Diensteanbieter verwirklicht wird. Die Daten werden damit bei der Speicherung selbst noch nicht zusammengeführt, sondern bleiben verteilt auf viele Einzelunternehmen und stehen dem Staat unmittelbar als Gesamtheit nicht zur Verfügung. Dieser hat insbesondere, was durch entsprechende Regelungen und technische Vorkehrungen sicherzustellen ist, keinen direkten Zugriff auf die Daten. Der Abruf der Daten seitens staatlicher Stellen erfolgt erst in einem zweiten Schritt und nunmehr anlassbezogen nach rechtlich näher festgelegten Kriterien. Die Ausgestaltung der zum Abruf und zur weiteren Verwendung der gespeicherten Daten ermächtigenden Bestimmungen kann dabei sicherstellen, dass die Speicherung nicht zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken erfolgt. So kann und muss bei Anordnung einer solchen Speicherungspflicht gewährleistet werden, dass eine tatsächliche Kenntnisnahme und Verwendung der Daten in normenklarer Form in einer Weise begrenzt bleibt, die dem Gewicht der weitreichenden Datenerfassung Rechnung trägt und den Abruf sowie die tatsächliche Verwendung der Daten auf den unbedingt erforderlichen Teil der Datensammlung beschränkt. Die Trennung von Speicherung und Abruf fördert strukturell zugleich die - durch gesetzliche Ausgestaltung näher zu gewährleistende - Transparenz und Kontrolle der Datenverwendung.

215

bb) Eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten hebt auch nicht bereits aus sich heraus das Prinzip des Art.10 Abs.1 GG als solches auf; sie verletzt weder dessen Menschenwürdekern (Art.1 Abs.1 GG) noch dessen Wesensgehalt (Art.19 Abs.2 GG). Sie bleibt trotz ihrer außerordentlichen Weite noch wirksam begrenzt. So wird der Inhalt der Telekommunikation von der auf die Verkehrsdaten beschränkten Speicherung ausgespart. Auch bleibt die Speicherungsdauer zeitlich begrenzt. Zwar ist eine Speicherungsdauer von sechs Monaten angesichts des Umfangs und der Aussagekraft der gespeicherten Daten sehr lang und liegt an der Obergrenze dessen, was unter Verhältnismäßigkeitserwägungen rechtfertigungsfähig ist. Nach ihrem Ablauf kann sich der Bürger jedoch darauf verlassen, dass seine Daten - sofern sie nicht aus gewichtigem Anlass ausnahmsweise abgerufen wurden - gelöscht werden und für niemanden mehr rekonstruierbar sind.

216

cc) Eine Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten für sechs Monate stellt sich auch nicht als eine Maßnahme dar, die auf eine Totalerfassung der Kommunikation oder Aktivitäten der Bürger insgesamt angelegt wäre. Sie knüpft vielmehr in noch begrenzt bleibender Weise an die besondere Bedeutung der Telekommunikation in der modernen Welt an und reagiert auf das spezifische Gefahrenpotential, das sich mit dieser verbindet. Die neuen Telekommunikationsmittel überwinden Zeit und Raum in einer mit anderen Kommunikationsformen unvergleichbaren Weise und grundsätzlich unter Ausschluss öffentlicher Wahrnehmung. Sie erleichtern damit zugleich die verdeckte Kommunikation und Aktion von Straftätern und ermöglichen es auch verstreuten Gruppen von wenigen Personen, sich zusammenzufinden und effektiv zusammenzuarbeiten. Durch die praktisch widerstandsfreie Kommunikation wird eine Bündelung von Wissen, Handlungsbereitschaft und krimineller Energie möglich, die die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung vor neuartige Aufgaben stellt. Manche Straftaten erfolgen unmittelbar mit Hilfe der neuen Technik. Eingebunden in ein Konglomerat von nurmehr technisch miteinander kommunizierenden Rechnern und Rechnernetzen entziehen sich solche Aktivitäten weithin der Beobachtung. Zugleich können sie - etwa durch Angriffe auf die Telekommunikation Dritter - auch neuartige Gefahren begründen. Eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen ist daher für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung.

217

Hinzu kommt, dass es hinsichtlich der Telekommunikationsdaten mangels öffentlicher Wahrnehmbarkeit auch kein gesellschaftliches Gedächtnis gibt, das es wie in anderen Bereichen erlaubte, zurückliegende Vorgänge auf der Grundlage zufälliger Erinnerung zu rekonstruieren: Telekommunikationsdaten werden entweder gelöscht und sind dann ganz verloren oder werden gespeichert und sind damit voll verfügbar. Daher darf der Gesetzgeber bei der Entscheidung, wie weit solche Daten zu löschen oder zu speichern sind, einen Interessenausgleich vornehmen und die Belange staatlicher Aufgabenwahrnehmung berücksichtigen. Hierbei kann er auch in seine Erwägungen einbeziehen, dass die Verbreitung bestimmter Vertragsgestaltungen der Telekommunikationsdiensteanbieter (wie die Zunahme von Flatrates) bei Geltung einer strikten Löschungspflicht für Telekommunikationsverkehrsdaten, die für die Vertragsabwicklung nicht benötigt werden, die Verfügbarkeit solcher Daten reduziert. Auch insoweit kann sich die vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten auf Gesichtspunkte stützen, die in Besonderheiten der modernen Telekommunikation einen spezifischen Grund haben.

218

Umgekehrt darf die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte. Eine solche Gesetzgebung wäre, unabhängig von der Gestaltung der Verwendungsregelungen, von vornherein mit der Verfassung unvereinbar. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen. Maßgeblich für die Rechtfertigungsfähigkeit einer solchen Speicherung ist deshalb insbesondere, dass sie nicht direkt durch staatliche Stellen erfolgt, dass sie nicht auch die Kommunikationsinhalte erfasst und dass auch die Speicherung der von ihren Kunden aufgerufenen Internetseiten durch kommerzielle Diensteanbieter grundsätzlich untersagt ist. Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlungen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland (vgl zum grundgesetzlichen Identitätsvorbehalt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30.Juni 2009 - 2_BvE_2/08 ua -, juris, Rn.240), für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch eine vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich geringer.

219

dd) Zusammenfassend ist eine sechsmonatige Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten in dem vom Gesetzgeber in § 113a Abs.1 bis 8 TKG vorgesehenen Umfang unter den gegenwärtigen Umständen nicht von vornherein unverhältnismäßig. Für ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit ist allerdings Voraussetzung, dass die Ausgestaltung der Speicherung und der Verwendung der Daten dem besonderen Gewicht einer solchen Speicherung angemessen Rechnung trägt. V.

220

Die Ausgestaltung einer vorsorglichen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung, wie sie in § 113a TKG vorgesehen ist, unterliegt besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Datensicherheit, des Umfangs der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes. Nur wenn diesbezüglich hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen getroffen sind, ist der in einer solchen Speicherung liegende Eingriff verhältnismäßig im engeren Sinne.

221

1. Eine Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten im Umfang des § 113a TKG bedarf der gesetzlichen Gewährleistung eines besonders hohen Standards der Datensicherheit.

222

Angesichts des Umfangs und der potentiellen Aussagekraft der mit einer solchen Speicherung geschaffenen Datenbestände ist die Datensicherheit für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Vorschriften von großer Bedeutung. Dieses gilt besonders, weil die Daten bei privaten Diensteanbietern gespeichert werden, die unter den Bedingungen von Wirtschaftlichkeit und Kostendruck handeln und dabei nur begrenzte Anreize zur Gewährleistung von Datensicherheit haben. Sie handeln grundsätzlich privatnützig und sind nicht durch spezifische Amtspflichten gebunden. Zugleich ist die Gefahr eines illegalen Zugriffs auf die Daten groß, denn angesichts ihrer vielseitigen Aussagekraft können diese für verschiedenste Akteure attraktiv sein. Geboten ist daher ein besonders hoher Sicherheitsstandard, der über das allgemein verfassungsrechtlich gebotene Maß für die Aufbewahrung von Daten der Telekommunikation hinausgeht. Solche Anforderungen der Datensicherheit gelten dabei sowohl für die Aufbewahrung der Daten als auch für deren Übermittlung; ebenso bedarf es effektiver Sicherungen zur Gewährleistung der Löschung der Daten.

 

Auszug aus BVerfG U, 02.03.10, - 1_BvR_256/08 -, www.dfr/BVerfGE,  Abs.183 ff

§§§

10.008 Internet-System-Vertrag
 
  1. BGH,     U, 04.03.10,     – III_ZR_79/09 –

  2. www.BGH.de = JurPc = BGHZ_184,345 -57 = CR_10,327 -31 = JZ_10,312 = K&R_10,343 -47 = MDR_10,610 -13 = NJW_10,1449 -53 = VersR_12,197 -01 = WM_10,808 -11

  3. BGB_§_307, BGB_§_611, BGB_§_631

 

1) Zur rechtlichen Einordnung eines "Internet-System-Vertrags", der die Erstellung und Betreuung einer Internetpräsentation (Website) des Kunden sowie die Gewährleistung der Abrufbarkeit dieser Website im Internet für einen festgelegten Zeitraum zum Gegenstand hat.

