2000 | ||
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1999 2001 | [ ] |
00.001 | Nachlasspfleger |
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1) In Verfahren vor dem Rechtspfleger bestimmt sich die Pflicht zur Anhörung der in ihren Rechten Betroffenen nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens und nicht nach Art.103 Abs.1 GG. | |
2) Die §§ 62 und 55 FGG sind mit Art.19 Abs.4 GG unvereinbar, soweit sie den in ihren Rechten Betroffenen jede Möglichkeit verwehren, Entscheidungen des Rechtspflegers der Prüfung durch den Richter zu unterziehen. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.002 | Eigenbedarfkündigung |
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LB 1) Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Eigenbedarfskündigung, weil die Mutter des Beschwerdeführers auf grund eines Unfalls pflegebedürftig geworden ist. | |
LB 2) Es ist in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Vorschrift des § 564b Abs.3 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist und dass der Vermieter bei einer ordentlichen Kündigung zu einer konkreten Darlegung der Kündigungsgründe verpflichtet ist (vgl BVerfGE_85,219 <223 ff>). | |
LB 3) Das Landgericht hat dadurch das Recht des Beschwerdeführers auf Eigenbedarfskündigung in unzumutbarer Weise erschwert, dass es bei der Auslegung des § 564b Abs.3 BGB den Kenntnis- und Wissensstand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Kündigung nicht berücksichtigt und eine nachträgliche Präzisierung des Kündigungsgrundes als unzulässig angesehen hat. | |
LB 4) Ändert sich der zugrunde liegende Lebenssachverhalt nachträglich geringfügig oder stellt sich eine Tatsachenprognose später in einem für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlichen Punkt als unzutreffend heraus, dann führt es zu einer unzumutbaren Erschwerung der Rechtsverfolgung, wenn dem Vermieter allein deswegen die Berufung auf den Kündigungsgrund versagt wird. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-00-01 | Nachträgliche Änderungen |
"Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art.14 Abs.1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs.1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. | |
1. Es ist in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Vorschrift des § 564b Abs.3 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist und dass der Vermieter bei einer ordentlichen Kündigung zu einer konkreten Darlegung der Kündigungsgründe verpflichtet ist (vgl BVerfGE_85,219 <223 ff>). Die Zivilgerichte haben allerdings bei der Auslegung des § 564b Abs.3 BGB den Einfluss des Grundrechts aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG und des damit eng verzahnten Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu beachten. Dieser verbietet es, die Ausübung der eigentumsrechtlich geschützten Rechte durch eine übermäßige Verstärkung der formalen Anforderungen und eine restriktive Auslegung und Handhabung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen in unzumutbarer Weise zu erschweren (vgl BVerfGE_79,80 <84 f>; BVerfGE_85,219 <226>). | |
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt die angegriffene Entscheidung gegen Art.14 Abs.1 GG. Denn das Landgericht hat dadurch das Recht des Beschwerdeführers auf Eigenbedarfskündigung in unzumutbarer Weise erschwert, dass es bei der Auslegung des § 564b Abs.3 BGB den Kenntnis- und Wissensstand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Kündigung nicht berücksichtigt und eine nachträgliche Präzisierung des Kündigungsgrundes als unzulässig angesehen hat. | |
a) Das Landgericht konnte zwar in vertretbarer Weise davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer im Kündigungsschreiben vom April 1997 den Eigenbedarf auf das Erfordernis der Pflege "Tag und Nacht" gestützt hatte. Diese Formulierung war im Wortlaut der Kündigungserklärung enthalten. Ob es nach dem erkennbaren Willen des Beschwerdeführers und den gesamten Umständen näher gelegen hätte, in diesen Worten keine Beschränkung der Kündigung auf den Fall der Tages- und Nachtpflege zu sehen, obliegt nicht der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung. Denn die Auslegung des Kündigungsschreibens im Rahmen des § 564b Abs.3 BGB ist eine Frage der Feststellung des Sachverhalts und damit grundsätzlich Aufgabe der dafür allgemein zuständigen Gerichte (vgl BVerfGE_18,85 <92 f>). | |
b) Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes ist allerdings überschritten, wenn an die Begründung der Eigenbedarfskündigung Anforderungen gestellt werden, die zu einer unzumutbaren Erschwerung der Rechtsverfolgung führen. Zweck der in § 564b Abs.3 BGB geforderten Darlegung des Kündigungsgrundes ist es unter anderem, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen, damit er in die Lage versetzt wird, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrnehmung seiner Interessen zu veranlassen (vgl BTDrucks VI/1549 S.6 f). Für dieses Rechtsschutzinteresse des Mieters genügt es, wenn der Vermieter dem Mieter den für die Kündigung wesentlichen Lebenssachverhalt offen legt (vgl BayObLG, WuM 1981, S.202 f). | |
Von dem Vermieter kann allerdings nur verlangt werden, dass er den Lebenssachverhalt so wiedergibt, wie er sich nach sorgfältiger Prüfung zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung darstellt. Ändert sich der zugrunde liegende Lebenssachverhalt nachträglich geringfügig oder stellt sich eine Tatsachenprognose später in einem für die rechtliche Beurteilung nicht wesentlichen Punkt als unzutreffend heraus, dann führt es zu einer unzumutbaren Erschwerung der Rechtsverfolgung, wenn dem Vermieter allein deswegen die Berufung auf den Kündigungsgrund versagt wird. Denn auf solche nachträglichen Änderungen des Sach- und Erkenntnisstandes hat der Vermieter keinen Einfluss. Umgekehrt besteht der Zweck des § 564b Abs.3 BGB auch nicht darin, den Mieter allein deswegen vor einer berechtigten Eigenbedarfskündigung zu bewahren, weil sich die Sachlage in einem für die rechtliche Beurteilung des Eigenbedarfswunsches nicht durchgreifenden Punkt nachträglich anders darstellt. | |
Demzufolge kann es auch dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nach dem Unfall seiner Mutter vom 18.März 1997 aufgrund der damals eingeholten ärztlichen Stellungnahmen davon ausgehen durfte, seine Mutter werde künftig einer Betreuung bei Tag und Nacht bedürfen. Ist dies der Fall, dann kann ihm die Berufung auf den pflegebedingten Eigenbedarf nicht allein deswegen versagt werden, weil sich die Betreuungsbedürftigkeit der Mutter nachträglich im Wesentlichen auf die Tagespflege beschränkt. Vielmehr wird ihm die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, auch für diesen Fall den Eigenbedarfswunsch aufrechtzuerhalten. Da auch insofern ein nachvollziehbarer Eigenbedarf bestehen kann, beruht die landgerichtliche Entscheidung auf dem Verfassungsverstoß. Sie ist daher aufzuheben." | |
Auszug aus BVerfG B, 09.02.00, - 1_BvR_889/99 -, www.BVerfG.de, Abs.7 ff | |
§§§ | |
00.003 | Altlasten |
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Zu den aus Art.14 Abs.1 GG folgenden Grenzen der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung bei Altlasten. | |
LB 2) Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist. | |
LB 3) Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht geboten, den Eigentümer in den Fällen, in denen er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat, als Nichtstörer im Sinne der sicherheitsrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren, dem in jedem Fall eine Entschädigung wegen eingriffsbedingter Nachteile zu gewähren wäre. | |
LB 4) Der Zustandsverantwortliche muss auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen als stets nachrangig Haftender angesehen werden, dessen Inanspruchnahme nur dann ermessensfehlerfrei wäre, wenn Verursacher der Gefahr nicht (mehr) vorhanden oder zur Gefahrenbeseitigung außer Stande sind. | |
LB 5) Die mit der Zustandshaftung verbundene Belastung ist nicht gerechtfertigt, soweit sie dem Eigentümer nicht zumutbar ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Belastung des zustandsverantwortlichen Eigentümers zu berücksichtigen und mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen. | |
LB 6) Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks. Er kann darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum kann damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlieren. | |
LB 7) Mehr als einen Anhaltspunkt stellt der Verkehrswert allerdings unter anderem deshalb nicht dar, weil das individuelle Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert möglicherweise überschreitet. | |
LB 8) Eine diese Grenzen überschreitende Belastung kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die von dem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt. | |
LB 9) Die Belastung des Zustandsverantwortlichen mit Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswertes kann ferner in Fällen unzumutbar sein, in denen das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund (vgl BVerfGE_83,201 <208>; stRspr). | |
LB 10) Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigt, kann allerdings zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. | |
LB 11) Die Zumutbarkeit der mit der Zustandsverantwortung zu tragenden Kostenlasten kann nicht generell an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers gemessen werden. | |
LB 12) Solange der Gesetzgeber, dem es nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG obliegt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht ausdrücklich regelt, haben die Behörden und Gerichte durch Auslegung und Anwendung der die Verantwortlichkeit und die Kostenpflicht begründenden Vorschriften sicherzustellen, dass die Belastung des Eigentümers das Maß des nach Art.14 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 GG Zulässigen nicht überschreitet. | |
LB 13) Ordnet die Verwaltung Sanierungsmaßnahmen an, so ist damit nach der einfachgesetzlichen Regelung die volle Tragung der Kosten durch den Pflichtigen verbunden. Ist die Kostenbelastung aber wegen fehlender Zumutbarkeit von Verfassungs wegen begrenzt, muss die Verwaltung auch über die Begrenzung der Kostenbelastung des Zustandsverantwortlichen entscheiden (vgl BVerfGE_100,226 <246>). | |
LB 14) Ein Eigentümer, der eine ihn in seinem Grundrecht aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG beeinträchtigende behördliche Sanierungsanordnung wegen der damit verbundenen Kostenbelastung für unverhältnismäßig hält, muss sie im Verwaltungsrechtsweg anfechten. Lässt er diesen Verwaltungsakt bestandskräftig werden, so kann er eine Begrenzung seiner Kostenbelastung oder eine (Teil-)Erstattung aufgewandter Sanierungskosten nicht mehr geltend machen. | |
LB 15) Sind der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit im Zeitpunkt der Sanierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt, so dass über die Kostentragung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden werden kann, ist die Sanierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden. | |
LB 16) Auch die Verwaltungsgerichte müssen wissen, ob und wieweit der Eigentümer mit Sanierungskosten belastet wird, um die Rechtmäßigkeit eines in Eigentumspositionen eingreifenden Verwaltungsakts abschließend beurteilen zu können (vgl BVerfGE_100,226 <246>). | |
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T-00-02 | Zustandshaftung |
"2.Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers in den angegriffenen Entscheidungen genügen indes nicht den Anforderungen der grundrechtlichen Eigentumsgarantie. | |
a) Die Gerichte haben - ebenso wie schon die Verwaltungsbehörden - bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie nach Art.14 Abs.1 und Abs.2 GG zu beachten. Sie müssen bei ihren Entscheidungen der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums sowie seiner Sozialpflichtigkeit gleichermaßen Rechnung tragen und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. | |
b) Daran gemessen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die sicherheitsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks allein wegen dieser Rechtsstellung verpflichtet werden kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat. | |
Die Gemeinwohlziele, denen das Eigentum nach Art.14 Abs.2 GG verpflichtet ist, finden bei von einem Grundstück ausgehenden Gefahren für Leben und Gesundheit oder das Grundwasser überdies eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in der staatlichen Schutzpflicht nach Art.2 Abs.2 Satz 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art.20a GG. Beide Verfassungsbestimmungen betreffen hochrangige Gemeinwohlbelange, die den Auftrag aus Art.14 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 GG verstärken und das grundrechtlich geschützte Interesse des Eigentümers, in der privatnützigen Verwendung seines Grundstücks nicht beschränkt zu werden, überwiegen. | |
Die Zustandsverantwortlichkeit findet ihren Grund in der mit dem Eigentum verbundenen Sachherrschaft sowie in der Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist. | |
In einer Reihe von Fällen liegt die Sanierung von Altlasten überdies nicht allein im öffentlichen Interesse, sondern zugleich im privaten Interesse des Eigentümers, so dass die Sanierungspflichten weniger schwer wiegen. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers die Nutzung des Grundstücks beeinträchtigen oder gänzlich unmöglich machen und nur durch die Gefahrenbeseitigung die Nutzbarkeit des Grundstücks wiederherzustellen ist. Außerdem werden durch die Sanierung regelmäßig der Verkehrswert des Grundstücks und sein individueller Nutzungswert erheblich gesteigert. | |
Es ist daher von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Verwaltungsgerichte davon ausgehen, dass es für die Erfüllung der Voraussetzungen der Zustandsverantwortlichkeit unerheblich ist, auf welche Umstände der Gefahrenzustand zurückzuführen ist und ob der Eigentümer der Sache die Gefahr verursacht oder gar verschuldet hat. Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht geboten, den Eigentümer in den Fällen, in denen er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat, als Nichtstörer im Sinne der sicherheitsrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren, dem in jedem Fall eine Entschädigung wegen eingriffsbedingter Nachteile zu gewähren wäre. Der Zustandsverantwortliche muss auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen als stets nachrangig Haftender angesehen werden, dessen Inanspruchnahme nur dann ermessensfehlerfrei wäre, wenn Verursacher der Gefahr nicht (mehr) vorhanden oder zur Gefahrenbeseitigung außer Stande sind. | |