 

2) Zur Frage der Wirksamkeit einer Klausel, die in einem "Internet-System-Vertrag" eine Vorleistungspflicht des Kunden begründet.

 

LF 1) Der "Internet-System-Vertrag" gehört zum Kreis der Internet-Provider-Verträge; unter diesem Oberbegriff wird eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst, bei denen es sich zumeist um atypische oder gemischte Verträge handelt. Unbeschadet dessen lassen sich einzelne Vertragsgestaltungen im Rahmen der gebotenen Schwerpunktbetrachtung - unter besonderer Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des Auftraggebers gewählten Zielrichtung - einem der im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen zuordnen. Der hier vorliegende Vertrag ist als eigener Vertragstypus anzusehen, der sich insgesamt als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB darstellt.

 

LF 2) Bei einem "Access-Provider-Vertrag" geht es um die Pflicht des Anbieters, dem Kunden den Zugang zum Internet zu verschaffen; hierbei schuldet der Provider - nur - die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet, so dass dieser Vertrag im Allgemeinen als Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff BGB anzusehen ist.

 

LF 3) Gegenstand des "Application-Service-Providing (ASP)"-Vertrags ist die Bereitstellung von Softwareanwendungen für den Kunden zur Online-Nutzung über das Internet oder andere Netze. Im Vordergrund dieses Vertrages steht die (Online-)Nutzung fremder (Standard-)Software, die in aller Regel nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Kunden zur Verfügung gestellt wird, und somit der Gesichtspunkt der (entgeltlichen) Gebrauchsüberlassung, weshalb dieser Vertrag von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Mietvertrag im Sinne der §§ 535 ff BGB eingeordnet worden ist.

 

LF 4) Beim "Web-Hosting"-Vertrag (bzw. "Website-Hosting"-Vertrag) stellt der Anbieter auf seinem eigenen Server dem Kunden Speicherplatz und einen entsprechenden Internet-Zugang zur Verfügung, wobei es Sache des Kunden ist, diesen Speicherplatz (durch eine eigene Website) zu nutzen und zu verwalten. Dieser Vertrag weist dienst-, miet- und werkvertragliche Aspekte auf. Findet der Vertragszweck seinen Schwerpunkt in der Gewährleistung der Abrufbarkeit der Website des Kunden im Internet, so liegt es allerdings nahe, insgesamt einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB anzunehmen.

 

LF 5) Im "Webdesign-Vertrag" verpflichtet sich der Anbieter, für den Kunden eine individuelle Website zu erstellen. Ein solcher Vertrag dürfte - ebenso wie ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software - regelmäßig als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag im Sinne von § 651 BGB, anzusehen sein.

 

LF 6) Verträge über die "Wartung" oder "Pflege" von Software, EDV-Programmen oder Websites sind als Werkverträge einzuordnen, soweit sie auf die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und die Beseitigung von Störungen (und somit: auf einen Tätigkeitserfolg) gerichtet sind, wohingegen ihre Qualifizierung als Dienstvertrag nahe liegt, wenn es an einer solchen Erfolgsausrichtung fehlt und die laufende Serviceleistung (Tätigkeit) als solche geschuldet ist.

§§§

10.009 Datenschutzstelle
 
  1. EuGH,     U, 09.03.10,     – C-518/07 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = NJW_10,1265 = K&R_10,328 = CR_10,339 = DÖV_10,446

  3. RL-Nr.95/46/EG_Art.28 Abs.1

 

1) Die Bundesrepublik Deutschland hat die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten durch nichtöffentliche Stellen und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern staatlicher Aufsicht unterstellt. Sie hat damit gegen ihre Verpflichtungen aus Art.28 Abs.1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstoßen, weil sie das Erfordernis, dass diese Stellen ihre Aufgaben "in völliger Unabhängigkeit" wahrnehmen, falsch umgesetzt hat.

 

2) Art.28 Abs.1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten im nichtöffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein müssen, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Diese Unabhängigkeit schließt nicht nur jegliche Einflussnahme seitens der kontrollierten Stellen aus, sondern auch jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen.

§§§

10.010 Klingeltöne für Mobiltelefone II
 
  1. BGH,     U, 11.03.10,     – I_ZR_18/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = GRUR_10,920 -24 = CR_10,647 -49 = K&R_10,663 -67 = MDR_10,1339 = MMR_10,769 -71

  3. UrhG_§_14, UrhG_§_23 S.1, UrhG_§_39,

  4. Revision-zurückgewiesen

 

Berechtigte sind aus Rechtsgründen nicht gehindert, der GEMA das Recht zur Nutzung bearbeiteter oder anders umgestalteter Musikwerke als Klingeltöne oder Freizeichenuntermalungsmelodien nur unter der aufschiebenden Bedingung einzuräumen, dass der Lizenznehmer der GEMA in jedem Einzelfall vor Beginn der Nutzung eine ihm von den Berechtigten zur Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte der Komponisten erteilte Benutzungsbewilligung vorgelegt hat (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 18.12.2008 - I_ZR_23/06, GRUR_09,395 = WRP 2009, 313 - Klingeltöne für Mobiltelefone I).

§§§

10.011 Die Titelbörse
 
  1. LG Köln,     U, 17.03.10,     – 28_O_612/09 –

  2. JurPc Web-Dok-100/2010 = www.webshoprecht.de = NJW_10,10 = MMR_10,369 -71

  3. BDSG_§_4 Abs.1, BDSG_§_29/2

  4. www.webshoprecht.de

 

1) Eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht liegt dann nicht vor, wenn gemäß § 4 Abs.1 BDSG die Erhebung, Verbreitung und Nutzung personenbezogener Daten unabhängig von einer Einwilligung des Betroffenen zulässig ist, nämlich wenn diese durch das BDSG oder eine andere Vorschrift erlaubt ist.

 

2) Als solche Rechtsvorschrift greift § 29 Abs.2 BDSG ein, die eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs.1 BDSG darstellt. Danach ist das Übermitteln geschäftsmäßig erhobener, gespeicherter oder veränderter personenbezogener Daten, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient zulässig, wenn der Dritte, dem die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse hieran hat, es sei denn, dass ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegt.

 

3) Stellt ein Betreiber eine Plattform zur Verfügung, in die Dritte Schuldtitel zum Kauf einstellen und andere Dritte sich mit Hilfe dieser Plattform mit dem Gläubiger in Verbindung setzen können, dann ist die Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an die abfragenden Nutzer aufgrund einer Gesamtabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse desjenigen, dem die Daten über das Internet übermittelt werden, beurteilt werden. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen den Interessen des Abrufenden an der Kenntnis der Daten und desjenigen, der die Daten übermittelt hat, an deren Weitergabe gegenüberzustellen. Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten sind zu messen an den Aufgaben und Zwecken, denen die Speicherung und Übermittlung dient. Ob ein Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Übermittlung schutzwürdig ist, kann also im Vergleich mit den sich ergebenden berechtigten Interessen der Dritten ermittelt werden.

 

4) Die Übermittlung der Daten von Schuldtiteln durch die Plattform "Die Titelbörse" ist datenschutzrechtlich zulässig, weil das Verkaufsinteresse des Anbieters und das potentielle Erwerbsinteresse des Abrufers die berechtigten schutzwürdigen Interessen des Titelschuldners überwiegen.

§§§

10.012 Proxyserersystem
 
  1. BGH,     U, 18.03.10,     – Xa_ZR_54/06 –

  2. www.BGH.de = JurPc = GRUR_10,709 -12 = CR_10,432 = JZ_10,379

  3. EPÜ_Art.84; IntPatÜbkG_Art.II_§_6 Abs.3

 

Ein europäisches Patent kann im Nichtigkeitsverfahren nicht mit Patentansprüchen beschränkt verteidigt werden, die dem Erfordernis einer deutlichen (klaren) und knappen Anspruchsfassung nicht genügen.

§§§

10.013 Gewährleistungsausschluss
 
  1. BGH,     U, 31.03.10,     – I_ZR_34/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_11,76 -79 = MDR_10,15 = JuS_11,753 = K&R_10,737 -40 = JZ_10,276 = MMR_10,821 -23 = WM_10,2094 -98

  3. UWG_§_2 Abs.1 Nr.1, UWG_§_4 Nr.11, UWG_§_8 Abs.4; BGB_§_475 Abs.1 S.1; ZPO_§_139 Abs.4, ZPO_§_156 Abs.2 Nr.1;

  4. Revision-erfolgreiche

 

1) Die Ankündigung der Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses ist eine geschäftliche Handlung iS von § 2 Abs.1 Nr.1 UWG.

 

2) § 475 Abs.1 Satz 1 BGB zählt zu den Vorschriften iS des § 4 Nr.11 UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

 

3) Die Anwendbarkeit des § 4 Nr.11 UWG iV mit § 475 Abs.1 Satz 1 BGB ist nicht wegen eines Vorrangs des § 2 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Nr.1 UKlaG ausgeschlossen.

§§§

10.014 Marlene-Dietrich-Bildnis II
 
  1. BGH,     U, 31.03.10,     – I_ZB_62/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_185,152 -66 = GRUR_10,825 -28 = NJW-RR_10,1563 -67

  3. MarkenG_§_8 Abs.2 Nr.1

  4. Rechtsbeschwerde-erfolgreiche / Positionsmarke

 

1) Zeichen oder Angaben, die sonst als Werbemittel verwendet werden, ohne dass sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind, kann nicht schon wegen einer solchen Verwendung die Eintragung als Marke versagt werden.

 

2) Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG ist im Wege einer Prognose zu ermitteln, ob dem angemeldeten Zeichen von Haus aus Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukommt. Dabei sind die in der betreffenden Branche bestehenden Verkehrsgepflogenheiten sowie - wenn das angemeldete oder ein ähnliches Zeichen bereits benutzt wird - die Kennzeichnungsgewohnheiten und die tatsächliche Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Die Wahrnehmung des Verkehrs, ob ein Zeichen im Einzelfall als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Ware oder Dienstleistung verstanden wird, kann auch dadurch beeinflusst werden, dass Marken bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise an bestimmten Stellen angebracht werden.

§§§

10.015 S-Versicherungseinlagen
 
  1. BGH,     U, 13.04.10,     – XI_ZR_197/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_185,166 -78 = JZ_10,376 = MDR_10,9 = NJW_10,1742 -44 = VersR_10,1187 -90 = WM_10,933 -36

  3. BGB_§_133, BGB_§_157, BGB_§_307 Abs.3 S.1, BGB_§_308 Nr.4, BGB_§_315 Abs.1, BGB_§_316

  4. Revision-erfolgreiche

 

1) Die Formularklausel, "die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz für S-Versicherungseinlagen .", ist wirksam, soweit sie die Vereinbarung eines variablen Zinses enthält, weil es sich dabei um eine gemäß § 307 Abs.3 Satz 1 BGB der Klauselkontrolle nicht unterliegende Preisregelung der Parteien handelt. Sie ist aber in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität nach § 308 Nr.4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist.

 

2) Die durch die (teilweise) Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Lücke im Vertrag ist durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen; ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Bankkunden nach § 316 BGB kommt ebenso wenig in Betracht wie ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank nach § 315 Abs.1 BGB.

 

3) Das Gericht hat die maßgeblichen Änderungsparameter selbst zu bestimmen, wobei in sachlicher Hinsicht (insbesondere Bindung an einen aussagekräftigen Referenzzins) und in zeitlicher Hinsicht (Dauer der Zinsperiode) präzise Parameter zu wählen sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen.

 

4) Die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, weil formularmäßige Zinsänderungsklauseln typische Vereinbarungen sind, bei deren Unwirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit eine allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten ist.

§§§

10.016 Bildberichtserstattung
 
  1. BGH,     U, 13.04.10,     – VI_ZR_125/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_10,3025 -27 = MDR_10,989 -90 = GRUR_10,1029 -31 = VersR_10,1090 -91

  3. GG_Art.5 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1;EMRK_Art.8, EMRK_Art.10; KUG_§_22, KUG_§_23 Abs.1 Nr.1 + Abs.2 ,

  4. Revision-erfolgreiche

 

Die Bildberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis kann auch zulässig sein, wenn einzelne Aussagen der Wortberichterstattung für unzulässig erklärt worden sind.

§§§

10.017 Schutz einer Bildschirmmaske
 
  1. OLG Karlsr,     U, 14.04.10,     – 6_U_46/09 –

  2. JUrPc Web-Dok-91/2010 = Telemedicus

  3. UrhG_§_2 Abs.1 Nr.7; UWG_§_4 Nr.9a

  4. Berufung-erfolglose

 

1) Die Gestaltung einer Bildschirmmaske ist nicht nach § 69a UrhG als Computerprogramm geschützt.

 

2) Eine Bildschirmmaske kann nach § 2 Abs.1 Nr.7 UrhG Schutz genießen, wenn ihre graphische Gestaltung im Vordergrund steht.

 

3) Auch bei Vorliegen wettbewerblicher Eigenart einer Bildschirmmaske scheidet ein Anspruch nach § 4 Nr.9a UWG aus, wenn sowohl die klägerische Maske als auch die angegriffene, ähnliche Maske nicht isoliert vertrieben werden, sondern Bestandteil einer umfassenden Software sind, deren unterschiedliche Bezeichnung eine Herkunftstäuschung ausschließt. Für die Frage der Eignung zur Herkunftstäuschung kommt es dabei auf die Verkehrskreise an, die über die Beschaffung der Software entscheiden.

§§§

10.018 Teilnehmerdaten III
 
  1. BGH,     U, 20.04.10,     – KZR_53/07 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = K&R_10,515 -17 = NJW_10,8 = NJW-RR_10,1708 -09 = MMR_10,633 -34 = CR_10,444 -45

  3. (04) TKG_§_47 Abs.4; RL-Nr.10/98/EG_Art.6 Abs.2 + 3

  4. Revision-erfolgreiche

 

§ 47 Abs.4 TKG 2004 ist - ebenso wie § 12 TKG 1996 - so auszulegen, dass ein Telefondienstbetreiber für die Überlassung von Basisdaten - Name, Anschrift, Telefonnummer - seiner eigenen Kunden an Unternehmen, die einen Auskunftsdienst aufnehmen oder ein Teilnehmerverzeichnis herausgeben wollen, ein Entgelt nur bis zur Höhe der (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung erheben darf. Für die Überlassung der sonstigen Teilnehmerdaten gilt diese Beschränkung nicht.

§§§

10.019 Verlegung von Elektrizitätsleitungen
 
  1. BGH,     U, 28.04.10,     – VIII_ZR_223/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_10,2802 -04 = MDR_10,16 = NVwZ_10,7

  3. GG_Art.14; BGB_§_1004; ABBEltV_§_8; NAV_§_12

  4. Revision-zurückgewiesen

 

Nimmt ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen das innerhalb des Versorgungsgebiets liegende Grundstück eines Anschlussnehmers für die Verlegung von Elektrizitätsleitungen in Anspruch, ist es dem von der Leitungsverlegung betroffenen Grundeigentümer grundsätzlich verwehrt, das Versorgungsunternehmen auf die Inanspruchnahme eines anderen Duldungspflichtigen zu verweisen. Dabei ist das Auswahlermessen des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auch nicht dahin eingeschränkt, dass es in Fällen, in denen die Inanspruchnahme von privatem und öffentli-chem Grundeigentum gleichwertig möglich ist, das öffentliche Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 11. März 1992 - VIII_ZR_219/91, WM_92,1114 ).

§§§

10.020 Vorschaubilder
 
  1. BGH,     U, 29.04.10,     – I_ZR_69/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_185,291 -10 = CR_10,463 -68 = GRUR_10,628 -33 = NJW_10,2731 -37 = K&R_10,501 -07 = MDR_10,9 = MMR_10,475 -80

  3. UrhG_§_19a, UrhG_§_51 Abs.1 S.1, UrhG_§_97

  4. Revision-zurückgewiesen / Thumbnails

 

1) Der Betreiber einer Suchmaschine, der Abbildungen von Werken, die Dritte ins Internet eingestellt haben, als Vorschaubilder (sog. Thumbnails) in der Trefferliste seiner Suchmaschine auflistet, macht die abgebildeten Werke nach § 19a UrhG öffentlich zugänglich.

 

2) Die Verwertung eines geschützten Werks als Zitat setzt nach wie vor einen Zitatzweck im Sinne einer Verbindung zwischen dem verwendeten fremden Werk oder Werkteil und den eigenen Gedanken des Zitierenden voraus.

 

3) Ein rechtswidriger Eingriff in urheberrechtliche Befugnisse ist nicht nur dann zu verneinen, wenn der Berechtigte rechtsgeschäftlich entweder durch Einräumung entsprechender Nutzungsrechte über sein Recht verfügt oder dem Nutzer die entsprechende Werknutzung schuldrechtlich gestattet hat. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ein ausschließliches Verwertungsrecht auch dann ausgeschlossen, wenn der Berechtigte in die rechtsverletzende Handlung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung setzt keine auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraus.