c) Auch wenn die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers als solche mit der Verfassung in Einklang steht, so kann sie aber im Ausmaß dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, begrenzt sein. Besondere Bedeutung hat hierbei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nur erforderliche und im Hinblick auf den Zweck angemessene und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt. Das ist auch bei der Belastung des Eigentümers mit den Kosten einer Sanierungsmaßnahme zu beachten. Eine solche Belastung ist nicht gerechtfertigt, soweit sie dem Eigentümer nicht zumutbar ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Belastung des zustandsverantwortlichen Eigentümers zu berücksichtigen und mit den betroffenen Gemeinwohlbelangen abzuwägen. Vor allem folgende Gesichtspunkte sind hierbei maßgeblich: | |
aa) Die sicherheitsrechtliche Pflicht zur Gefahrenabwehr auf eigene Kosten entzieht dem Eigentümer das Grundstück nicht als Gegenstand künftiger Nutzung. Rechtlich bleiben die Substanz wie die Verfügungs- und Nutzungsbefugnisse unberührt. Die Belastung des Eigentümers mit den Kosten führt aber dazu, dass er Verluste aus dem Grundstück erleidet und in der Verwendung von Eigentum zu eigenem Nutzen beeinträchtigt wird. Im Regelfall hat er dies als Folge der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen, um eine effektive Beseitigung der von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren zu ermöglichen. | |
bb) Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Belastungen zugemutet werden darf, kann als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert nach Durchführung der Sanierung dienen, spiegeln sich in dem Verkehrswert doch nicht nur die Erträge seiner eigenen Nutzung, sondern auch Vorteile, die ohne eigene Mitwirkung und Leistung entstehen. Das sind vor allem planungs- und marktbedingte Steigerungen des Grundstückswerts. Wird der Verkehrswert von den Kosten überschritten, entfällt in der Regel das Interesse des Eigentümers an einem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks. Er kann darüber hinaus nicht einmal damit rechnen, die entstehenden Kosten durch Veräußerung des Grundstücks gedeckt zu erhalten. Das Eigentum kann damit für ihn gänzlich seinen Wert und Inhalt verlieren. Mehr als einen Anhaltspunkt stellt der Verkehrswert allerdings unter anderem deshalb nicht dar, weil das individuelle Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert möglicherweise überschreitet. | |
cc) Eine diese Grenzen überschreitende Belastung kann insbesondere dann unzumutbar sein, wenn die Gefahr, die von dem Grundstück ausgeht, aus Naturereignissen, aus der Allgemeinheit zuzurechnenden Ursachen oder von nicht nutzungsberechtigten Dritten herrührt. In diesen Fällen darf die Sanierungsverantwortlichkeit nicht unbegrenzt dem alle Sicherungspflichten einhaltenden Eigentümer zur Last fallen. Anderenfalls würden ihm im Übermaß Risiken aufgebürdet, die auf Umständen beruhen, die losgelöst von der Sachherrschaft über das Grundstück sind und jenseits seiner Verantwortungssphäre liegen. Ob in diesen Fällen weitergehende Grenzen der Belastung aus anderen Gründen, etwa aus dem Sozialstaatsgebot, zu beachten sind, bedarf hier keiner Entscheidung. | |
dd) Die Belastung des Zustandsverantwortlichen mit Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswertes kann ferner in Fällen unzumutbar sein, in denen das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund (vgl BVerfGE_83,201 <208>; stRspr). Hier ist die Grenze der zumutbaren Belastung gewahrt, wenn die Kosten die Vorteile aus der weiteren Nutzung des Grundstücks nach Sanierung nicht übersteigen. Demgegenüber kann die Grenze überschritten sein, wenn etwa der Eigentümer eines Eigenheims unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage das Grundstück nicht mehr halten kann. | |
ee) Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteigt, kann allerdings zumutbar sein, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Eigentümer das Grundstück in Kenntnis von Altlasten, die von früheren Eigentümern oder Nutzungsberechtigten verursacht worden sind, erworben hat oder wenn er zulässt, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt wird, zum Beispiel zum Betrieb einer Deponie oder zur Auskiesung mit anschließender Verfüllung. Auch derartige Umstände sind bei der erforderlichen Abwägung schutzwürdiger Eigentümerinteressen mit den Belangen der Allgemeinheit beachtlich. Wer ein solches Risiko bewusst eingeht, kann seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das freiwillig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers. | |
Auch dann, wenn und soweit Risikoumstände beim Erwerb eines Grundstücks oder bei der Nutzungsgewährung an Dritte zwar erkennbar waren oder im Verlauf der Nutzung hätten erkannt werden können, der Eigentümer aber in fahrlässiger Weise die Augen davor geschlossen hat, kann dies dazu führen, dass eine Kostenbelastung über die Höhe des Verkehrswerts hinaus zumutbar ist. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit kann der Grad der Fahrlässigkeit erheblich sein. Die Zumutbarkeit kann ferner davon beeinflusst werden, ob der Eigentümer Vorteile aus dem Risiko - etwa durch einen reduzierten Kaufpreis oder einen erhöhten Pachtzins - erzielt hat. | |
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt dies nicht hinreichend (vgl BVerwG, NVwZ_91,475). Die uneingeschränkte und unbedingte Gleichsetzung des Handelns in "vorwerfbarer" Unkenntnis des Risikos mit dem Handeln in positiver Kenntnist rägt dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines in jeder Hinsicht gerechten und verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und den Belangen des Gemeinwohls nicht in vollem Umfang Rechnung. Eine unterschiedslose Gleichsetzung beider Verhaltensweisen verbietet sich insbesondere deshalb, weil die Schutzwürdigkeit der vom Eigentümer erworbenen oder überlassenen Position in unterschiedlichem Ausmaß gemindert sein kann. | |
ff) In Fällen, in denen eine Kostenbelastung über den Verkehrswert hinaus an sich zumutbar ist, kann sie nicht auf die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers bezogen werden. Dem Eigentümer ist nicht zumutbar, unbegrenzt für die Sanierung einzustehen, das heißt auch mit Vermögen, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück steht. Dagegen kann es zumutbar sein, Vermögen zur Sanierung einzusetzen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine funktionale Einheit darstellt, etwa wenn dieses Bestandteil eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes oder sonstigen Unternehmens ist. Dies gilt insbesondere für Grundvermögen, das zusammen mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück eine solche Einheit bildet. Aber auch der Zugriff auf dieses sonstige Vermögen darf nur unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Wird auf Grund der mit der Sanierung verbundenen Kostenbelastung die Fortführung des Unternehmens oder Betriebs gefährdet, ist bei der Abwägung das in Art.14 Abs.3 GG zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes zu beachten, weil sich die Belastung für den Betroffenen faktisch wie eine Enteignung ohne angemessene Entschädigung auswirkt. Die völlige oder ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen (vgl BVerfGE_83,201 <212 f>). | |
Die Zumutbarkeit der mit der Zustandsverantwortung zu tragenden Kostenlasten kann demnach nicht generell an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers gemessen werden. Die Eigentumsgarantie bezweckt den Schutz des konkreten Bestands des Eigentums in der Hand des Eigentümers. Eine unverhältnismäßige Beschränkung der Privatnützigkeit einer durch Art.14 Abs.1 GG geschützten vermögenswerten Position wird nicht dadurch verhältnismäßig, dass der Eigentümer sie auf Grund seines sonstigen Vermögens ausgleichen und ertragen kann. | |
d) Solange der Gesetzgeber, dem es nach Art.14 Abs.1 Satz 2 GG obliegt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, die Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nicht ausdrücklich regelt, haben die Behörden und Gerichte durch Auslegung und Anwendung der die Verantwortlichkeit und die Kostenpflicht begründenden Vorschriften sicherzustellen, dass die Belastung des Eigentümers das Maß des nach Art.14 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 GG Zulässigen nicht überschreitet. Sie haben insbesondere anhand der vorstehend genannten Kriterien eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Begrenzung der finanziellen Belastung des Grundeigentümers im Rahmen einer ausschließlich auf sein Zustandsverantwortlichkeit gestützten Altlastensanierung zu gewährleisten. | |
Ordnet die Verwaltung Sanierungsmaßnahmen an, so ist damit nach der einfachgesetzlichen Regelung die volle Tragung der Kosten durch den Pflichtigen verbunden. Ist die Kostenbelastung aber wegen fehlender Zumutbarkeit von Verfassungs wegen begrenzt, muss die Verwaltung auch über die Begrenzung der Kostenbelastung des Zustandsverantwortlichen entscheiden (vgl BVerfGE_100,226 <246>). Ein Eigentümer, der eine ihn in seinem Grundrecht aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG beeinträchtigende behördliche Sanierungsanordnung wegen der damit verbundenen Kostenbelastung für unverhältnismäßig hält, muss sie im Verwaltungsrechtsweg anfechten. Lässt er diesen Verwaltungsakt bestandskräftig werden, so kann er eine Begrenzung seiner Kostenbelastung oder eine (Teil-)Erstattung aufgewandter Sanierungskosten nicht mehr geltend machen. Der Eigentümer muss also entscheiden, ob er die seine Zustandsverantwortlichkeit aktualisierende Sanierungsanordnung hinnehmen oder anfechten will. Diese Entscheidung kann er sinnvoll nur treffen, wenn er weiß, ob er unbegrenzt mit den Kosten belastet wird oder mit welcher Kostenbelastung er höchstens zu rechnen hat. Sind der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit im Zeitpunkt der Sanierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt, so dass über die Kostentragung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden werden kann, ist die Sanierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden. | |
Auch die Verwaltungsgerichte müssen wissen, ob und wieweit der Eigentümer mit Sanierungskosten belastet wird, um die Rechtmäßigkeit eines in Eigentumspositionen eingreifenden Verwaltungsakts abschließend beurteilen zu können (vgl BVerfGE_100,226 <246>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 16.02.00, - 1_BvR_242/91 -, www.BVerfG.de, Abs.47 | |
§§§ | |
00.004 | Frischzellen |
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1) Der Bund ist nach Art.74 Abs.1 Nr.19 GG nicht befugt, die Herstellung solcher Arzneimittel zu regeln, die der Arzt zur Anwendung bei eigenen Patienten herstellt. | |
2) Das Herstellungsverbot in § 1 Abs.1 der Frischzellen-Verordnung ist nichtig. | |
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Urteil | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.005 | Kündigungsschutzklage |
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LB 1) Die Kündigungsschutzklage wurde von ihrem in Dresden ansässigen Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Frist nach § 4 KSchG per Telefax an das Arbeitsgericht Cottbus gesandt. Dort ging sie allerdings nicht vollständig ein; die Seite, auf der sich die Unterschrift des Bevollmächtigten befand, wurde nicht übermittelt. Das vollständige Original der Klageschrift erreichte das Arbeitsgericht erst nach Fristablauf. Die Beschwerdeführerin beantragte daraufhin fristgerecht die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage (§ 5 KSchG). | |
LB 2) Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl BVerfGE_41,23 <25 f>; BVerfGE_69,381 <385>. | |
LB 3) Wird die Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax durch ein Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. | |
LB 5) Die für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entwickelten Grundsätze sind auf das Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG zu übertragen. | |
LB 6) Es ist nicht nachvollziehbar, warum es nicht genügen soll, um 14.00 Uhr eines Tages mit der Ermittlung einer Faxnummer zu beginnen, wenn die Möglichkeit besteht, bis 24.00 Uhr das entsprechende Fax zu übersenden. | |
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T-00-03 | Nachträgliche Zulassung |
"Die Kammer nimmt gemäß § 93b BVerfGG die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.2 Abs.1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot) angezeigt ist (§ 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist stattzugeben. Die Voraussetzungen des § 93c Abs.1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. | |
1. a) Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl BVerfGE_41,23 <25 f>; BVerfGE_69,381 <385>; Beschlüsse der 2.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27.September 1995, 1 BvR 414/95, und vom 1.August 1996, 1_BvR_121/95, AP Nr.45 und 47 zu § 233 ZPO 1977). Die Gerichte dürfen daher bei der Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen. | |
b) Die Übermittlung von fristwahrenden Schriftsätzen per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Wird dieser Übermittlungsweg durch ein Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumnis in der Sphäre des Gerichts. Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übermittlungsmedium immanent, da ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Erst Leitungen und Gerät gemeinsam stellen die vom Gericht eröffnete Zugangsmöglichkeit dar. Auch bei einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. | |
Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern per Fax zu übermitteln, kann daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt (Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats vom 1.August 1996, 1 BvR 121/95, aaO). | |