§§§

10.021 Sommer unseres Lebens
 
  1. BGH,     U, 12.05.10,     – I_ZR_121/08 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = BGHZ_185,330 = NJW_10,2061 = VersR_10,1050 = MMR_10,565 = K&R_10,492

  3. UrhG_§_19a, UrhG_§_97,

  4. Revision-teilweise erfolgreich / eMule Tauschbörse

 

1) Den Inhaber eines Internetanschlusses, von dem aus ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung des Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht worden ist, trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn er geltend macht, nicht er, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen.

Abs.19

2) Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.

* * *

T-10-01Unterlassungsanspruch gegen Störer

19

"a) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, Urt. v. 18.10.2001 - I_ZR_22/99, GRUR_02,618, 619 = WRP 2002, 532 - Meißner Dekor I; BGH, Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Tz. 50 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urt. v. 15.10.1998 - I_ZR_120/96, GRUR_99,418, 419 f. = WRP 1999, 211 - Möbelklassiker; BGHZ_158,343, 350 - Schöner Wetten; BGH, Urt. v. 9.2.2006 - I_ZR_124/03, GRUR_06,875 Tz.32 = WRP 2006, 1109 - Rechtsanwalts-Ranglisten).

20

b) Der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses ist adäquat kausal für Urheberrechtsverletzungen, die unbekannte Dritte unter Einsatz dieses Anschlusses begehen. Auch privaten Anschlussinhabern obliegen insoweit Prüfungspflichten, deren Verletzung zu einer Störerhaftung führt.

21

aa) Es ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass unberechtigte Dritte einen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss dazu benutzen, urheberrechtlich geschützte Musiktitel im Internet in Tauschbörsen einzustellen. Die Unterlassung ausreichender Sicherungsmaßnahmen beruht auch auf dem Willen des Anschlussinhabers.

22

bb) Auch Privatpersonen, die einen WLAN-Anschluss in Betrieb nehmen, ist es zuzumuten zu prüfen, ob dieser Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen hinreichend dagegen geschützt ist, von außenstehenden Dritten für die Begehung von Rechtsverletzungen missbraucht zu werden. Die Zumutbarkeit folgt schon daraus, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen. Zur Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen durch unberechtigte Dritte ergriffene Sicherungsmaßnahmen am WLAN-Zugang dienen zugleich diesem Eigeninteresse des Anschlussinhabers. Die Prüfpflicht ist mit der Folge der Störerhaftung verletzt, wenn die gebotenen Sicherungsmaßnahmen unterbleiben.

23

cc) Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch für eine Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten (vgl BGHZ_172,119 Tz.47 - Internet-Versteigerung II). Es würde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerk-sicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfungspflicht im Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich vielmehr da-hin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind (vgl. dazu für den Bereich der Verkehrssicherungspflichten BGH, Urt. v. 31.10.2006 - VI_ZR_223/05, NJW_07,762 Tz. 11; Urt. v. 2.3.2010 - VI_ZR_223/09 Tz. 9 f., VersR_10,544 ).

24

dd) Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Prüfungs-pflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines An-schlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des An-schlusses. Die Gründe, die den Senat in den Fällen der Internetversteigerung dazu bewogen haben, eine Störerhaftung des Plattformbetreibers erst anzu-nehmen, nachdem er von einer ersten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat, liegen bei privaten WLAN-Anschlussbetreibern nicht vor. Es geht hier nicht um ein Geschäftsmodell, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre (vgl BGHZ_158,236, 251 f. - Internet-Versteigerung I). Es gelten auch nicht die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art.14 f. der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr, die im Falle des Diensteanbieters nach § 10 Satz 1 TMG (Host Provider) einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen. Das hoch zu bewertende, berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich verkehrsüblich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung angewandt werden.

25

c) Die Klägerin kann den Beklagten als Störer auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Er hat unter Verletzung der ihm obliegenden Prüfungspflicht eine Ursache dafür gesetzt, dass ein Dritter über seinen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung begehen konnte.

26

aa) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von der L. AG ermittelten IP-Adresse festgestellt, dass ein außenstehender Dritter den WLAN-Anschluss des Beklagten für die das Verwertungsrecht der Klägerin verletzende Handlung benutzt hat.

27

(1) Der Beklagte hat zwar bestritten, dass die Klägerin korrekt an seine IP-Adresse gelangt sei, und geltend gemacht, bei der Feststellung der IP-Adresse des wirklichen Täters müsse ein Ermittlungsfehler unterlaufen sein. Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts hat die L. AG aber die fragliche IP-Adresse mit Hilfe der von ihr entwickelten zuverlässigen und eingehend überwachten Software ermittelt. Nachdem das Landgericht das pauschale Bestreiten des Beklagten als zu unbestimmt angesehen hatte und der Beklagte seinen Vortrag in zweiter Instanz nicht weiter substantiiert hat, konnte das Berufungsgericht insoweit ohne Rechtsfehler auf die Feststellungen des Landgerichts verweisen.

28

(2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden.

29

Auskünfte über den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers richten sich nach den Regelungen des Telekommunikations-gesetzes über die Bestandsdatenabfrage (LG Stuttgart MMR 2005, 624, 628; LG Hamburg MMR 2005, 711; LG Würzburg NStZ-RR 2006, 46; Sankol, MMR 2006, 361, 365; a.A. Bock in Beck'scher TKG-Kommentar, 3.Aufl.,§ 113 Rdn.24; Bär, MMR_05,626 ). Es handelt sich nicht um Verkehrsdaten nach § 96 Abs.1,§ 113a TKG, die gemäß § 100g Abs.2, § 100b Abs.1 StPO nur auf richterliche Anordnung erhoben werden dürfen. Die Zuordnung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber enthält keine Aussage darüber, mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten einzuordnen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung, BT-Drucks. 14/7008, S.7; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung ., BT-Drucks.16/5846, S.26 f.). Die Ermittlung des einer konkreten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordneten Anschlussinhabers erfolgt daher auf der Grundlage der allgemeinen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 161 Abs.1 Satz 1 und § 163 StPO, so dass die Auskunft der Deutschen Telekom AG rechtmäßig eingeholt worden ist...."

 

Auszug aus BGH U, 12.05.10, - I_ZR_121/08 -, www.BVerwG.de,  Abs.19 ff

§§§

10.022 Kündigung-EDV-Administgrator
 
  1. LAG Köln,     U, 14.05.10,     – 4_Sa_1257/09 –

  2. JurPc Web-Dok-192/2010

  3. BGB_§_626 Abs.1

 

1) Ein Missbrauch von Zugriffsrechten durch einen EDV-Administrator kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

 

2) Es ist regelmäßig nicht Aufgabe eines Revisors, die gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers zu kontrollieren.

§§§

10.023 Stadtratssitzung - Citi TV I
 
  1. VG Saarl,     B, 08.06.10,     – 11_L_502/10 –

  2. EsG = JURION = afp_10,516

  3. GG_Art.5 Abs.1 S.2, GG_Art.1 Abs.3; KSVG_§_40 Abs.1, KSVG_§_43 Abs.1; SDSG_§_3 Abs.2, SDSG_§_34; SMG_§_11; BDSG_§_9

  4. Aufgehoben durch OVG B, 30.08.10 - 3_B_203/10 - Nummer 10.031 / siehe auch kritische Anmerkungen zum OVG Beschluss A-10-01

 

1) Die Rundfunkfreiheit des Art.5 I 2 GG vermittelt einer privaten Rundfunkveranstalterin grundsätzlich das Recht, öffentliche Gemeinderatssitzungen aufzuzeichnen und zeitgleich oder zeitversetzt zu senden.

 

LB 2) Die Sitzungsgewalt und das Hausrecht der Ratsvorsitzenden beruhen zwar auf einem allgemeinen Gesetz, da sich § 43 Abs.1 KSVG nicht spezifisch gegen den Rundfunk richtet. Darauf gestützte Maßnahmen können Jedermann betreffen und richten sich nicht gegen die Beschaffung von Informationen und deren Verwertung als solche durch den Rundfunk.

 

LB 3) Die Rechtsgüter- und Verfassungswerteabwägung im Rahmen des Art.5 Abs.1 Satz 2 GG ergibt jedoch, dass das geltend gemachte Funktionsinteresse an einem geordneten Sitzungsbetrieb des Stadtrates hinter das Informations- und Verbreitungsinteresse der Antragstellerin als Rundfunkveranstalterin zurücktreten muss.

 

LB 4) Im Rahmen dieser Abwägung kommt zunächst dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Ratsmitglieder - also deren Grundrechten aus Art.1 und 2 GG - keine tragende Bedeutung zu.

 

LB 5) Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat und schützen die Sphäre des Bürgers vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt.

 

LB 6) Stadtratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Stadtratsmitglieder sind jedoch Inhaber eines öffentlichen Amtes und üben Kraft dieses Amtes eben diese hoheitliche Gewalt aus. Sie stehen daher dem Staat nicht als Bürger gegenüber, sondern besitzen die Stellung eines in die staatliche Organisation einbezogenen Amtsträgers. (vgl nur BVerfG, Beschluss vom 02.07.1993 - 2_BvR_1130/93-, NVwZ_94,56 ;)

 

LB 7) Daher sind sie in ihrer Eigenschaft als Stadtratsmitglieder nicht Grundrechtsberechtigte, sondern als Teil der vollziehenden Gewalt iSd Art.1 Abs.3 GG, zu der auch die Gemeinden mit all ihren Organen und Organteilen gehören, Grundrechtsverpflichtete. Mithin ist es ihnen verwehrt, sich in ihrem Status als Mandatsträger auf eine Grundrechtsverletzung zu berufen.

 

LB 8) Aus der Stellung der Ratsmitglieder als Teil der den Grundrechten verpflichteten öffentlichen Verwaltung folgt auch, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen (§§ 3 Abs.2 Nr.1, 4, 2, 7, 34 Saarländisches Datenschutzgesetz - SDSG -) dem aus Art.5 Abs.1 Satz 2 GG gewährleisteten Recht der Antragstellerin auf Anfertigung und Verbreitung von Ton- und Bewegtbildaufnahmen im Zusammenhang mit öffentlichen Stadtratssitzungen nicht entgegengehalten werden können.

 

LB 9) Nach § 11 Abs.2 SMG gelten nur die datenschutzrechtlichen Vorschriften über die technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Datensicherung nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes, soweit personenbezogene Daten von Rundfunkveranstalterinnen oder Rundfunkveranstaltern und ihren Hilfsunternehmen zu journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

 

LB 10) Dabei ist als journalistisch-redaktioneller Zweck jede personenbezogene Information, die von Journalisten zu Zwecken der Recherche sowie der Vorbereitung und Herstellung von zur Veröffentlichung bestimmten Sendungen entweder unmittelbar erhoben oder aus anderen Quellen beschafft werden, zu verstehen.

 

LB 11) Die Anfertigung von Ton- und Bewegtbildaufnahmen durch die Antragstellerin im Zusammenhang mit den Stadtratssitzungen stellt daher einen journalistisch-redaktionellen Zweck dar, mit der Folge, dass lediglich die Bestimmung des § 9 BDSG zu berücksichtigen ist, die durch die hier in Rede stehenden Videoaufzeichnungen der Antragstellerin jedoch nicht tangiert ist.

§§§

10.024 Teilnehmerdaten IV
 
  1. BGH,     U, 29.06.10,     – KZR_9/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = K&R_10,672 = CR_10,640 -42 = MMR_10,784 -85

  3. BGB_§_134; TKG_47: RL-Nr.2002/22/EG_Art.25 Abs.2

 

Eine gegen § 47 Abs.4 TKG - in gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung nach Art.25 Abs.2 der Richtlinie 2002/22/EG (Universaldienstrichtlinie) - verstoßende Vereinbarung eines Entgelts für die Überlassung von Basisdaten der eigenen Kunden eines Telefondienstbetreibers ist gemäß § 134 BGB im Umfang des Verstoßes nichtig.

§§§

10.025 GSM-Wandler
 
  1. BGH,     U, 29.06.10,     – KZR_31/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = WM_10,1950 -57 = CR_10,642 -46 = MMR_10,786 -90

  3. EG_Art.82; TKG_§_21

 

Ein Unternehmen, das für bestimmte Telekommunikationsdienstleistungen eine marktbeherrschende Stellung hat, handelt grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn es anderen Unternehmen, die Zugang zu dem von ihm beherrschten Markt begehren, diesen Zugang nur unter den von der Regulierungsbehörde nach § 21 TKG festgesetzten Bedingungen gewähren will.

§§§

10.026 Zeitschriftenwerbung
 
  1. BGH,     U, 01.07.10,     – I_ZR_161/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = GRUR_11,163 -66 = K&R_11,38 = MDR_11,117 -18 = BB_11,2

  3. UWG_§_3 Abs.1, 2 + 3, UWG_§_3/3_Anh_Nr.11, UWG_§_4 Nr.3, UWG_§_4 Nr.11; (NW) PresseG_§_10

  4. Revision-zurückgewiesen / Flappe / Vorschaltblatt / Trennungsgebot

 

1) Ein Verstoß gegen das in Nr.11 des Anhangs zu § 3 Abs.3 UWG vorgesehene Verbot als Information getarnter Werbung liegt bei einer mehrseitigen Zeitschriftenwerbung nicht vor, wenn der Werbecharakter nach dem Inhalt der gesamten Werbung unverkennbar ist und bei einer Kenntnisnahme nur der ersten Seite deren isolierter Inhalt keine Verkaufsförderung bewirkt.

 

2) Bei der unter a) beschriebenen Zeitschriftenwerbung liegt auch keine Verschleierung des Werbecharakters i.S. von § 4 Nr.3 UWG vor.

 

3) Ein Verstoß gegen das in den Landespressegesetzen verankerte Trennungsgebot redaktioneller Inhalte und Werbung liegt nicht vor, wenn der Leser den Werbecharakter einer mehrseitigen Zeitschriftenwerbung in ihrer Gesamtheit ohne weiteres erkennt und die erste Seite der Zeitschriftenwerbung für sich genommen keine Werbewirkung entfaltet.

§§§

10.027 Dieselbe Angelegenheit
 
  1. BGH,     U, 03.08.10,     – VI_ZR_113/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_10,2037 -40 = CR_10,668 -71 = GRUR_10,1040 = MDR_10,1155 -56 = VersR_11,896 -99

  3. RVG_§_15 Abs.2 S.1; ZPO_§_287; BGB_§_823

  4. Revision-zurückgewiesen

 

Zur Frage, ob die außergerichtliche Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs.2 Satz 1 RVG betrifft.

 

LB 2) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsät-ze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat

 

LB 3) Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann

 

LB 4) Die Aufforderung der Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung betrifft gebührenrechtlich eine andere Angelegenheit als die Verfolgung der Ansprüche auf Richtigstellung und Gegendarstellung.

§§§

10.028 Gewerberaummietvertrag
 
  1. BGH,     U, 11.08.10,     – XII_ZR_123/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_10,3362 -63 = MDR_10,1306 -08

  3. BGB_§_123 Abs.1, BGB_§_142 Abs.1

  4. Revision-zurückgewiesen / Thor Steinar

 

Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaummietvertrages über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher Bedeutung sind.

§§§

10.030 Veröffentlichung im Internet
 
  1. VG Saarl,     U, 24.08.10,     – 3_K_228/10 –

  2. EsG = DuD_10,849 -52

  3. VwGO_§_42 Abs.1; VIG_§_1 Abs.1 Nr.1, VIG_§_2, VIG_§_3, VIG_§_5 Abs.1; LMHV_§_10 Nr.1LMHV_§_3, ; VO_(EG)_852/04_Art.4 Abs.2; LFGB_§_60 Abs.2 Nr.26a

  4. Veröffentlichung eines Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz im Internet nach dem Verbraucherinformationsgesetz

 

LB 1) Der Anspruch des Verbrauchers auf Informationszugang bezieht sich nach § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 VIG dem Grunde nach auf alle Daten über die in der Vorschrift aufgeführten Rechtsverstöße und eine Einschränkung nach dem Schweregrad der Verstöße oder dem Gewicht der im Zusammenhang mit ihnen getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen ist nicht vorgesehen.

 

LB 2) Das VIG hat die Zielsetzung, die Information der Verbraucher über gesundheitsbezogene Gefahren oder Risiken zu verbessern, woraus zu schließen ist, dass schon nach der Intention des Gesetzes dem Interesse der Verbraucher am Zugang entsprechender Informationen ein hoher Stellenwert beizumessen ist und die Abwägung dieses Interesses gegen das entgegenstehende Interesse desjenigen, der gegen die in § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 VIG aufgeführten Vorschriften verstoßen hat, nach Sinn und Zweck des VIG zu Gunsten des Verbraucherschutzes intendiert ist.

 

LB 3) Dabei stellt der Fall der Informationszugangsgewährung bei Verstößen im Sinne der genannten Vorschrift den gesetzlich beabsichtigten Regelfall dar, der durch § 2 Satz 1 Nr.2 Buchstabe a VIG nicht schon immer dann ausgeschlossen sein kann, wenn der betroffene Dritte dem Informationszugang die der Natur der Sache nach regelmäßig entgegenstehenden privaten Belange entgegenhält.

 

LB 4) Das dem Beklagten insoweit gesetzlich eingeräumte Ermessen (" kann . zugänglich machen") umfasst nicht die Informationsgewährung als solche, sondern beschränkt sich auf die Art und Weise der Informationsgewährung, also auf die Entscheidung, ob diese lediglich auf konkreten Antrag nach § 3 Abs.1 VIG erfolgt oder hiervon unabhängig durch Veröffentlichung im Internet.