c) Diese für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entwickelten Grundsätze sind auf das Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG zu übertragen. Die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG wird von der Rechtsprechung als prozessuale Klageerhebungsfrist angesehen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6.August 1987, 2 AZR 553/86, Juris). Ebenso wie bei den in § 233 ZPO genannten Fristen geht es damit um die Einhaltung einer dem Gericht gegenüber einzuhaltenden Frist, bei deren Versäumung Rechtsnachteile entstehen. Die möglichen Probleme, die bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze entstehen können, sind völlig gleich gelagert. | |
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Sie überspannen die vom Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zu erfüllenden Sorgfaltspflichten und wälzen Risiken bei der Benutzung eines Faxgerätes, die allein in der Sphäre des Gerichts liegen, auf den rechtsuchenden Bürger ab. | |
Die Gerichte sind in den angegriffenen Entscheidungen von einem zurechenbaren Verschulden des Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin ausgegangen, da er nicht auf eine vollständige Übermittlung der Klageschrift hätte vertrauen dürfen und deshalb verpflichtet gewesen wäre, einen anderen Übermittlungsweg zu wählen. Diese Erwägungen sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar. | |
a) Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den Anforderungen an die rechtzeitige Ermittlung der Telefaxnummer können einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage schon deshalb nicht entgegenstehen, weil unstreitig die zutreffende Faxnummer verwendet wurde. Im Übrigen erscheinen auch diese Anforderungen deutlich überzogen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es nicht genügen soll, um 14.00 Uhr eines Tages mit der Ermittlung einer Faxnummer zu beginnen, wenn die Möglichkeit besteht, bis 24.00 Uhr das entsprechende Fax zu übersenden. | |
b) Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte davon ausgehen, dass bei einem nur teilweisen Erfolg eines Faxvorgangs der Absender im Regelfall nicht davon ausgehen kann, dass jedenfalls die entscheidenden Seiten übermittelt worden seien. Vorliegend ist es aber bei einem einmaligen Faxvorgang nicht geblieben, sondern der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat dargelegt, dass über mehrere Stunden verteilt des Öfteren versucht worden sei, den Schriftsatz zu übermitteln und das Arbeitsgericht telefonisch zu erreichen. | |
Trotzdem haben sich die Gerichte nicht mit der nahe liegenden Möglichkeit auseinander gesetzt, dass die Übermittlung wegen Leitungsstörungen oder wegen eines Fehlers am Gerät des Arbeitsgerichts gescheitert ist. Hierzu hätte aber auf Grund der Ausführungen im Antrag auf nachträgliche Klagezulassung und der beigefügten Sendeberichte Anlass bestanden. Der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat jedenfalls alles ihm Zumutbare getan, um den einmal gewählten Übermittlungsweg erfolgreich abzuschließen. Eine andere als die gewählte zulässige Übermittlungsart darf daher in einer solchen Situation von ihm nicht verlangt werden." | |
Auszug aus BVerfG B, 25.02.00, - 1_BvR_1363/99 -, www.BVerfG.de, Abs.15 ff | |
§§§ | |
00.006 | Ausgeschiedener Richter |
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LB 1) Der Beschwerdeführer, der nach 25 Dienstjahren auf eigenen Antrag vorzeitig aus dem Richterverhältnis entlassen wurde, wendet sich gegen die Versagung einer zusätzlichen, über die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehenden Altersversorgung. | |
LB 2) Die gesetzliche Versagung einer zusätzlichen Altersversorgung für antragsgemäß vorzeitig aus dem Dienst geschiedene Richter auf Lebenszeit durch § 8 HmbRiG iVm § 39 HmbBG und den §§ 2 HmbRGG, 34 BBG ist mit Art.33 Abs.5 GG vereinbar. | |
LB 3) Wird das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis durch den Beamten oder Richter aufgekündigt, so entfällt regelmäßig die Notwendigkeit der darauf bezogenen Alimentation und Fürsorge. | |
LB 4) im Falle des freiwilligen Ausscheidens eines Beamten oder Richters aus dem Dienst bei dem verfassungsrechtlich aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleiteten Anspruch auf Gewährung einer Mindest-Altersversorgung durch den bisherigen Dienstherrn gemäß der tatsächlichen Beschäftigungsdauer. Diesen Anspruch hat der Gesetzgeber mit der Anordnung der Nachversicherung für ausgeschiedene Beamte in § 8 SGB VI erfüllt. | |
LB 5) Die Frage, ob eine zusätzliche Altersversorgung für auf ihren Antrag hin entlassene Beamte sinnvoll wäre, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Eine gesetzliche Differenzierung verstößt jedenfalls in dem Sach- und Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts nicht schon dann gegen Art.3 Abs.1 GG, wenn der Gesetzgeber unter mehreren gerechten Lösungen im konkreten Falle nicht die "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt (BVerfGE_4,144 <155>; BVerfGE_76,256 <330>; BVerfGE_81,108 <117>; BVerfGE_84,348 <359>). | |
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T-00-04 | Zusatzversorgung |
"Der Beschwerdeführer, der nach 25 Dienstjahren auf eigenen Antrag vorzeitig aus dem Richterverhältnis entlassen wurde, wendet sich gegen die Versagung einer zusätzlichen, über die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinausgehenden Altersversorgung. | |
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG (vgl BVerfGE_90,22 <25 f>; BVerfGE_96,245 <248>) liegen nicht vor, weil der Verfassungsbeschwerde weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt noch ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs.1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist. | |
1. Die gesetzliche Versagung einer zusätzlichen Altersversorgung für antragsgemäß vorzeitig aus dem Dienst geschiedene Richter auf Lebenszeit durch § 8 HmbRiG iVm § 39 HmbBG und den §§ 2 HmbRGG, 34 BBG ist mit Art.33 Abs.5 GG vereinbar. | |
Das Beamtenverhältnis ebenso wie das Richterdienstverhältnis orientiert sich grundsätzlich am Lebenszeitprinzip (vgl. BVerfGE_44,249 <262>; BVerfGE_56,146 <162>). Der Beamte ist seinem Dienstherrn, im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, in anderer, besonderer Weise umfassend verpflichtet (vgl BVerfGE_52,303 <346>). Grundlage des Anspruchs auf Ruhegehalt und der entsprechenden Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn (vgl zuletzt: BVerfGE_99,300 <314>) ist die mit der Berufung in das öffentliche Dienstverhältnis verbundene Pflicht des Beamten und Richters, seine ganze Persönlichkeit für den Dienstherrn einzusetzen und diesem - grundsätzlich auf Lebenszeit - seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (vgl BVerfGE_21,329 <345>; BVerfGE_71,255 <268>). Wird das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis durch den Beamten oder Richter aufgekündigt, so entfällt regelmäßig die Notwendigkeit der darauf bezogenen Alimentation und Fürsorge. Diese Folgerung hat bereits das preußische Beamtenrecht gezogen (vgl A Brand, Das Beamtenrecht - Die Rechtsverhältnisse der preußischen Staats- und Kommunalbeamten, 3.Aufl, 1928, S.78 ff). Sie hat heute ihren Niederschlag in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder gefunden (vgl zB § 34 BBG, § 39 HmbBG, Art.45 BayBG). Es bleibt im Falle des freiwilligen Ausscheidens eines Beamten oder Richters aus dem Dienst bei dem verfassungsrechtlich aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleiteten Anspruch auf Gewährung einer Mindest-Altersversorgung durch den bisherigen Dienstherrn gemäß der tatsächlichen Beschäftigungsdauer. Diesen Anspruch hat der Gesetzgeber mit der Anordnung der Nachversicherung für ausgeschiedene Beamte in § 8 SGB VI erfüllt. | |
2. Darüber hinaus kann auch keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art.3 Abs.1 GG zwischen vorzeitig aus dem Dienst geschiedenen Beamten oder Richtern einerseits und Angestellten des öffentlichen Dienstes andererseits festgestellt werden. Angestellte des öffentlichen Dienstes erhalten zwar - anders als Beamte oder Richter - bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienst eine beschäftigungsdauerabhängige Zusatzversorgung. Die ungleiche Behandlung indes ist gerechtfertigt, weil sich das gesetzlich geregelte Beamten- und Richterverhältnis von dem durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Angestelltenverhältnis grundlegend unterscheidet (vgl BVerfGE_52,303 <345> ). Anders als der Beamte oder Richter kann der Angestellte grundsätzlich jederzeit entlassen werden. Er hat keinen Anspruch auf lebenslange Alimentation (BVerfGE_97,35 <45>; BVerfGE_98,365 <391>). Die Frage, ob eine zusätzliche Altersversorgung für auf ihren Antrag hin entlassene Beamte sinnvoll wäre, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Eine gesetzliche Differenzierung verstößt jedenfalls in dem Sach- und Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts nicht schon dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Gesetzgeber unter mehreren gerechten Lösungen im konkreten Falle nicht die "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt (BVerfGE_4,144 <155>; BVerfGE_76,256 <330>; BVerfGE_81,108 <117>; BVerfGE_84,348 <359>). Weiter gehende Rügen in diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer nicht erhoben." | |
Auszug aus BVerfG B, 02.03.00, - 2_BvR_1508/99 -, www.BVerfG.de, Abs.1 ff | |
§§§ | |
00.007 | Stadtwappen |
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LB 1) Die Beschwerdeführerin, die die Aufgaben einer Zulassungstelle nach § 23 StVZO wahrnimmt, wendet sich dagegen, daß ihr aufgrund der 21.VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften es nicht mehr erlaubt ist ihr großes Stadtwappen zum Abstempeln amtlicher Kennzeichen zu verwenden. | |
LB 2) Die Gewährleistung des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte, und zwar bezüglich der Art und Weise der Aufgabenerledigung (vgl BVerfGE_83,363 <382>) wie auch im Hinblick auf das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung (vgl BVerfGE 83,363 <382>; BVerfGE_91,228 <236>). | |
LB 2) Im Bereich der Organisationshoheit gewährleistet Art.28 Abs.2 GG Eigenverantwortlichkeit auch für den übertragenen Wirkungskreis (vgl BVerfGE 83,363 <382>; BVerfGE_91,228 <236>). | |
LB 3) Allerdings bedarf nicht jede staatliche Vorgabe für die Organisation der Gemeinde einer spezifischen Rechtfertigung. Die Organisationshoheit ist von vornherein nur relativ gewährleistet. Den Gemeinden müssen nur insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben. | |
LB 4) Lässt der Gesetzgeber den Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Organisation Raum zu selbstverantwortlichen Maßnahmen, findet eine Kontrolle, ob die von ihm getroffenen Organisationsentscheidungen auf hinreichend gewichtigen Zielsetzungen beruhen, nicht statt (vgl BVerfGE_91,228 <240 ff>). | |
LB 5) Die Beschwerdeführerin legt auch die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf Führung des eigenen Namens (vgl BVerfGE_50,195 <200 ff>; BVerfGE_59,216 <226>) nicht substantiiert dar. Dabei kann offen bleiben, ob das Namensrecht, wie es durch Art.28 Abs.2 GG geschützt ist, auch das Recht zur Führung eines eigenen Wappens umfasst. Jedenfalls ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin - die Existenz eines solchen Rechts unterstellt - nicht zu entnehmen, dass dieses durch die angegriffene Maßnahme beeinträchtigt wäre. | |
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T-00-05 | Namensdarstellung |
"Die Kommunalverfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt sind (vgl BVerfGE_50,195 <200 ff>; BVerfGE_59,216 <226>; BVerfGE_83,363 <382>; BVerfGE_91,228 <236>). Ihre Annahme ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg auch nicht zur Durchsetzung der Garantie kommunaler Selbstverwaltung angezeigt (vgl BVerfGE_90,22 <25>). Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit einer Verletzung von Art.28 Abs.2 Satz 1 GG nicht in einer den Begründungsanforderungen nach §§ 23 Abs.1, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert dargetan. | |
1. Die Beschwerdeführerin zeigt die Möglichkeit einer Betroffenheit der durch Art.28 Abs.2 Satz 1 GG geschützten Organisationshoheit nicht auf. | |
a) Die Gewährleistung des Art.28 Abs.2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte, und zwar bezüglich der Art und Weise der Aufgabenerledigung (vgl BVerfGE_83,363 <382>) wie auch im Hinblick auf das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung (vgl BVerfGE_83,363 <382>; BVerfGE_91,228 <236>). Im Bereich der Organisationshoheit gewährleistet Art.28 Abs.2 GG Eigenverantwortlichkeit auch für den übertragenen Wirkungskreis (vgl BVerfGE_83,363 <382>; BVerfGE_91,228 <236>). Allerdings bedarf nicht jede staatliche Vorgabe für die Organisation der Gemeinde einer spezifischen Rechtfertigung. Die Organisationshoheit ist von vornherein nur relativ gewährleistet. Den Gemeinden müssen nur insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben. Außerdem muss ihnen ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der einzelnen Aufgabe offen gehalten werden, wobei Unterschiede zwischen Selbstverwaltungsaufgaben und Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis eine Rolle spielen. Für keinen Aufgabenbereich darf ausgeschlossen werden, dass die Gemeinden zumindest der inneren Organisation auch selbst noch auf die besonderen Anforderungen am Ort durch eigene organisatorische Maßnahmen reagieren können. Lässt der Gesetzgeber den Gemeinden bei der Ausgestaltung ihrer Organisation Raum zu selbstverantwortlichen Maßnahmen, findet eine Kontrolle, ob die von ihm getroffenen Organisationsentscheidungen auf hinreichend gewichtigen Zielsetzungen beruhen, nicht statt (vgl BVerfGE_91,228 <240 ff>). | |
b) Nach diesem Maßstab ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Betroffenheit der Organisationshoheit nicht zu entnehmen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die angegriffene Regelung überhaupt nennenswerte Auswirkungen auf die interne Organisation der Aufgabenerfüllung hat, gewährleistet Art.28 Abs.2 Satz 1 GG nur, dass der Beschwerdeführerin bei der Organisation ihrer Aufgaben als Zulassungsstelle insgesamt ein hinreichender Spielraum verbleibt. Die Beschwerdeführerin behauptet aber nicht, dass ihr als Folge der angegriffenen Regelung ein ausreichender organisatorischer Spielraum nicht mehr verbliebe. Derartiges ist auf der Grundlage ihres Vortrags auch nicht erkennbar, da § 23 Abs.4 Satz 2 StVZO die Beschwerdeführerin bei der organisatorischen Gestaltung nur punktuell und geringfügig beschränkt. | |
2. Die Beschwerdeführerin legt auch die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf Führung des eigenen Namens (vgl BVerfGE_50,195 <200 ff>; BVerfGE_59,216 <226>) nicht substantiiert dar. Dabei kann offen bleiben, ob das Namensrecht, wie es durch Art.28 Abs.2 GG geschützt ist, auch das Recht zur Führung eines eigenen Wappens umfasst. Jedenfalls ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin - die Existenz eines solchen Rechts unterstellt - nicht zu entnehmen, dass dieses durch die angegriffene Maßnahme beeinträchtigt wäre. Denn weder stellt § 23 Abs.4 Satz 2 StVZO die grundsätzliche Befugnis der Beschwerdeführerin zur Führung ihres Stadtwappens in Frage, noch liegt, da eine Änderung des Wappens nicht im Raum steht, eine derjenigen Fallgestaltungen vor, in denen das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der staatlichen Festlegung oder Änderung des Gemeindenamens eine Beeinträchtigung des Namensrechts in Betracht gezogen hat (vgl BVerfGE_50,195 <200>; BVerfGE_59,216 <226>). Dass die von der Beschwerdeführerin geforderte weiter gehende Befugnis, auch im übertragenen Wirkungskreis über die Art und Weise der Dokumentation des eigenen Namens - insbesondere hinsichtlich der Verwendung des Stadtwappens - frei entscheiden zu können, in Art.28 Abs.2 Satz 1 GG als Garantie der Einrichtung kommunaler Selbstverwaltung (vgl BVerfGE_79,127 <143>) eine Stütze finde, ist weder ausgeführt noch ersichtlich. | |
3. Vor diesem Hintergrund bedarf keiner Erörterung mehr, ob dem Bund die Kompetenz zum Erlass der angegriffenen Regelung zukam. Da die Selbstverwaltungsgarantie durch die angegriffene Regelung nicht betroffen ist, kann die Beschwerdeführerin eine Überprüfung der angegriffenen Regelung am Maßstab der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Verfahren der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht erreichen (vgl.BVerfGE 56, 298 <310>, 71, 25 <37> ; Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23.September 1994 - 2 BvR 1547/85 -, NVwZ 1995, S.370 <371>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7.Januar 1999 - 2 BvR 929/97 -, NVwZ 1999, S.520 <522>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 13.03.00, - 2_BvR_860/95 -, www.BVerfG.de, Abs.8 ff | |
§§§ | |
00.008 | Beschädigtengrundrente |
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1) Es ist mit dem Gleichheitsgebot des Art.3 Abs.1 GG unvereinbar, dass die den Kriegsopfern nach § 31 Abs.1 Satz 1 BVG gewährte Beschädigtengrundrente in den alten und neuen Ländern über den 31.Dezember 1998 hinaus bei gleicher Beschädigung ungleich hoch ist. | |
2) § 84a BVG ist daher seit dem 1.Januar 1999 nichtig. | |
LB 3) Zur abweichenden Meinung des Richters Kühling und der Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt siehe BVerfGE_102,63 = www.BVerfG.de, Abs.66 ff. | |
* * * | |
Urteil | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.009 | Krankenversicherung |
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1) Es ist mit Art.3 Abs.1 GG unvereinbar, dass nach § 5 Abs.1 Nr.11 Halbsatz 1 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung dann von der Krankenversicherung der Rentner ausgeschlossen sind, wenn sie nicht seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums seit Beginn ihrer Erwerbstätigkeit auf Grund einer Pflichtversicherung versichert waren. | |
2) Der Verfassungsverstoß kann nicht nur durch eine Neuregelung des Zugangs zur Krankenversicherung der Rentner, sondern auch durch Änderungen im Beitragsrecht behoben werden. | |
3) Zum rechtsstaatlichen Vertrauensschutz in den Fällen der Aufhebung einer gesetzlichen Übergangsfrist vor deren Ablauf. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.010 | Elektrischer Treppenlift |
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LB 1) Mit einer Verfassungsbeschwerde kann grundsätzlich nur die Verletzung eigener Grundrechte geltend gemacht werden (vgl BVerfGE_53,30 <48>; BVerfGE_79,203 <209>; stRspr). | |
LB 2) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Menschenwürde seiner querschnittsgelähmten Lebensgefährtin, eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung mit Nichtbehinderten geltend macht, ist er nicht beschwerdebefugt. Denn diese Rechte stehen ausschließlich seiner Lebenspartnerin zu und können von ihm nicht im Wege einer Prozessstandschaft geltend gemacht werden. | |
LB 3) Allerdings kann die Verfassungsbeschwerde dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer sinngemäß eine Verletzung seines von Art.14 Abs.1 GG geschützten mietvertraglichen Besitzrechts rügt (vgl BVerfGE_89,1 <5 ff>). | |
LB 4) Art.14 Abs.1 Satz 1 GG schützt nicht nur die Eigentumsposition des Vermieters. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 1 GG (vgl BVerfGE_89,1 <6>). | |
LB 5) Die allgemein zuständigen Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des einfachen Rechts ebenfalls die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten; sie müssen die im Gesetz auf Grund verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den beiderseitigen Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl BVerfGE_89,1 <9>). | |
LB 6) Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl BVerfGE_68,361 <372>; BVerfGE_79,292 <303>; BVerfGE_89,1 <9 f>). | |
LB 7) Da spezielle mietrechtliche Vorschriften über die Anbringung eines Treppenlifts fehlen und da zwischen den Parteien des Mietverhältnisses auch keine Vereinbarung über diese Frage getroffen wurde, hatte das Landgericht nach Maßgabe des das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darüber zu befinden, ob und gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen der Beschwerdeführer die bauliche Umgestaltung des Treppenhauses verlangen kann. In diesem Zusammenhang oblag es dem Gericht, die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl BVerfGE_90,27 <33>). | |
LB 8) Das eigentumskräftige Recht, im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs über die Art und Weise der Nutzung der Wohnung zu bestimmen, ermächtigt den Mieter grundsätzlich ebenso zur Aufnahme seines Lebenspartners in die Wohnung (vgl dazu auch BVerfGE_82,6 <16>). | |
LB 9) Bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs des sich aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG ergebenden Nutzungsrechts des Mieters ist insoweit Art.3 Abs.3 Satz 2 GG zu beachten. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dieses Verbot ist Grundrecht und zugleich objektive Wertentscheidung. | |
LB 10) Das sich aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG ergebende Nutzungsrecht des Mieters ist daher im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art.3 Abs.3 Satz 2 GG zu sehen; sein Inhalt wird, auch wenn der behinderte Angehörige oder Lebensgefährte nicht Partei des Mietvertrages ist, durch diese Grundentscheidung mitgeprägt. | |
LB 11) Die Zivilgerichte müssen demnach bei der Überprüfung der vom Vermieter getroffenen Entscheidung im Rahmen des § 242 BGB abwägen zwischen dem eigentumsrechtlich geschützten Interesse des Vermieters an der unveränderten Erhaltung des Treppenhauses und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung. | |
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T-00-06 | Rollstuhlfahrer |
"Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art.14 Abs.1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs.1 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl BVerfGE_7,198 <205 ff>; BVerfGE_90,27 <33 ff; BVerfGE_96,288 <304>; BVerfGE_99,341 <356>). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen zulässig und begründet. | |
1. Die Verfassungsbeschwerde ist allerdings teilweise unzulässig. | |
a) Mit einer Verfassungsbeschwerde kann grundsätzlich nur die Verletzung eigener Grundrechte geltend gemacht werden (vgl BVerfGE_53,30 <48>; BVerfGE_79,203 <209>; stRspr). Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Menschenwürde seiner querschnittsgelähmten Lebensgefährtin, eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung mit Nichtbehinderten geltend macht, ist er nicht beschwerdebefugt. Denn diese Rechte stehen ausschließlich seiner Lebenspartnerin zu und können von ihm nicht im Wege einer Prozessstandschaft geltend gemacht werden. | |
b) Allerdings kann die Verfassungsbeschwerde dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer sinngemäß eine Verletzung seines von Art.14 Abs.1 GG geschützten mietvertraglichen Besitzrechts rügt (vgl BVerfGE_89,1 <5 ff>). Denn der Beschwerdeführer trägt vor, dass sein mietvertragliches Wohnrecht auch das Recht zur Mitnutzung des Treppenhauses umfasse und dass der Vermieter deshalb gehalten sei, behinderten Angehörigen des Mieters eine zumutbare Mitnutzung des Treppenhauses durch Zustimmung zum Einbau eines Treppenliftes zu ermöglichen. Mit dieser auf Art.14 Abs.1 GG gestützten Rüge ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. | |
2. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet. Die Entscheidung des Landgerichts verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art.14 Abs.1 GG. | |
a) Art.14 Abs.1 Satz 1 GG schützt nicht nur die Eigentumsposition des Vermieters. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 1 GG (vgl BVerfGE>_89,1 <6>). | |
Die Befugnisse von Mieter und Vermieter zuzuordnen und abzugrenzen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er muss die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Die allgemein zuständigen Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des einfachen Rechts ebenfalls die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten; sie müssen die im Gesetz auf Grund verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den beiderseitigen Eigentumsschutz beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl BVerfGE_89,1 <9>). | |
Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl BVerfGE_68,361 <372>; BVerfGE_79,292 <303>; BVerfGE_89,1 <9 f>). | |
b) Da spezielle mietrechtliche Vorschriften über die Anbringung eines Treppenlifts fehlen und da zwischen den Parteien des Mietverhältnisses auch keine Vereinbarung über diese Frage getroffen wurde, hatte das Landgericht nach Maßgabe des das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darüber zu befinden, ob und gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen der Beschwerdeführer die bauliche Umgestaltung des Treppenhauses verlangen kann. In diesem Zusammenhang oblag es dem Gericht, die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl BVerfGE_90,27 <33>). | |
Das Landgericht hat bei der Abwägung der widerstreitenden Belange dem Eigentumsrecht des Beschwerdeführers nicht die ihm von Verfassungs wegen gebührende Bedeutung beigemessen. Es beinhaltet nicht nur das Recht des Mieters zur Nutzung der Wohnung. Da der Mieter die Wohnung lediglich nutzen kann, wenn der Zugang zur Wohnung gewährleistet ist, umfasst das Besitzrecht des Mieters auch das Recht zur Mitnutzung des Treppenhauses, das zu seiner Wohnung hinführt. Das eigentumskräftige Recht, im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs über die Art und Weise der Nutzung der Wohnung zu bestimmen, ermächtigt den Mieter grundsätzlich ebenso zur Aufnahme seines Lebenspartners in die Wohnung (vgl dazu auch BVerfGE_82,6 <16>). Da sich dies nur verwirklichen lässt, wenn dem Lebenspartner auch der Zugang zur Wohnung eröffnet ist, erstreckt sich das Recht des Mieters im Sinne von Art.14 Abs.1 Satz 1 GG schließlich auch darauf, dass dem Lebensgefährten der Zugang zur Wohnung gewährt wird. Ist der Zugang in diesem Sinne gewährleistet, kann der Mieter aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG grundsätzlich kein weiter gehendes Recht auf Zustimmung zur baulichen Umgestaltung des Treppenhauses herleiten. Die bauliche Gestaltung der allen Mietern dienenden Gemeinschaftsanlage unterliegt, soweit nichts anderes vereinbart ist, der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Vermieters. | |
Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise, wenn der Zugang zur Wohnung für den Mieter oder eine Person, die er berechtigterweise in seine Wohnung aufgenommen hat, auf Grund einer Behinderung erheblich erschwert ist. Bei Bestimmung des Inhalts und Umfangs des sich aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG ergebenden Nutzungsrechts des Mieters ist insoweit Art.3 Abs.3 Satz 2 GG zu beachten. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dieses Verbot ist Grundrecht und zugleich objektive Wertentscheidung. Unabhängig davon, ob sich aus diesem Grundrecht originäre Leistungsansprüche herleiten lassen, folgt aus ihm - über das sich aus dem Wortlaut unmittelbar ergebende Verbot der Benachteiligung hinaus - im Zusammenwirken mit speziellen Freiheitsrechten, dass der Staat eine besondere Verantwortung für behinderte Personen trägt (vgl BVerfGE_96,288 <304>). Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers fließt das Verbot der Benachteiligung Behinderter als Teil der objektiven Wertordnung aber auch in die Auslegung des Zivilrechts ein (vgl BVerfGE_99,341 <356> ). Das sich aus Art.14 Abs.1 Satz 1 GG ergebende Nutzungsrecht des Mieters ist daher im Lichte der grundgesetzlichen Bestimmung des Art.3 Abs.3 Satz 2 GG zu sehen; sein Inhalt wird, auch wenn der behinderte Angehörige oder Lebensgefährte nicht Partei des Mietvertrages ist, durch diese Grundentscheidung mitgeprägt. | |
Die Zivilgerichte müssen demnach bei der Überprüfung der vom Vermieter getroffenen Entscheidung im Rahmen des § 242 BGB abwägen zwischen dem eigentumsrechtlich geschützten Interesse des Vermieters an der unveränderten Erhaltung des Treppenhauses und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Mieters an einer behindertengerechten Nutzung. | |