 

LB 5) Die Ermessensentscheidung des Beklagten, welche einer gerichtlichen Überprüfung lediglich in den Grenzen des § 114 VwGO zugänglich ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Entscheidung des Beklagten, schwerwiegende bestandskräftig festgestellte Hygieneverstöße generell, also in der Regel mit Ausnahme atypischer Fälle, im Internet zu veröffentlichen.

 

LB 6) Diese Regelentscheidung bedeutet zunächst nicht, dass der Beklagte das ihm gesetzlich eingeräumte Ermessen nach § 5 Abs.1 Satz 2 VIG nicht erkannt und somit nicht ausgeübt hätte. Vielmehr handelt es sich um eine in Kenntnis des bestehenden Ermessens getroffene generelle Ermessensentscheidung für die Fälle schwerwiegender Hygieneverstöße, die als solche nicht zu beanstanden ist.

 

LB 7) Der Beklagte hat sich selbst insoweit eine so genannte grundsätzlich zulässige ermessenslenkende Verwaltungsrichtlinie gegeben, die mit der gesetzlichen Ermächtigung zur Ermessensentscheidung vereinbar ist, da sie sich am Zweck des VIG orientiert sowie grundsätzlich sachgerecht erscheint und der Beklagte sich insbesondere in Ansehung des ihm zustehenden Ermessens die Möglichkeit offen gehalten hat, in Ausnahmefällen von einer Informationsgewährung durch Veröffentlichung im Internet abzusehen

 

LB 8) Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der mit den Vorschriften des VIG bezweckte Schutz des Verbrauchers durch Informationsgewährung bei Hygieneverstößen, die - wie oben dargelegt - vom Beklagten zutreffend als schwerwiegend angesehen wurden und als zum Teil gesundheitsgefährdend einzustufen sind, am effektivsten durch eine antragsunabhängige Veröffentlichung zu realisieren ist, während eine Informationsgewährung auf Antrag einen effektiven Verbraucherschutz kaum gewährleistet, da eine Antragstellung nach § 3 VIG im Regelfall erst bei Verdacht oder Kenntniserlangung von Missständen erfolgen wird.

§§§

10.031 Stadtratssitzung - Citi TV II
 
  1. OVG Saarl,     B, 30.08.10,     – 3_B_203/10 –

  2. EsG = jusmeum.de = ESG

  3. GG_Art.5 Abs.1 S.2; KSVG_§_40, KSVG_§_43 Abs.1; VwGO_§_146 Abs.4; SDSG_§_1, SDSG_§_2 Abs.1 S.1, SDSG_§_4 Abs.1; BDSG_§_1 Abs.1, BDSG_§_1 BDSG_§_41; Abs.2 Nr.3, SMG_§_11 Abs.2; RStV_§_47 Abs.2

  4. Antrag einer privaten Rundfunkveranstalterin, die öffentlichen Sitzungen eines Stadt- oder Gemeinderates in Ton und Bild zum Zwecke der Rundfunkberichterstattung aufzeichnen zu dürfen

 

1) Das einer privaten Rundfunkveranstalterin zustehende Grundrecht der Rundfunkfreiheit, Art.5 Abs.1 Satz 2 GG, räumt ihr aller Voraussicht nach keinen gebundenen Anspruch darauf ein, die öffentlichen Sitzungen eines Stadt- oder Gemeinderates generell mittels Videoaufzeichnung zum ausschließlichen Zwecke der Berichterstattung aufzeichnen zu dürfen.

Allerdings steht ihr ein Anspruch darauf zu, dass über ihren Antrag ermessensfehlerfrei entschieden wird.

 

2) Der gesetzlichen Anordnung der Öffentlichkeit von Sitzungen oder Verhandlungen von Staats- oder Verfassungsorganen genügt grundsätzlich die Herstellung einer Saalöffentlichkeit, bei der auch Vertreter der Medien die Befugnis haben, zuzusehen, zuzuhören und die so aufgenommenen Informationen mit Hilfe der Presse, des Rundfunks oder anderer elektronischer Medien zu verbreiten. Sie erfordert nicht zwingend auch die Herstellung einer Medienöffentlichkeit in dem Sinne, dass den Medienvertretern daneben auch der medienspezifische Einsatz von Aufnahme- und Übertragungsgeräten mit dem Ziel der entsprechenden Verbreitung der Aufnahmen gestattet ist.

 

3) Das Grundrecht der Antragstellerin auf Gewährleistung der Rundfunkfreiheit findet seine Grenze in der rechtmäßigen Ausübung der Sitzungsgewalt des Ratsvorsitzenden aus § 43 Abs.1 KSVG.

 

4) § 43 Abs.1 KSVG ist aller Voraussicht nach auch im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit und unter Wahrung des besonderen Wertgehalts der Rundfunkfreiheit in der Weise auszulegen, dass von dieser Vorschrift das Recht des Ratsvorsitzenden umfasst ist, eine Zulassung der Medienöffentlichkeit zu verweigern.

 

5) Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung im Rahmen des § 43 KSVG kann allerdings nur ein konkurrierendes Rechtsgut von erheblichem Gewicht den Ausschluss einer über die Saalöffentlichkeit hinausgehenden Medienöffentlichkeit rechtfertigen. Mit einem solchen Gewicht kann dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit voraussichtlich nur das öffentliche Interesse an der - von Wirkungen der Medienöffentlichkeit unbeeinflussten - Funktionsfähigkeit des Gemeinderates entgegen gehalten werden. Gleiches gilt nicht auch für Persönlichkeits- oder Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Ratsmitglieder.

 

6) Die Auffassung, ein Ratsvorsitzender sei an der Zulassung der Medienöffentlichkeit bereits durch den Widerspruch eines einzelnen Ratsmitglieds, das sich auf subjektive (Persönlickeits- oder Mitgliedschafts-)Rechte beruft, gehindert und er bedürfe für eine solche Zulassung auch aus Gründen des Datenschutzes eines einstimmigen Ratsbeschlusses, steht nicht im Einklang mit der im Hinblick auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung des § 43 Abs.1 KSVG und der daran orientierten Ausübung der Sitzungsgewalt.

* * *

A-10-01HG Schmolke, kritische Anmerkungen

Tz-1

Die Begründung des OVG überzeugt mich nicht. Wie das VG halte ich einen Anspruch auf Videomitschnitte im Regelfall für gegeben. Der Rückgriff des OVG auf § 169 GVG ist weit hergeholt. Gerichtsverfahren sind ein aliud gegenüber dem Willensbildungsprozess in einem Gemeindeparlament. In diesen Verfahren geht es auch um den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfahrensbeteiligten, was bei Gemeinderatssitzungen in denen die Ratsmitglieder nur in ihrer Organträgerschaft betroffen sind nicht der Fall ist.

Tz-2

Ein Vergleich mit dem Landtag oder Bundestag liegt deshalb näher, weil es hier auch um politische Willensbildungsprozesse geht. So regelt Art.72 SVerf, dass der Landtag öffentlich verhandelt. Im Gegensatz zum KSVG enthält aber das LTG in § 77 Abs.1 eine ausdrückliche Regelung, die Bild- und Tonaufnahmen einer Genehmigungspflicht unterwerfen. Da das KSVG eine entsprechende Regelung nicht kennt, spricht vieles dafür das die grundgesetzlich abgesicherte Rundfunkfreiheit des Art.5 Abs.1 S.2 einen Anspruch auf derartige Aufnahmen rechtfertigt.

Tz-3

Das OVG versucht dieses Manko durch eine erweiternde Auslegung des Hausrechts des Bürgermeisters zu begegnen. Danach kann der Bürgermeister auf § 43 Abs.1 KSVG gestützt eine Zulassung der Medienöffentlichkeit verweigern, wenn er die Funktionsfähigkeit des Gemeinderates gefährdet sieht.

Tz-4

Dem ist entgegenzuhalten, dass auch der Landtagspräsident das Hausrecht ausübt (§ 34 LTG) und somit § 77 Abs.1 LTG überflüssig wäre. ME rechtfertigt eine dem Art.5 Abs.1 S.2 GG Rechnung tragende Auslegung dieser Vorschrift allenfalls einen Ausschluss der Medienöffentlichkeit bei Sitzungen des Untersuchungsausschusses (§ 45 Abs.2 LTG). Dafür spricht, dass die Arbeit eines Untersuchungsausschusses dem Gerichtsverfahren näher steht, als dem politischen Willensbildungsprozess im Landtag.

Tz-5

Eine dem KSVG vergleichbare Regelung ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für einen Medienausschluss gilt für den Bundestag (Art.42 GG). Da Bundestagssitzungen regelmäßig im Fernsehen übertragen werden, ohne dass die Funktionsfähigkeit des Bundestages darunter leidet, ist nicht einzusehen, dass beim Gemeindeparlament etwas anderes gelten soll.