c) Eine solche Abwägung der divergierenden Interessen im Rahmen des § 242 BGB hat das Landgericht nicht vorgenommen, weil es die ablehnende Entscheidung der Vermieter lediglich am Maßstab des Schikaneverbots (§ 226 BGB) gemessen hat. Es hält eine ablehnende Entscheidung eines Vermieters schon dann für rechtlich zulässig, wenn er überhaupt sachliche Gründe hierfür anführen kann, ganz gleich, welches Gewicht die Gründe im Einzelfall haben und wie gewichtig die gegenläufigen Interessen des Mieters sind. Mit einer solchen verengten Überprüfung hat es im konkreten Fall das verfassungsrechtliche Gebot einer umfassenden einzelfallbezogenen Abwägung verfehlt. | |
Bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung kann die Begründung der Vermieter nicht als ausreichend angesehen werden, dass mit dem Einbau des Lifts für einen Vermieter stets Verkehrssicherungspflichten und Haftungsrisiken verbunden sind. Vielmehr muss überprüft werden, welches Gewicht dieser Einwand im Falle einer Übernahme der Verkehrssicherungspflichten und einer Haftungsfreistellung durch den Mieter noch besitzt und ob dem Begehren des Mieters - wie das Landgericht Duisburg annimmt - unter entsprechenden Auflagen stattgegeben werden kann. Ebenso ist das Gewicht des von den Vermietern erhobenen Einwandes näher zu untersuchen, dass der Einbau einer elektrischen Anlage und die damit verbundene Verengung des Treppenhauses bis zu einer Breite von 89 cm zu einer Erhöhung des Unfallrisikos führe. Das Landgericht hätte auch der Frage nachgehen müssen, in welchem Maße die Benutzung der Treppe für andere Personen durch diese Verengung erschwert würde. Insbesondere war zu klären, ob auch dann, wenn der Lift nicht in Betrieb sein sollte, die Benutzung der Treppe im Vergleich zu dem bisherigen Zustand nur unter erschwerten Bedingungen möglich wäre. | |
Das Landgericht hat auch das Gewicht der gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers als Mieter nicht hinreichend untersucht. Es ist nicht darauf eingegangen, inwieweit der Beschwerdeführer angesichts der von ihm getätigten baulichen Investitionen ein besonderes Interesse an der Fortsetzung der Wohnungsnutzung haben kann. Es hat ferner die besondere Bedeutung, die eine Erleichterung des Wohnungszuganges für behinderte Menschen mit sich bringt, nicht konkret und einzelfallbezogen gewürdigt. Ebenso ist der Hinweis des Gerichts, dass auf dem Markt behindertengerechte Wohnungen erhältlich seien, für sich genommen nicht geeignet, das Gewicht des Bestandsinteresses des Mieters in Frage zu stellen. Der eigentumsrechtliche Schutz des Mieters bezieht sich auf die konkrete gemietete Wohnung, nicht auf die Verfügbarkeit einer Wohnung am Mietmarkt. Soweit dem Mieter mit Rücksicht auf die Interessen der Vermieter gleichwohl ausnahmsweise zugemutet werden dürfte, sich eine andere Wohnung zu suchen, hinge das Gewicht des Bestandsinteresses des Mieters allerdings auch davon ab, in welchem Umfang und zu welchen Preisen vergleichbarer behindertengerechter Ersatzwohnraum angemietet werden könnte. Die vom Senat des Landes Berlin hierzu gemachten Angaben lassen jedenfalls nicht auf ein Überangebot an behindertenfreundlich ausgestalteten Wohnungen schließen. | |
Die landgerichtliche Entscheidung beruht auf dem Verfassungsverstoß. Sie ist daher aufzuheben. Das Landgericht wird bei der von ihm erneut vorzunehmenden Abwägung die vorgenannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben, ohne dass insoweit von Verfassungs wegen ein bestimmtes Ergebnis der Abwägung im konkreten Einzelfall vorgegeben wäre." | |
Auszug aus BVerfG B, 28.03.00, - 1_BvR_1460/99 -, www.BVerfG.de, Abs.10 ff | |
§§§ | |
00.011 | Landesabfallgesetz NRW |
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Zur Vereinbarkeit des § 10 des Abfallgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Bundesrecht. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.012 | Elektroeinzelhändler |
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LB 1) Die Frage, ob die Anforderungen der Meisterprüfung angesichts geringerer Anforderungen an EU-Handwerker noch gerechtfertigt sind, kann hier dahingestellt bleiben. | |
LB 2) Die hier einschlägigen Regelungen der Handwerksordnung (§§ 1 bis 3) stellen sich gegenüber dem Nichthandwerker, beispielsweise einem Einzelhandelskaufmann, als einschränkende Berufsausübungsregelung dar. | |
LB 3) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Berufsausübungsregelungen zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, dh wenn sie auf sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls beruhen, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl BVerfGE_30,292 <316 ff>; BVerfGE_99,202 <211>). | |
LB 4) Auslegung und Anwendung der §§ 1 bis 3 HwO können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl BVerfGE_18,85 <92 f, 96>; BVerfGE_85,248 <257 f>; BVerfGE_87,287 <323>). | |
LB 5) Auch die Strafgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung dieser Normen die Ausstrahlungswirkung von Art.12 Abs.1 GG in der Form zu beachten, dass sie in tatsächlicher Hinsicht feststellen, ob die Tätigkeiten des Betroffenen die Anwendung von § 1 HwO erforderlich erscheinen lassen; dazu sind die Abgrenzung vom Minderhandwerk und die konkrete Prüfung aller Tatbestandsvarianten, die für Hilfsbetriebe gelten, erforderlich. | |
LB 6) Hätten die Gerichte die Handwerksordnung, die empfindliche Eingriffe in die Freiheit selbständiger Berufsausübung enthält, grundrechtsfreundlich ausgelegt, hätten sie den Ausnahmevorschriften in § 3 HwO das ihnen von Verfassung wegen zukommende Gewicht beigemessen und die Verhängung einer Geldbuße davon abhängig gemacht, dass zuvor alle zugunsten des Beschwerdeführers streitenden Umstände aufgeklärt und berücksichtigt sind. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-00-07 | Befähigungsnachweis Handwerk |
"Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs.1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs.2 Buchstabe b, § 93 BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs.1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG). | |
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer Verstöße gegen andere als die in § 90 Abs.1 BVerfGG genannten Bestimmungen, insbesondere solche des europäischen Rechts, rügt. Außerdem ist die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rüge der Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art.2 Abs.1 GG) unzulässig, da dieses Grundrecht im Verhältnis zur Berufsfreiheit subsidiär ist. | |
2. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Befähigungsnachweis für das Handwerk bereits entschieden (vgl BVerfGE_13,97). Die Frage, ob die Anforderungen der Meisterprüfung angesichts geringerer Anforderungen an EU-Handwerker noch gerechtfertigt sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, dass die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nicht den "Kern" eines bestimmten handwerklichen Berufs beträfen und damit als Minderhandwerk oder als Hilfsbetrieb ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürften. Er behauptet hingegen nicht, die in der Verordnung über die für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum geltenden Voraussetzungen der Eintragung in die Handwerksrolle (EWG/EWR-Handwerk-Verordnung - EWG/EWR HwV) vom 4.August 1966 (BGBl I S.469, zuletzt geändert durch Art.4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 25.März 1998 | |
Die hier einschlägigen Regelungen der Handwerksordnung (§§ 1 bis 3) stellen sich gegenüber dem Nichthandwerker, beispielsweise einem Einzelhandelskaufmann, als einschränkende Berufsausübungsregelung dar. Der Einzelhandelskaufmann hat seinen Beruf so auszuüben, dass die Schwelle zum erlaubnispflichtigen Handwerk nicht überschritten wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Berufsausübungsregelungen zulässig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, dh wenn sie auf sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls beruhen, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl BVerfGE_30,292 <316 ff>; BVerfGE_99,202 <211>). | |
3. Der Beschwerdeführer beanstandet vor allem Auslegung und Anwendung von § 3 HwO, der wie folgt lautet: | |
§ 3 | |
(1) Ein handwerklicher Nebenbetrieb im Sinne des § 2 Nr.2 und 3 liegt vor, wenn in ihm Waren zum Absatz an Dritte handwerksmäßig hergestellt oder Leistungen für Dritte handwerksmäßig bewirkt werden, es sei denn, daß eine solche Tätigkeit nur in unerheblichem Umfang ausgeübt wird, oder daß es sich um einen Hilfsbetrieb handelt. | |
(2) Eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 ist unerheblich, wenn sie während eines Jahres den durchschnittlichen Umsatz und die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte arbeitenden Betriebs des betreffenden Handwerkszweigs nicht übersteigt. | |
(3) Hilfsbetriebe im Sinne des Absatzes 1 sind unselbständige, der wirtschaftlichen Zweckbestimmung des Hauptbetriebs dienende Handwerksbetriebe, wenn sie | |
1. Arbeiten für den Hauptbetrieb oder für andere dem Inhaber des Hauptbetriebs ganz oder überwiegend gehörende Betriebe ausführen oder | |
2. Leistungen an Dritte bewirken, die | |
a) als handwerkliche Arbeiten untergeordneter Art zur gebrauchsfertigen Überlassung üblich sind oder | |
b) in unentgeltlichen Pflege-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten bestehen oder | |
c) in entgeltlichen Pflege-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten an solchen Gegenständen bestehen, die in dem Hauptbetrieb selbst erzeugt worden sind, sofern die Übernahme dieser Arbeiten bei der Lieferung vereinbart worden ist, oder | |
d) auf einer vertraglichen oder gesetzlichen Gewährleistungspflicht beruhen. | |
Auslegung und Anwendung der §§ 1 bis 3 HwO können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl BVerfGE_18,85 <92 f, 96>; BVerfGE_85,248 <257 f>; BVerfGE_87,287 <323>). | |
So liegt es hier. Die angegriffenen Entscheidungen werden dem Maßstab des Art.12 Abs.1 GG nicht gerecht. | |
a) Die einschlägigen Regelungen der Handwerksordnung genügen als solche insofern den Anforderungen des Art.12 Abs.1 GG, als ab einem bestimmten qualitativen oder quantitativen Umfang handwerklicher Arbeiten die Gefahr besteht, dass in einem als Einzelhandelsgeschäft bezeichneten Betrieb tatsächlich nicht Handel betrieben, sondern ein Handwerk ausgeübt wird. Aus der maßgeblichen gesetzlichen Regelung folgt indessen, dass der Gesetzgeber den tatsächlichen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens Rechnung zu tragen sucht und fließende Übergänge zwischen den Bereichen zu schaffen trachtet. Dazu hat er in mehrfacher Hinsicht Schwellen normiert, wobei unterhalb der jeweiligen Schwelle der Erwerb eines Meisterbriefes zur selbständigen Berufsausübung nicht erforderlich ist. | |
Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht unter Beachtung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit in zahlreichen Entscheidungen den Kernbereich (vgl BVerwGE_67,273), die Neben- und Hilfsbetriebe (vgl BVerwG, NVwZ-RR 1992, S.547 <549>; Buchholz 451.45 § 2 Nrn.5 und 7; a.a.O., § 3 Nr. 2) und das Minderhandwerk (BVerwG, NVwZ-RR 1992, S.547 <548 f>; Buchholz 451.45 § 2 Nr.5) voneinander abgegrenzt. | |
Auch die Strafgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung dieser Normen die Ausstrahlungswirkung von Art.12 Abs.1 GG in der Form zu beachten, dass sie in tatsächlicher Hinsicht feststellen, ob die Tätigkeiten des Betroffenen die Anwendung von § 1 HwO erforderlich erscheinen lassen; dazu sind die Abgrenzung vom Minderhandwerk und die konkrete Prüfung aller Tatbestandsvarianten, die für Hilfsbetriebe gelten, erforderlich. | |
b) Vorliegend sind die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen dieser Aufgabe nicht hinreichend nachgekommen. | |
Zum einen hat das Amtsgericht nicht im Einzelnen ermittelt, ob es sich bei den Tätigkeiten, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werden, um solche handelt, die den Kernbereich des Handwerks ausmachen, oder ob es sich um ein den Vorschriften der Handwerksordnung nicht unterfallendes Minderhandwerk handelt, was unter anderem bei der Installation von Satellitenempfangsanlagen oder beim Anbringen verkaufter Beleuchtungskörper naheliegend ist. Eine solche Montagetätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und den eingeholten Stellungnahmen als Minderhandwerk zu qualifizieren. Dieser Gesichtspunkt findet jedoch in den angegriffenen Entscheidungen keine Berücksichtigung. Der Sachverhalt ist daher insoweit nicht aufgeklärt. | |
Des Weiteren haben die Gerichte nicht danach unterschieden, inwieweit die Tätigkeiten des Beschwerdeführers in den Kernbereich des Elektroinstallateur- oder in den Kernbereich des Radio- und Fernsehtechnikerhandwerks fielen. Dies kann insbesondere eine Rolle für die Beurteilung spielen, ob die so genannte Unerheblichkeitsgrenze nach § 3 Abs.1 und 2 HwO überschritten ist. Denn die Grenze der Unerheblichkeit unterscheidet sich in der Höhe nach dem jeweils ausgeübten Handwerk. Es fehlt an Feststellungen, die den gesamten Sachverhalt berücksichtigen. | |
Außerdem ist als nicht zum Handwerk gehörender Umsatz derjenige zu betrachten, der aus handwerksähnlicher Tätigkeit stammt (§ 18 HwO iVm Anlage B zur HwO). Folgt man der Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages, haben die Gerichte nicht danach unterschieden, ob gewisse Tätigkeiten des Beschwerdeführers nur als handwerksähnlich anzusehen sind, wie beispielsweise das Kabellegen im Hochbau (vgl Nr.16 der Anlage B zur HwO). | |
Das Amtsgericht hat ferner nicht danach differenziert, welche Umsätze aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt dem Handel zuzurechnen sind und welche auf handwerklichen Tätigkeiten beruhen. Hierfür kann als Beispiel die Lieferung von Nachtspeicheröfen samt Anschluss genannt werden. Unterschiedslos werden aus der Rechnung vom 29. August 1996 die Beträge von 2.443 DM für Nachtspeicheröfen und 336 DM für den Thermostaten den Arbeitskosten für Aufstellen und Anschluss in Höhe von insgesamt 212 DM zugeschlagen. Es fehlt zudem jede Erläuterung dafür, warum es sich insoweit nicht um handelsübliche Serviceleistungen, sondern um eine Tätigkeit aus dem Kernbereich des Handwerks handelt. Eben dieser Nahtstelle im Verhältnis zwischen Handwerk und Handel trägt § 3 Abs.3 HwO (Hilfsbetrieberegelung) Rechnung. | |
All dies deutet darauf hin, dass die Gerichte in den angefochtenen Entscheidungen die Bedeutung von Art.12 Abs.1 GG für die Auslegung der einfachrechtlichen Vorschriften verkannt haben. Hätten sie die Handwerksordnung, die empfindliche Eingriffe in die Freiheit selbständiger Berufsausübung enthält, grundrechtsfreundlich ausgelegt, hätten sie den Ausnahmevorschriften in § 3 HwO das ihnen von Verfassung wegen zukommende Gewicht beigemessen und die Verhängung einer Geldbuße davon abhängig gemacht, dass zuvor alle zugunsten des Beschwerdeführers streitenden Umstände aufgeklärt und berücksichtigt sind. | |
c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten Verstoß gegen Art.12 Abs.1 GG, da nicht auszuschließen ist, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie nach einer verfassungskonformen Auslegung der Handwerksordnung den Sachverhalt entsprechend ermittelt und die Rechtsanwendung hierauf gestützt hätten. Die angegriffenen Entscheidungen sind daher aufzuheben, damit dies nachgeholt werden kann." | |
Auszug aus BVerfG B, 31.03.00, - 1_BvR_608/99 -, www.BVerfG.de, Abs.13 ff | |
§§§ | |
00.013 | Persönlichkeitsschutz |
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LB 1) Es verstößt nicht gegen Art.5 Abs.1 GG, dass die Gerichte im Rahmen der Auslegung und Anwendung des § 23 Abs.2 KUG den Belangen des Klägers unter Berücksichtigung des Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 und des Art.6 GG Vorrang gegeben haben. | |
LB 2) Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit - auf "Person werden" - umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. | |
LB 3) Soweit der Schutz des Persönlichkeitsrechts zur Beschränkung bestimmter Mitteilungsformen der Medien führt, ist dies von den Medien hinzunehmen, da wirkungsvoller Persönlichkeitsschutz andernfalls unmöglich wäre. | |
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T-00-08 | Kinder - Bildberichte in der Presse |
"Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des Persönlichkeitsschutzes eines Kindes gegenüber der Bildberichterstattung der Presse. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Urteile, die sie zur Unterlassung der Veröffentlichung von Fotos des Klägers des Ausgangsverfahrens verpflichtet haben, auf denen er zusammen mit seiner Mutter, Prinzessin Caroline von Monaco, abgebildet war. | |
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs.2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die von ihr aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen sind mit dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - geklärt worden. Mangels Erfolgsaussichten ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde auch nicht nach § 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. | |
Die angegriffenen Entscheidungen halten den Maßstäben des Art.5 Abs.1 GG stand. Die Frage, ob es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs.1 Nr.1 KUG handelt, hat das Oberlandesgericht dahinstehen lassen. Auf den diesen Punkt betreffenden Vortrag der Beschwerdeführerin kommt es somit gar nicht an. | |
Es verstößt nicht gegen Art.5 Abs.1 GG, dass die Gerichte im Rahmen der Auslegung und Anwendung des § 23 Abs.2 KUG den Belangen des Klägers unter Berücksichtigung des Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 und des Art.6 GG Vorrang gegeben haben. Kinder bedürfen hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen, eines besonderen Schutzes. Ihre Persönlichkeitsentfaltung kann durch die Berichterstattung in Medien empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachsenen, so dass der Bereich, in dem sie sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, umfassender geschützt sein muss (vgl das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S.35 f). Dieser Schutz verwirklicht sich nicht nur über das elterliche Erziehungsrecht des Art.6 Abs.1 GG, sondern folgt auch aus dem eigenen Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG (vgl BVerfGE_24,119 <144>; BVerfGE_45,400 <417>; BVerfGE_72,122 <137> ). Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit - auf "Person werden" - umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. An einem Schutzbedürfnis kann es freilich fehlen, soweit die Kinder sich nicht bei alltäglichen Vorgängen in der Öffentlichkeit bewegen, sondern sich allein oder gemeinsam mit den Eltern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa im Mittelpunkt öffentlicher Veranstaltungen stehen, und sich dadurch den Bedingungen öffentlicher Auftritte ausliefern (vgl. das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S.35 f). Das Schutzbedürfnis entfällt aber nicht bereits bei einem kindgemäßen Verhalten, das üblicherweise in der Öffentlichkeit geschieht. Insbesondere entfällt es nicht dadurch, dass die Eltern das Kind bei alltäglichen Vorgängen wie Einkaufen oder Spazierengehen begleiten. Auch die Kinder der Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung haben ein Recht, wie andere Kinder auch von ihren Eltern in öffentlichen Räumen begleitet zu werden, ohne allein durch die Anwesenheit der Eltern zum Objekt der Medienberichterstattung zu werden. | |
Die angegriffenen Entscheidungen führen aus, dass die in Rede stehenden Fotografien den Kläger und seine Mutter in vollkommen alltäglichen Situationen zeigten, so dass dessen Interesse, auch außerhalb seines eng begrenzten häuslichen Bereichs bei alltäglichen Verrichtungen mit seiner Mutter zusammen sein zu können, ohne die Anfertigung und weltweite Verbreitung von Fotos über diesen Vorgang hinnehmen zu müssen, gegenüber den Informations- und Unterhaltungsinteressen der Öffentlichkeit überwiege. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beurteilung, einer Veröffentlichung der streitigen Fotografien stünden berechtigte Interessen des Klägers entgegen, setzt nicht notwendig voraus, dass die Herstellung der Aufnahmen in belästigender Weise erfolgt ist oder dass eine herabsetzende Abbildung vorliegt. | |
Die Annahme der Beschwerdeführerin, durch das Verbot solcher Bildveröffentlichungen werde ein erheblicher Teil der Bildberichterstattung nachhaltig behindert, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Auch wenn die bloße Unterhaltung ebenfalls in den Grundrechtsschutz einbezogen ist und sie in mehr oder minder weit reichendem Umfang meinungsbildende Funktion haben kann, darf im Rahmen der Abwägung mit Persönlichkeitsrechten berücksichtigt werden, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden (vgl. das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S.41 ff). Soweit der Schutz des Persönlichkeitsrechts zur Beschränkung bestimmter Mitteilungsformen der Medien führt, ist dies von den Medien hinzunehmen, da wirkungsvoller Persönlichkeitsschutz andernfalls unmöglich wäre. Der Umfang des Persönlichkeitsschutzes verringert sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht dadurch, dass die Bildberichterstattung heute einen wesentlich breiteren Raum in den Medien einnimmt als in früheren Zeiten." | |
Auszug aus BVerfG B, 31.03.00, - 1_BvR_1454/97 -, www.BVerfG.de, Abs.1 ff | |
§§§ | |
00.014 | Verschlüsselungspflicht |
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LB 1) Im Verfassungsbeschwerdeverfahren können fremde Grundrechte im eigenen Namen nicht geltend gemacht werden. | |
LB 2) Soweit im Zusammenhang mit Krankheitsdiagnosen das Recht auf informationnelle Selbstbestimmung betroffen sein könnte, kann der einen Patienten behandelnde Arzt dies nicht im eigenen Namen und im eigenen Interesse geltend machen. | |
LB 3) Die Verschlüsselung von Krankheitsdiagnosen nach dem Diagnoseschlüssel "ICD-10 SGB-V" ist eine erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme zur Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenkassen. Sie erfüllen eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, zu deren Zweckerreichung Berufsausübungsregelungen erlassen werden können. | |
§§§ | |
00.015 | Sponsoring |
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LB 1) Nach § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA dürfen Rechtsanwälte über ihre berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten. | |
LB 2) Eine Auslegung dieser Vorschriften, dass Anwaltswerbung durch Sponsoring gegen § 43b BRAO und § 6 BORA verstoße, da ihr jeder Informationswert fehle, ist mit Wort und Sinn dieser Vorschriften kaum vereinbar. | |
LB 3) Die Annahme, den Beschwerdeführern sei als Anwälten Sponsoring regelmäßig verboten, beruht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit im Sinne des Art.12 Abs.1 GG. | |
LB 4) Sponsoring unterstützt die traditionellen Kommunikationsinstrumente der Werbung. Bekanntheitsgrad oder positives Image sind die wichtigsten Ziele, die damit verfolgt werden. Die Imagebeeinflussung wird zum einen durch die Förderung als solche und zum anderen durch einen Imagetransfer vom Sponsoringfeld auf den Sponsor zurück erzielt. Der Sponsor wirbt um Sympathie, Vertrauen und Akzeptanz. | |
LB 5) Selbstdarstellungen dieser Art enthalten Informationen, die für sich genommen weder irreführend sind noch ein sensationelles und reklamehaftes Sich-Herausstellen zum Gegenstand haben. | |
LB 6) Auch beim Sponsoring kann es allerdings Übertreibungen oder Verknüpfungen geben, die geeignet sind, die genannten Gemeinwohlbelange zu gefährden. Ob Letzteres im Einzelfall angenommen werden kann, erfordert eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung des Anlasses, des Mittels, des Zwecks und der Begleitumstände des Sponsorings. | |
LB 7) Maßgeblich für die Beurteilung des Werbeverhaltens ist der Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise, nicht die möglicherweise besonders strenge Auffassung des jeweiligen Berufsstandes. | |
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T-00-09 | Berufsfreiheit + Sponsoringverbot |
"3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art.12 Abs.1 GG angezeigt. | |
Auslegung und Anwendung von § 1 UWG, § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl BVerfGE_18,85 <92 f, 96>; BVerfGE_85,248 <257 f>; BVerfGE_87,287 <323>). | |
So liegt es hier. Die angegriffene Entscheidung wird dem Maßstab des Art.12 Abs.1 GG nicht gerecht. Die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegende Annahme, den Beschwerdeführern sei als Anwälten Sponsoring regelmäßig verboten, beruht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit. | |
a) Die angegriffene Entscheidung stützt sich auf § 1 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA. Nach § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA dürfen Rechtsanwälte über ihre berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts verstößt die Anwaltswerbung durch Sponsoring gegen § 43b BRAO und § 6 BORA, da ihr jeder Informationswert fehle. Diese Auslegung ist mit Wortlaut und Sinn der Vorschrift kaum vereinbar. 15 | |
Durch die beanstandeten Publikationen haben die Beschwerdeführer in doppelter Weise auf sich aufmerksam gemacht - auf die Existenz der Kanzlei und darauf, dass sie kulturelle Ereignisse finanziell unterstützt haben. Der Informationsgehalt (Name der Sozietät, das jeweilige kulturelle Ereignis, Angabe der finanziellen Förderung) ist klar erkennbar; die äußere Form von großer Zurückhaltung, also nicht unsachlich. § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA legen zu Recht nicht abschließend fest, welche Informationen zulässig sind. Der einzelne Berufsangehörige hat es im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in dem durch schützenswerte Gemeinwohlbelange gezogenen Rahmen hält. | |
b) Es ist nicht ersichtlich und in dem angegriffenen Urteil auch nicht ausgeführt, inwieweit das Sponsoring geeignet ist, das Vertrauen der Rechtsuchenden zu beeinträchtigten, der Anwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten. | |
Zutreffend wird in der angegriffenen Entscheidung erkannt, dass es sich um Imagewerbung handelt, die geeignet ist, das Bild des Förderers in der angesprochenen Öffentlichkeit zu heben, weil darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich der Werbende gemeinnützig engagiert. Sponsoring unterstützt die traditionellen Kommunikationsinstrumente der Werbung. Bekanntheitsgrad oder positives Image sind die wichtigsten Ziele, die damit verfolgt werden. Die Imagebeeinflussung wird zum einen durch die Förderung als solche und zum anderen durch einen Imagetransfer vom Sponsoringfeld auf den Sponsor zurück erzielt. Der Sponsor wirbt um Sympathie, Vertrauen und Akzeptanz. Selbstdarstellungen dieser Art enthalten Informationen, die für sich genommen weder irreführend sind noch ein sensationelles und reklamehaftes Sich-Herausstellen zum Gegenstand haben. | |
Auch beim Sponsoring kann es allerdings Übertreibungen oder Verknüpfungen geben, die geeignet sind, die genannten Gemeinwohlbelange zu gefährden. Ob Letzteres im Einzelfall angenommen werden kann, erfordert eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung des Anlasses, des Mittels, des Zwecks und der Begleitumstände des Sponsorings. Maßgeblich für für die Beurteilung des Werbeverhaltens ist der Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise, nicht die möglicherweise die besonders strenge Auffassung des jeweiligen Berufsstandes (vgl BGH, NJW 1999, S.2444 f; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats vom 11.November 1999 - 1_BvR_754/98 -). | |
Im vorliegenden Fall stellen sich die Beschwerdeführer durch den Sponsoringvermerk nicht reklamehaft gegenüber konkurrierenden Rechtsanwälten heraus. Die Förderung der kulturellen Veranstaltungen - wie etwa des Konzerts der NDR-Big Band mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock, des Landespresseballs oder der Kunstbörse mit anschließender Auktion - stellt nach Anlass und Form keine marktschreierische Werbemaßnahme dar. Die Anlässe sind seriös; auch die Art und Weise der Bekanntgabe des Sponsorings, so etwa der Hinweis auf dem Werbeplakat für das Konzert, dass Sponsor unter anderem "GM Grieger Mallison" sind, kann nicht als unangemessene, übertriebene Werbung qualifiziert werden. | |
c) Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Verstoß gegen Art.12 Abs.1 GG, da nicht auszuschließen ist, dass das Gericht im Ausgangsverfahren anders entschieden hätte, wenn es § 43b BRAO und § 6 Abs.1 BORA verfassungskonform ausgelegt hätte. Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben, damit dies nachgeholt werden kann." | |