Tz-6

Letztlich ermöglicht § 40 Abs.1 KSVG in nicht öffentlicher Sitzung zu beraten, wenn im Einzelfall berechtigte Interessen Einzelner einer öffentlichen Sitzung entgegenstehen. Eine extensive Auslegung des § 43 Abs.1 KSVG erscheint deshalb nicht geboten.

Tz-8

Auf Grund dieser Erwägungen halte ich das Ergebnis des VG im Beschluss vom 08.06.10 - 11_L_502/10 - (RS-IT-Recht Nr.10.023) für richtig.

§§§

10.032 sevenload.de
 
  1. OLG Hamb,     U, 29.09.10,     – 5_U_9/09 –

  2. JurPc Web-Dok-38/2011 = JURION = K&R_11,56 -59 = MMR_11,49 -51

  3. UrhG_§_97 Abs.1; TMG_§_7 Abs.1

 

Die im Nutzerbereich der Internetseite sevenload.devon Dritten hochgeladenen Video-Filme stellen keine eigenen Inhalte der Seitenbetreiberin im Sinne des § 7 Abs.1 TMG dar. Verletzen die Filme fremde Urheberrechte, haftet die Seitenbetreiberin nicht als Täterin oder Teilnehmerin auf Unterlassung. Sie ist jedoch verpflichtet, das jeweilige Video bei einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung unverzüglich zu sperren und dafür Vorsorge zu treffen, dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt.

§§§

10.033 Kunstausstellung im Online-Archiv
 
  1. BGH,     U, 05.10.10,     – I_ZR_127/09 –

  2. www.BGH.de = JURION = GRUR_11,415 -18 = CR_11,283 -85 = K&R_11,335 -337 = MDR_11,557 = MMR_11,544 -45

  3. UrhG_§_19a, UrhG_§_50,

  4. Revision-erfolgreiche

 

Wird im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung berichtet, bei der urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (hier: Bericht über eine Ausstellungseröffnung), dürfen Abbildungen dieser Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann.

§§§

10.034 AnyDVD
 
  1. BGH,     U, 14.10.10,     – I_ZR_191/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = BGHZ_187,241 -55 = CR_11,401 -05 = GRUR_11,513 -17 = K&R_11,325 -29 = MDR_11,618 -20 = NJW_11,36 = WM_11,953 -58

  3. UrhG_§_95a; EU-Grundrechtscharta-Art.11; RL-Informationsgesellschaft_Art.6

  4. Revision-erfolgreiche / c't / heise-online

 

Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Beitrag elektronische Verweise (Links) auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst.

§§§

10.035 Gesamtvertrag Musikabrufdienste
 
  1. BGH,     U, 14.10.10,     – I_ZR_11/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW-RR_11,102 -04 = MDR_11,312 = CR_11,121 -25 = GRUR_11,61 -65 = K&R_11,45 -49 = MMR_11,102 -04

  3. UrhWG_§_11 Abs.1, UrhWG_§_12

  4. Revision-zrückgewiesen

 

1) Eine Verwertungsgesellschaft hat die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nach § 11 Abs.1, § 12 UrhWG nur denjenigen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die diese zumindest auch für eigene Nutzungshandlungen benötigen. Sie muss die Nutzungsrechte dagegen nicht denjenigen einräumen, die diese ausschließlich auf Dritte weiterübertragen möchten.

 

2) Hat eine Verwertungsgesellschaft einen Tarif für einen Nutzungsvorgang aufgestellt, der mehrere Nutzungshandlungen umfasst, so ist sie gegenüber Vereinigungen, deren Mitglieder keine der von diesem Tarif erfassten Nutzungshandlungen selbst vornehmen, nicht nach § 12 UrhWG zum Abschluss eines Gesamtvertrages über diesen Tarif verpflichtet.

 

3) Die GEMA-Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten erfassen allein das Aufnehmen und Aufbereiten von Musikstücken durch Nutzer oder im Auftrag von Nutzern, die beabsichtigen, diese Musikdateien anschließend selbst öffentlich zugänglich zu machen. Nutzer, die nicht selbst Musikstücke in Musikabrufdiensten anbieten, können den Tarif der Beklagten für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten daher auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie diese Musikstücke für eine Nutzung in Musikabrufdiensten aufnehmen und aufbereiten.

§§§

10.036 Einwählen in WLAN-Netzwerke
 
  1. LG Wupp,     B, 19.10.10,     – 25_Qs_10_Js 1977/08 –

  2. NRWE = JurPc = K&R_10,838 -40 = MMR_11.65 -66

  3. StPO_§_203; TKG_§_89 S.1, TKG_§_148/1; BDSG_§_44, BDSG_§_43 Abs.2 Nr.3

 

Das Einwählen in unverschlüsselt betriebene Funknetzwerke (WLAN) ist nicht strafbar.

§§§

10.037 Richterliche Unabhängigkeit
 
  1. BGH,     U, 21.10.10,     – RiZ(R)_5/09 –

  2. www.BGH.de = IWW = K&R_11,113 -15 = CR_11,89 -91 = MDR_11,140

  3. DRiG_§_26 Abs.3

  4. Revision-erfolgreiche

 

Die Weigerung der Dienstaufsicht, einem mit Handelsregistersachen befassten Richter die elektronisch eingereichten Eingaben zum Handelsregister in ausgedruckter Form zur Bearbeitung vorzulegen, stellt keine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit dar.

§§§

10.038 Rosenball in Monaco
 
  1. BGH,     U, 26.10.10,     – VI_ZR_190/08 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = NJW_11,746 = GRUR_11,259 = VersR_11,127

  3. KUG_§_22 f; GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.5 Abs.1

  4. Revision-erfolgreiche / Die Klägerin ist die Tochter der Prinzessin Caroline von Hannover

 

Zur Zulässigkeit der Veröffentlichung kontextbezogener Fotos in einem Presseartikel über ein zeitgeschichtliches Ereignis (Rosenball in Monaco).

§§§

10.039 Bildberichterstattung
 
  1. BGH,     U, 26.10.10,     – VI_ZR_230/08 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = BGHZ_187,200 = NJW_11,744 = GRUR_11,261 = VersR_11,130

  3. BGB_§_823, BGB_§_1004; GG_Art.1 Abs.1, GG_Art.2 Abs.1, GG_Art.5 Abs.1,

  4. Revision-erfolgreiche / Die Klägerin ist die Tochter der Prinzessin Caroline von Hannover

 

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen eine Presseberichterstattung reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung andererseits unterschiedlich weit.

§§§

10.040 Hartplatzhelden.de
 
  1. BGH,     U, 28.10.10,     – I_ZR_60/09 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com

  3. UWG_§_3, UWG_§_4 Nr.9

  4. Revision-erfolgreiche

 

1) Die unmittelbare Übernahme des Leistungsergebnisses eines Dritten ist keine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr.9 UWG.

 

2) Ein Fußballverband, der in seinem Verbandsgebiet zusammen mit den ihm angehörenden Vereinen Amateurfußballspiele (hier: Verbandsligaspiele) durchführt, wird nicht dadurch in unlauterer Weise in einem etwa unmittelbar aus § 3 UWG abzuleitenden ausschließlichen Verwertungsrecht verletzt, dass Filmausschnitte, die einzelne Szenen des Spielgeschehens wiedergeben, auf einem Internetportal veröffentlicht werden.

§§§

10.041 Ermittlungsmaßnahme
 
  1. BGH,     U, 04.11.10,     – 4_StR_404/10 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_11,467 -68 = MMR_11,205 -06

  3. BVerfGG_§_31 Abs.1, BVerfGG_§_32 Abs.1; StPO_100g Abs.1; TKG_96; TKG_113a

 

Zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich angeordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Telekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt.

§§§

10.042 Lotterie und Kasinospiele
 
  1. BGH,     U, 18.11.10,     – I_ZR_168/07 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com

  3. UWG_§_4 Nr.11; StGB_§_284, StGB_§_287,

  4. Revision-erfolgreiche / unibet.co.uk

 

1) Vor dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 war es auch nicht wettbewerbswidrig, andere Wetten als Sportwetten (hier: Lotterien und Kasinospiele) ohne behördliche Erlaubnis anzubieten.

 

2) Während der Übergangszeit im Zeitraum nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und vor dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 war das private Angebot von Sportwetten und anderen Wetten (hier: Lotterien und Kasinospielen) ohne behördliche Erlaubnis nicht wettbewerbswidrig.

§§§

10.043 staedtler.eu
 
  1. BGH,     U, 18.11.10,     – I_ZR_155/09 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = GRUR_11,617 = MMR_11,459

  3. MarkenG_§_14 Abs.2 Nr.2 + Abs.5, 6 + 7, MarkenG_§_15 Abs.2, 4, 5 + 6; BGB_§_677, BGB_§_683 S.1, BGB_§_670,

  4. Revision-erfolglose

 

1) Eine markenmäßige Verwendung eines Domainnamens liegt regelmäßig vor, wenn auf der unter dem Domainnamen erreichbaren Internetseite ein elektronischer Verweis (Link) angebracht ist, der zu einem Produktangebot führt.

 

2) Bietet ein Diensteanbieter im Sinne des Teledienstegesetzes a.F. - Entsprechendes ist unter Geltung des Telemediengesetzes anzunehmen - seinen Kunden ein sogenanntes Domain-Parking-Programm an, in das der Kunde unter seinem Domainnamen eine Internetseite mit elektronischen Werbeverweisen (Werbelinks) einstellen kann, bei deren Aufruf aufgrund vorher bestimmter Schlüsselwörter Werbung von Drittunternehmen erscheint, haftet der Diensteanbieter weder als Täter noch als Teilnehmer von Kennzeichenverletzungen, wenn die Auswahl des Schlüsselworts ohne seine Mitwirkung oder Kenntnis erfolgt und dem Diensteanbieter die Kennzeichenverletzungen seines Kunden auch nicht bekannt sind.

 

3) Ist mit dem entsprechenden Programm des Diensteanbieters keine besondere Gefahr für die Verletzung von Kennzeichenrechten Dritter verbunden, trifft dessen Anbieter auch im Rahmen einer Störerhaftung keine allgemeine Pflicht, die in sein System von Kunden eingestellten Domainnamen auf Kennzeichenverletzungen zu prüfen.

 

4) Die Kunden des Diensteanbieters, die unter ihren Domainnamen Internetseiten mit Werbeverweisen in ein solches Programm des Diensteanbieters einstellen, sind nicht seine Beauftragten im Sinne von § 14 Abs.7, § 15 Abs.6 MarkenG.

§§§

10.044 Perlentaucher
 
  1. BGH,     U, 01.12.10,     – I_ZR_12/08 –

  2. www.BGH.de = IWW = NJW_11,761 = GRUR_11,134 = MMR_11,182

  3. UrhG_§_12 Abs.2, UrhG_§_23, UrhG_§_24 Abs.1; MarkenG_§_23

  4. Revision-erfolgreiche / Abstracts

 

1) Genießt ein Schriftwerk allein aufgrund seiner sprachlichen Gestaltung Urheberrechtschutz, so stellt eine Zusammenfassung des gedanklichen Inhalts in eigenen Worten grundsätzlich eine urheberrechtlich unbedenkliche freie Benutzung dieses Schriftwerks im Sinne des § 24 Abs.1 UrhG dar. Enthält eine solche Zusammenfassung auch Formulierungen, auf denen die schöpferische Eigenart des Schriftwerks beruht, kommt es für die Prüfung, ob eine abhängige Bearbeitung (§ 23 Satz 1 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 Abs.1 UrhG) vorliegt, darauf an, ob die Zusammenfassung trotz dieser Übereinstimmungen in der Gesamtschau einen so großen äußeren Abstand zum Schriftwerk einhält, dass sie als ein selbständiges Werk anzusehen ist.

 

2) Für die Beurteilung, ob eine abhängige Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 Abs.1 UrhG) vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das neue Werk dazu geeignet oder bestimmt ist, das ältere Werk zu ersetzen.

 

3) Die Bestimmung des § 12 Abs.2 UrhG regelt einen zusätzlichen Schutz des Urhebers vor der Veröffentlichung seines Werkes, nicht aber eine Beschränkung seiner Rechte nach der Veröffentlichung. Soweit eine Inhaltsangabe zugleich als Bearbeitung oder Umgestaltung des Werkes anzusehen ist, ist ihre Veröffentlichung oder Verwertung daher nach § 23 Satz 1 UrhG stets nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes zulässig.

 

4) Für die Beurteilung, ob die Benutzung eines Zeichens im Sinne des § 23 MarkenG gegen die guten Sitten verstößt, ist es nicht relevant, ob die Zeichenbenutzung im Zusammenhang mit einer Urheberrechtsverletzung steht.

§§§

10.045 Zweite Zahnarztmeinung
 
  1. BGH,     U, 01.12.10,     – I_ZR_196/08 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = GRUR_11,724 = MMR_11,676

  3. UrhG_§_87a Abs.1 S.1, UrhG_§_87b Abs.1 S.1 + 2,

  4. Revision-erfolgreiche

 

1) Geben Dritte über eine Eingabemaske Daten in eine Datenbank ein, sind die Kosten für die Software, mit der die Daten für Zwecke der Datenbank erfasst und dargestellt werden, eine Investition im Sinne des § 87a Abs.1 Satz 1 UrhG zur Beschaffung und Darstellung der Datenbankelemente und keine Kosten der Datenerzeugung. Entsprechendes gilt für die Kosten der Überprüfung der von Dritten eingegebenen Daten auf ihre Eignung für Zwecke der Datenbank.

 

2) Ein Anteil von zehn Prozent des Datenvolumens der gesamten Datenbank erfüllt nicht die Voraussetzungen, die an einen nach dem Umfang wesentlichen Teil der Datenbank im Sinne des § 87b Abs.1 Satz 1 UrhG zu stellen sind.

 

3) Für die Übernahme eines nach der Art wesentlichen Teils der Datenbank im Sinne von § 87b Abs.1 Satz 1 UrhG ist es nicht erforderlich, dass diejenigen Elemente übernommen werden, die die Struktur der Datenbank ausmachen.

 

4) Für den Eingriff in die Rechte des Datenbankherstellers nach § 87b Abs.1 Satz 2 UrhG reicht es aus, dass die Entnahmehandlungen darauf gerichtet sind und im Fall ihrer Fortsetzung dazu führen würden, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben.

§§§

10.046 Bildarchiv
 
  1. BGH,     U, 07.12.10,     – VI_ZR_30/09 –

  2. www.BGH.de = lexetius.com = BGHZ_187,354 -59 = CR_11,256 -57 = GRUR_11,266 -68 = MDR_11,176 -77 = MMR_11,244 -45 = NJW_11,755 -56 = VersR_11,358 -60

  3. KUG_§_22, KUG_§_23; GG_Art,5 Abs.1 S.1

  4. Revision-erfolgreiche

 

Der Betreiber eines Bildarchivs zur kommerziellen Nutzung durch Presseunternehmen muss vor der Weitergabe archivierter Fotos an die Presse grundsätzlich nicht die Zulässigkeit der beabsichtigten Presseberichterstattung nach Maßgabe der 22, 23 KunstUrhG prüfen.

§§§

10.047 Jette Joop
 
  1. BGH,     U, 07.12.10,     – KZR_71/08 –

  2. www.BGH.de = IWW = NJW-RR_11,835 = GRUR_11,641

  3. GWB_§_1 (aF); AEUV_Art.101 Abs.1

  4. Revision-erfolgreiche

 

1) Die kartellrechtliche Zulässigkeit einer Abgrenzungsvereinbarung, die keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, beurteilt sich für die Dauer ihrer Geltung allein nach der markenrechtlichen Rechtslage bei ihrem Abschluss.

 

2) Bei der Bestimmung der Grenzen markenrechtlicher Abgrenzungsvereinbarungen gilt kein Verbot geltungserhaltender Reduktion.

§§§

10.048 Spiel mit
 
  1. BGH,     U, 16.12.10,     – I_ZR_149/08 –

  2. www.BGH.de = JURION = GRUR_11,440 -44 = MDR_11,500 -01 = MMR_11,535 -37 = NVwZ_11,639

  3. UWG_§_4 Nr.11; GlüStV_§_5

  4. Revision-teilweise erfolgreich

 

1) Nach § 5 Abs.1 und 2 GlüStV ist es staatlichen Lottogesellschaften nicht allgemein verboten, mögliche Höchstgewinne von über 10 Millionen (hier: Jackpotausspielung) anzukündigen, sofern die Ankündigung in ihrer konkre-ten Gestaltung eine sachliche Information darstellt.

 

2) Ein Kundenmagazin einer Lottogesellschaft, dessen Titel imperativ zur Spielteilnahme auffordert (hier: Spiel mit), stellt eine nach § 5 Abs.1 GlüStV unzulässige Werbung dar.

§§§

10.049 Grundstücksbeeinträchtigungen
 
  1. BGH,     U, 17.12.10,     – V_ZR_44/10 –

  2. www.BGH.de = JURION = NJW_11,753 -55 = K&R_11,191 -93 = MDR_11,360 = MMR_11,480 -81 = CR_11,325 -27 = GRUR_11,321 -23 = BauR_11,1217

  3. BGB_§_903, BGB_§_1004 Abs.1; TMG_§_7 Abs.2

  4. Revision-zurückgewiesen / öffentlich-rechtliche Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg,

 

Der Betreiber einer Internetplattform ist als Störer für eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums durch ungenehmigte Verwertung von Fotos des Grundstücks auf seiner Plattform nur bei einer für ihn erkennbaren Eigentumsverletzung verantwortlich.

§§§

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