Auszug aus BVerfG E, 17.04.00, - 1_BvR_721/99 -, www.BVerfG.de, Abs.11 ff | |
§§§ | |
00.016 | Stadtplaner |
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LB 1) Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, im Rahmen von Art.12 Abs.1 GG Berufsbilder gesetzlich zu fixieren. | |
LB 2) Ebenso darf der Gesetzgeber Zulassungsvoraussetzungen aufstellen, welche einerseits Personen, die sie nicht erfüllen, von den so monopolisierten und typisierten Tätigkeiten ausschließen und andererseits die Berufsbewerber zwingen, den Beruf in der rechtlichen Ausgestaltung zu wählen, die er im Gesetz erhalten hat (vgl BVerfGE_75,246 <265 f> mit zahlr wN). | |
LB 3) Der Gesetzgeber hat dabei zu beachten, dass die Fixierung von Berufsbildern und das Aufstellen von Zulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art.12 Abs.1 GG geschützte Berufsfreiheit bedeuten und dass deshalb seine Regelungen verhältnismäßig, dh geeignet und erforderlich sein müssen, um überragende Gemeinwohlinteressen zu sichern, und dass sie keine übermäßige, unzumutbare Belastung enthalten dürfen; außerdem gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Vertrauensschutz für die bereits im Beruf Tätigen (BVerfG, aaO, S.266 f). | |
LB 4) Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, unter welchen Voraussetzungen Art.12 Abs.1 GG Übergangsregelungen im Zusammenhang mit einem neu eingeführten Ausbildungs- oder Prüfungserfordernis für bereits tätige Berufsangehörige verlangt. Danach muss Personen die Berufsausübung entsprechend ihrer bisherigen Berechtigung weiter ermöglicht werden, wenn sie erstens den fehlenden neu eingeführten Befähigungsnachweis durch berufliche Erfahrung und Bewährung wettmachen und zweitens sich durch ihre bisherige Berufstätigkeit einen Besitzstand geschaffen haben, deren Erhalt für sie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist (vgl BVerfGE_68,272 <284> mit zahlr Nachw; vgl auch BVerfGE_98,265 <309 f>). | |
LB 5) Der landesgesetzliche Eintragungsvorbehalt für die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Stadtplaner" stellt sich als Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art.12 Abs.1 GG dar. Geregelt wird, wer nach entsprechender Eintragung in die Architektenliste unter dieser Berufsbezeichnung seine Leistungen anbieten darf. | |
LB 6) Der Eintragungsvorbehalt verbietet indessen anderen Personen nicht, die in § 1 Abs.4 und 5 sowie Abs.6 Satz 2 ArchG umschriebenen Berufsaufgaben des Stadtplaners wahrzunehmen; sie dürfen ihre Leistungen allerdings nicht unter der eingebürgerten Bezeichnung anbieten. | |
LB 7) Die neue Berufsbezeichnung führt zu einem erheblichen Wettbewerbsvorsprung derjenigen, die sich "Stadtplaner" nennen dürfen. Die Verweigerung der Anerkennung als Stadtplaner kommt damit einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nahe (vgl BVerfGE_33,125 <161>). | |
LB 8) Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint zudem, dass Architekten durch die Neuregelung eine deutliche Vorrangstellung erhalten haben. | |
LB 9) Auch bei den Architekten kann nicht schlechthin von einer einheitlichen Qualifikation mit genereller Eignung für die Stadtplanung gesprochen werden. | |
LB 10) Verfassungsrechtlich problematisch erscheint im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne auch die Regelung in Bezug auf die Zusammensetzung des Eintragungsausschusses (§ 16 Abs.2 ArchG). | |
LB 11) Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint auch die Übergangsregelung des Art.3 ArchÄndG. In den Genuss dieser Übergangsregelung kommt nur, wer nachweist, dass er seine bisherige stadtplanerische Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Stadtplaner" oder "Stadtplanerin" ausgeübt hat. | |
LB 12 Die Übergangsregelung bedarf daher der verfassungskonformen Auslegung. In den Genuss dieser Regelung muss auch kommen, wer tatsächlich den Beruf des Stadtplaners bisher ausgeübt hat, die Tätigkeitsbezeichnung allerdings nicht gewählt hatte. | |
* * * | |
T-00-10 | Stadtplaner |
"Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93a Abs.2 BVerfGG) liegen nicht vor. | |
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs.2 Buchstabe a BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich befugt ist, im Rahmen von Art.12 Abs.1 GG Berufsbilder gesetzlich zu fixieren. Ebenso darf der Gesetzgeber Zulassungsvoraussetzungen aufstellen, welche einerseits Personen, die sie nicht erfüllen, von den so monopolisierten und typisierten Tätigkeiten ausschließen und andererseits die Berufsbewerber zwingen, den Beruf in der rechtlichen Ausgestaltung zu wählen, die er im Gesetz erhalten hat (vgl BVerfGE_75,246 <265 f> mit zahlr wN). Der Gesetzgeber hat dabei zu beachten, dass die Fixierung von Berufsbildern und das Aufstellen von Zulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art.12 Abs.1 GG geschützte Berufsfreiheit bedeuten und dass deshalb seine Regelungen verhältnismäßig, dh geeignet und erforderlich sein müssen, um überragende Gemeinwohlinteressen zu sichern, und dass sie keine übermäßige, unzumutbare Belastung enthalten dürfen; außerdem gebiete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Vertrauensschutz für die bereits im Beruf Tätigen (BVerfG, aaO, S.266 f). Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, unter welchen Voraussetzungen Art.12 Abs.1 GG Übergangsregelungen im Zusammenhang mit einem neu eingeführten Ausbildungs- oder Prüfungserfordernis für bereits tätige Berufsangehörige verlangt. Danach muss Personen die Berufsausübung entsprechend ihrer bisherigen Berechtigung weiter ermöglicht werden, wenn sie erstens den fehlenden neu eingeführten Befähigungsnachweis durch berufliche Erfahrung und Bewährung wettmachen und zweitens sich durch ihre bisherige Berufstätigkeit einen Besitzstand geschaffen haben, deren Erhalt für sie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist (vgl BVerfGE_68,272 <284> mit zahlr Nachw; vgl auch BVerfGE_98,265 <309 f>). | |
2. Davon ausgehend hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass ihn die angegriffenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinen Grundrechten gemäß Art.12 Abs.1, Art.3 Abs.1 GG verletzen. | |
a) Der landesgesetzliche Eintragungsvorbehalt für die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Stadtplaner" stellt sich als Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art.12 Abs.1 GG dar. Geregelt wird, wer nach entsprechender Eintragung in die Architektenliste unter dieser Berufsbezeichnung seine Leistungen anbieten darf. Der Eintragungsvorbehalt verbietet indessen anderen Personen nicht, die in § 1 Abs.4 und 5 sowie Abs.6 Satz 2 ArchG umschriebenen Berufsaufgaben des Stadtplaners wahrzunehmen; sie dürfen ihre Leistungen allerdings nicht unter der eingebürgerten Bezeichnung anbieten. | |
Dementsprechend führt das Verbot, die Berufsbezeichnung "Stadtplaner" zu führen, zu Nachteilen im Wettbewerb. Beschränkte oder offene Ausschreibungen für stadtplanerische Projekte werden zwar nicht generell auf Architekten beschränkt. Es obliegt grundsätzlich dem Auslober, die fachlichen Anforderungen nach der Art des Wettbewerbsgegenstandes festzulegen; die Beschränkung auf Stadtplaner ist aber nicht fernliegend. | |
Nach Ziffer 3.2.2 der Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens (BAnz Nr.64 a vom 30.März 1996, S.3922) ist teilnahmeberechtigt am Wettbewerb, wer die in der Auslobung genannten fachlichen Anforderungen erfüllt. Dabei gelten diese als erfüllt, wenn der Teilnehmer zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigt ist, die fachlich mit dem Wettbewerbsgegenstand verbunden wird. Der Staatssekretär im Landeswirtschaftsministerium hat im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens im Wirtschaftsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg darauf hingewiesen, dass Kommunen, die einen städtebaulichen Wettbewerb ausschreiben, künftig befugt sein werden, nur Personen am Wettbewerb teilnehmen zu lassen, die bestimmte Kriterien erfüllten. In manchen Bundesländern gälten bereits entsprechende Regelungen, die eine Teilnahme baden-württembergischer Stadtplaner an dortigen Wettbewerben verhindere, solange die entsprechende gesetzliche Grundlage in Baden-Württemberg fehle (vgl LTDrucks 11/4046, S.4). Hieraus wurde der gesetzgeberische Handlungsbedarf abgeleitet. | |
Demnach führt die neue Berufsbezeichnung zu einem erheblichen Wettbewerbsvorsprung derjenigen, die sich "Stadtplaner" nennen dürfen. Insofern kann der Beschwerdeführer nicht darauf verwiesen werden, er könne unter anderer Bezeichnung als "Regionalplaner", "Landesplaner", "Siedlungsplaner", "Verkehrsplaner" oder "Planungsbüro" handeln; denn diese Bezeichnungen werden im Rahmen von Ausschreibungen nicht durchweg gleichermaßen anerkannt. Die Verweigerung der Anerkennung als Stadtplaner kommt damit einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl nahe (vgl BVerfGE_33,125 <161>). | |
b) Beschränkungen der Berufsausübung können grundsätzlich durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert werden. Als tragfähiger Gemeinwohlbelang zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs kommt die Förderung der Qualität der Orts- und Stadtplanung als wichtiger Beitrag für einen in die architektonische und die natürliche Umgebung eingepassten Städtebau in Betracht. Dieses Ziel hat das Land auch benannt. Wenig tragfähig erscheint hingegen der Aspekt des Schutzes der Allgemeinheit (Verbraucher). Die Auftraggeber von Stadtplanern sind nahezu ausschließlich Städte und Gemeinden. Sie sind auf den Begriffsschutz und die damit erzielbare Transparenz nicht angewiesen. Sie können sich, was der Deutsche Städte- und Gemeindebund in seiner Äußerung auch bestätigt hat, von der konkret durch die Bewerbung dargelegten Qualifikation ein unabhängiges Urteil bilden. | |
c) Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint zudem, dass Architekten durch die Neuregelung eine deutliche Vorrangstellung erhalten haben. | |
aa) Das Gesetz ist auf das Architekturstudium zugeschnitten: Voraussetzung für die Qualifikation zum Stadtplaner ist nach § 4 Abs.2 Satz 2 2.Halbsatz ArchG ein eigenständiges Studium der Stadtplanung, ein Architekturstudium mit Schwerpunkt Städtebau oder ein anderes dem Studium der Stadtplanung gleichwertiges Studium mit Schwerpunkt Städtebau. Letzteres muss als architektenspezifische Merkmale "städtebauliches und stadträumliches Entwerfen, Gebäudelehre, Stadtbaugeschichte" enthalten. Außerdem entscheidet der Eintragungsausschuss der Architektenkammer über die Eintragung als Stadtplaner. Der Berufsstand wird insgesamt der Architektenkammer zugeordnet. | |
bb) Es bestehen Zweifel, ob die so gestaltete Vorrangstellung angesichts der Aufgabenstellung, die die §§ 1, 1a des Baugesetzbuchs - BauGB - als Aufgabe der Bauleitplanung definieren, sachlich gerechtfertigt ist. Das spezifisch architektonische, also das künstlerisch-gestalterische Element spielt dabei eine eher untergeordnete, jedenfalls aber keine zentrale Rolle (vgl die Aufzählung in § 1 Abs.5 BauGB). Im Vordergrund stehen nach dem Baugesetzbuch vielmehr sozioökonomische und infrastrukturelle Fragen. | |
Bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen geht es um die Ordnung der Bodennutzung im gesamten Gemeindegebiet. Dabei muss festgelegt werden, mit welcher Dichte Wohnbebauung oder Gewerbeflächen vorzusehen sind, welche Voraussetzungen von Seiten der Gemeinde hierfür geschaffen werden müssen in Gestalt von Straßen, von Schienenanbindungen, Schulen, Kindergärten und Sportplätzen; die Integration in die überörtliche und örtliche Verkehrsplanung ist zu gewährleisten; die Belange der Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Abfallentsorgung und die Abwasserbeseitigung sind zu berücksichtigen. Auch bei den Bebauungsplänen geht es in erster Linie um die Art und das Maß der baulichen Nutzung, quantitative Größen mithin, für die es auf Umweltaspekte, soziale Planungsvorstellungen, Infrastruktur und Erschließung im weitesten Sinne sowie auf die vorhandene Eigentumslage und die rechtlichen Chancen für eine Realisierung der Planung viel stärker ankommt als auf die Gestaltung des Ortsbildes. Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Tiefbauingenieure, Geographen oder auch Juristen können zur Stadtplanung insgesamt nicht weniger beitragen als Architekten. | |
cc) Zudem ergeben sich aus den Stellungnahmen der Bundesingenieurkammer sowie des Bundes Deutscher Architekten, dass in den verschiedenen Studiengängen für Raumplanung oder Stadtplanung sehr unterschiedliche Schwerpunkte in der Ausbildung gesetzt werden. Dem Bund Deutscher Architekten ist aus der Praxis bekannt, dass in bestimmten Ausbildungsstätten wichtige Grundfähigkeiten für die praktische Berufsausübung nicht oder sehr mangelhaft vermittelt würden, die Verwendungsfähigkeit der Absolventen für bestimmte stadtplanerische Tätigkeiten sei damit eingeschränkt oder bedinge lange und intensive Nachschulung in der Praxis. Insofern kann auch bei den Architekten nicht schlechthin von einer einheitlichen Qualifikation mit genereller Eignung für die Stadtplanung gesprochen werden. | |
dd) Das Gesetz lässt andererseits ein "gleichwertiges Studium mit Schwerpunkt Städtebau..., das städtebauliches und stadträumliches Entwerfen, städtebaubezogene Gebäudelehre und Stadtbaugeschichte einschließt" (§ 4 Abs.2 Satz 2 ArchG), als Grundlage für die Eintragung als Stadtplaner zu. Der Vorrang der Architekten ist nicht absolut. Den unter bb) genannten Belangen kann mithin dadurch Rechnung getragen werden, dass § 4 Abs.2 ArchG verfassungskonform dahin ausgelegt wird, dass "ein anderes dem Studium der Stadtplanung gleichwertiges Studium" möglichst vielfältige andere Grundstudiengänge umfasst, die zur Stadtplanung qualifizieren können. | |
Das ist auch sachgerecht, weil die Berufsaufgabe des Stadtplaners im Architektengesetz sehr weit gefasst ist: Sie ist die gestaltende, technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Orts- und Stadtplanung, insbesondere die Ausarbeitung städtebaulicher Pläne (§ 1 Abs.4 ArchG). Damit hat das Gesetz ein umfassendes Berufsbild festgelegt, ohne in einem Studiengang die Qualifikationsvoraussetzungen näher zu bestimmen. Danach erscheint fraglich, ob der bloße "Benennungsschutz" geeignet ist, den zu schützenden Gemeinwohlbelangen zu dienen, solange die Ausbildungsinhalte nicht näher konkretisiert sind. Zur wünschenswerten Qualität der Orts- und Stadtplanung auch im Hinblick auf technische, ökologische und soziale Aspekte kann durch die weite Auslegung der Öffnungsklausel in § 4 Abs.2 Satz 2 ArchG beigetragen werden. | |
d) Verfassungsrechtlich problematisch erscheint im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne auch die Regelung in Bezug auf die Zusammensetzung des Eintragungsausschusses (§ 16 Abs.2 ArchG). | |
aa) Die Eintragungsausschüsse bestehen aus dem Vorsitzenden und Beisitzern. Die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter müssen nach § 16 Abs.2 Satz 3 ArchG die Befähigung zum Richteramt besitzen. Die Beisitzer und ihre Stellvertreter müssen Kammermitglieder sein (§ 16 Abs.2 Satz 4 ArchG). In welchem Umfang Stadtplaner hinzuzuziehen sind, erschließt sich nicht unmittelbar. | |
cc) Vorliegend ist es nach den für die Kontrolle fachgerichtlicher Entscheidungen geltenden Maßstäben (vgl BVerfGE_18,85 <92 f>; BVerfGE_94,372 <396>) allerdings nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs.1 und 2 ArchG. Denn das Studium des Beschwerdeführers hat nicht den Schwerpunkt Städtebau enthalten, auch wenn er an Lehrveranstaltungen über Siedlungswesen und Städtebau teilgenommen hat. Nach den Ausführungen der Landesregierung Baden-Württemberg kann an der Universität Karlsruhe, an der der Beschwerdeführer studiert hat, an der Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen ab dem 5.Semester nach dem Grundstudium die Vertiefungsrichtung "Raum- und Infrastrukturplanung" mit den drei Schwerpunkten "Verkehrswegebau", "Städtebau und Siedlungswasserwirtschaft" sowie "Verkehrswesen und Städtebau" gewählt werden. Für diese Vertiefungsrichtung hat sich der Beschwerdeführer jedoch nicht entschieden, sondern für den "Konstruktiven Ingenieurbau". Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die Belegung des Faches "Verkehr- und Raumplanung" als Grundfach als nicht ausreichend angesehen wird, um eine Spezialisierung auf den Städtebau nachzuweisen. | |
e) Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint auch die Übergangsregelung des Art.3 ArchÄndG. In den Genuss dieser Übergangsregelung kommt nur, wer nachweist, dass er seine bisherige stadtplanerische Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Stadtplaner" oder "Stadtplanerin" ausgeübt hat. Stellt der Gesetzgeber ein solches Kriterium für die Berufsbefähigung auf, muss dieses durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Solche sind nicht ersichtlich. | |
aa) Gemeinwohlbelange sind hier in erster Linie Rechtsklarheit und Klarheit im Geschäftsverkehr. Berufstätige, die bereits bisher in der Stadtplanung tätig waren, dürfen nicht unzulänglich qualifiziert sein, wenn sie die in Zukunft geschützte Bezeichnung führen sollen. Die Qualifikation ist aber nicht abhängig von der Wahl der Berufsbezeichnung in der Vergangenheit. | |
bb) Die Stellungnahmen zeigen, dass die Bezeichnungen regional unterschiedlich waren und sind. Länderübergreifend hat das auch zu Schwierigkeiten geführt. Welche Bezeichnungen im Wettbewerb wichtig sind, stellt sich erst heraus, wenn sich für bestimmte Aufgaben ein fester Begriff eingebürgert hat. Das geschieht zunächst unmerklich. Eine deutliche Zäsur ergibt sich, wenn der Gesetzgeber schließlich einen bestimmten Ausdruck verwendet. Zu einer Umgestaltung des Rechts, nicht nur des allgemeinen Wettbewerbs führt es schließlich, wenn der Begriff monopolisiert wird. Dann drückt die gesetzliche Einführung dieses Berufsbegriffs ihm eine Art Gütesiegel auf. So liegt es hier. | |
Für die Zukunft definiert das Architektengesetz, welche Grundkenntnisse von einem Stadtplaner erwartet werden können. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die bisherigen Anbieter städtebaulicher und stadtplanerischer Leistungen sich in ihrer Qualität danach unterscheiden, unter welcher Berufsbezeichnung sie bisher gearbeitet haben. Ohnedies ist die Wahl der Berufsbezeichnung nur bei selbständig erbrachten Leistungen von erheblicher Aussagekraft. Bei Angestellten bestimmt der Inhaber des Planungsbüros über den jeweiligen Einsatz; für den Anstellungsvertrag ist in erster Linie der akademische Grad maßgeblich. Berücksichtigt man, dass diejenigen, die künftig die Berufsbezeichnung "Stadtplaner" führen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erhalten, dürfen diejenigen, die bisher stadtplanerische Leistungen tatsächlich erbracht, die Bezeichnung aber nicht verwandt haben, nicht darauf verwiesen werden, dieses Verhalten einfach fortzusetzen. Vor der gesetzlichen Fixierung des Begriffs "Stadtplaner" bestand für die Leistungserbringer weniger Anlass, sich genau für diese Berufsbezeichnung zu entscheiden. Angesichts einer offenen Begriffsverwendung kam der Wortwahl keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Begriffswahl ist kein Indikator für eine vorhandene oder nicht vorhandene Qualifikation, die allein für das Gemeinwohl von Bedeutung ist. Sofern bestimmte Planungsbüros oder einzelne Berufstätige im Zuge der gesetzlichen Neuregelung die Bezeichnung wechseln, führt dies auch nicht zu Unklarheiten im Geschäftsverkehr, die im öffentlichen Interesse zu vermeiden wären. Die Übergangsregelung bedarf daher der verfassungskonformen Auslegung. In den Genuss dieser Regelung muss auch kommen, wer tatsächlich den Beruf des Stadtplaners bisher ausgeübt hat, die Tätigkeitsbezeichnung allerdings nicht gewählt hatte. | |
f) Obwohl die angegriffenen Entscheidungen dies nicht beachtet haben, ist die Verfassungsbeschwerde nicht anzunehmen, weil dem Beschwerdeführer hierdurch kein schwerer Nachteil entsteht. Nach dem Gesamtergebnis des vorliegenden Verfahrens ist anzunehmen, dass er sich auf die Übergangsregelung nicht berufen kann. Es ist davon auszugehen, dass er die Antragsfrist von einem Jahr versäumt hat. Zwar haben die Verwaltungsgerichte die Frage der Fristversäumnis nicht ausdrücklich entschieden, da es ihrer Auffassung nach darauf nicht ankam. Dennoch ist aufgrund der mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen Entscheidung des Eintragungsausschusses anzunehmen, dass der Beschwerdeführer die Antragsfrist, die ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes (15.Juli 1994) abgelaufen war, versäumt hat, als er seine Antragsunterlagen erst im November 1995 eingereicht hat. Für eine verspätete Bearbeitung durch die Architektenkammer fehlt es an Anzeichen, nachdem diese anhand fortlaufend nummerierter Aktenzeichen die Übersendung der Antragsunterlagen im März 1995 wahrscheinlich gemacht hat." | |
Auszug aus BVerfG B, 17.04.00, - 1_BvR_1538/98 -, www.BVerfG.de, Abs.35 ff | |
§§§ | |
00.017 | Wiedergutmachung |
| |
LB 1) Die Zulassung als Beistand iSd § 22 Abs.1 S.4 BVerfGG kommt nur in Betracht, wenn sie objektiv sachdienlich ist und subjektiv für sie ein Bedürfnis besteht. | |
LB 2) Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Wiedergutmachung früheren, von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden, Unrechts, um das es hier geht, einen besonders weiten Gestaltungsraum (BVerfGE_84,90 <126>). | |
LB 3) Mit der Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG wollte er eine Leistung höchstpersönlichen Charakters als Wiedergutmachung für die erlittene Freiheitsentziehung schaffen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 12/1608, S.26), nicht aber eine Kapitalentschädigung für Hinterbliebene einführen (vgl Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2820, S.31). | |
LB 4) Dass damit noch lebende ehemalige Häftlinge gegenüber den Hinterbliebenen bereits vor dem Stichtag verstorbener ehemaliger Häftlinge privilegiert werden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. | |
LB 5) Auch die Tatsache, dass die Erben solcher Häftlinge, die nach Antragstellung und nach dem Stichtag, aber vor Festsetzung und Auszahlung der Kapitalentschädigung versterben, anders als die Erben solcher Häftlinge, die bereits vor dem Stichtag verstorben sind, nach § 17 Abs.3 StrRehaG in den Genuss einer Kapitalentschädigung kommen, verletzt den Gleichheitssatz nicht. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass sich die vom Häftling nicht beeinflussbare Dauer des Verfahrens nachteilig auswirke (Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2820, S.31). Dies ist ein sachlicher und hinreichend gewichtiger Grund für die Begünstigung der Erben der nach Antragstellung verstorbenen Häftlinge. | |
LB 6) Dass der Gesetzgeber die Leistungen darüber hinaus durch einen Stichtag begrenzt hat, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber ist es durch Art.3 Abs.1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren (BVerfGE_87,1 <43>). | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-00-11 | Stichtagsregelung |
"1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung als Beistand, die § 22 Abs.1 Satz 4 BVerfGG in das pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts stellt, liegen nicht vor. Die Zulassung als Beistand kommt nur in Betracht, wenn sie objektiv sachdienlich ist und subjektiv für sie ein Bedürfnis besteht (Beschluss der 3.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1.Februar 1994 - 1_BvR_105/94 -, NJW 1994, S.1272). Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen und auch nicht ersichtlich. | |
2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. | |
(1) Die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung des § 17 Abs.3 StrRehaG greifen nicht durch. | |
(a) Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Wiedergutmachung früheren, von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden, Unrechts, um das es hier geht, einen besonders weiten Gestaltungsraum (BVerfGE_84,90 <126>). Mit der Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG wollte er eine Leistung höchstpersönlichen Charakters als Wiedergutmachung für die erlittene Freiheitsentziehung schaffen (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 12/1608, S.26), nicht aber eine Kapitalentschädigung für Hinterbliebene einführen (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2820, S.31). Dass damit noch lebende ehemalige Häftlinge gegenüber den Hinterbliebenen bereits vor dem Stichtag verstorbener ehemaliger Häftlinge privilegiert werden, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG scheidet schon deshalb aus, weil die Personengruppen - die unmittelbar Betroffenen einerseits und die Hinterbliebenen andererseits - nicht vergleichbar sind. | |
Im Übrigen gilt, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung von Wiedergutmachungsleistungen im Rahmen des ihm ohnehin zustehenden Gestaltungsraums auch Rücksicht darauf nehmen darf, welche finanziellen Möglichkeiten er unter Berücksichtigung der sonstigen Staatsaufgaben hat; bei der Einschätzung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Staates kommt ihm ein besonders weiter Beurteilungsraum zu (BVerfGE_84,90 <130 f>). | |
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier seinen Gestaltungs- und Beurteilungsraum überschritten hätte, sind nicht ersichtlich. | |
(b) Auch die Tatsache, dass die Erben solcher Häftlinge, die nach Antragstellung und nach dem Stichtag, aber vor Festsetzung und Auszahlung der Kapitalentschädigung versterben, anders als die Erben solcher Häftlinge, die bereits vor dem Stichtag verstorben sind, nach § 17 Abs.3 StrRehaG in den Genuss einer Kapitalentschädigung kommen, verletzt den Gleichheitssatz nicht. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass sich die vom Häftling nicht beeinflussbare Dauer des Verfahrens nachteilig auswirke (Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2820, S.31). Dies ist ein sachlicher und hinreichend gewichtiger Grund für die Begünstigung der Erben der nach Antragstellung verstorbenen Häftlinge. | |
Dass der Gesetzgeber die Leistungen darüber hinaus durch einen Stichtag begrenzt hat, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber ist es durch Art.3 Abs.1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren (BVerfGE_87,1 <43>). Das ist hier der Fall. | |
Der 18.September 1990 ist "der Tag des Inkrafttretens des Rehabilitierungsgesetzes des ersten frei gewählten Parlaments der ehemaligen DDR" (Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2820, S.31). Mit dem Rehabilitierungsgesetz war im Beitrittsgebiet erstmals eine gesetzliche Grundlage für der Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG vergleichbare Entschädigungsleistungen geschaffen worden. § 7 Abs.2 RehaG/DDR in Verbindung mit §§ 9a ff HHG sah die Zahlung von Eingliederungshilfen an ehemalige Häftlinge vor, die nach dem Inkrafttreten des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auf die Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG anzurechnen waren (§ 17 Abs.2 StrRehaG; vgl auch Bruns/Schröder/Tappert, StrRehaG, Kommentar, 1993, § 17, Rn.23). Daher ist die Lösung des Gesetzgebers, an den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rehabilitierungsgesetzes/DDR anzuknüpfen, nachvollziehbar. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (stRspr; BVerfGE_83,395 <401>; BVerfGE_84,348 <359>). | |
(2) Dass die Ansicht des Oberlandesgerichts, die Rechtskraft des Kassationsbeschlusses stehe der Ablehnung eines Entschädigungsanspruchs nicht entgegen, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits für einen gleich gelagerten Fall entschieden (Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19.November 1999 - 2_BvR_1793/94 -)." | |
Auszug aus BVerfG B, 27.04.00, - 2_BvR_1922/94 -, www.BVerfG.de, Abs.1 ff | |
§§§ | |
00.018 | Engergiewirtschaftsgesetz |
| |
TH 1) Die beschwerdeführende Kommune wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4b GG, § 91 BVerfGG gegen das am 29.April 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24.April 1998 (BGBl I S.730) und gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der ab 1.Januar 1999 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 26.August 1998 - GWB - (BGBl I S.2546). | |
TH 2) Das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts verfolgt das Ziel der Stärkung des brancheninternen Wettbewerbs. Dies strebt es vor allem mittels Beseitigung der bislang bestehenden geschlossenen Versorgungsgebiete ua durch eine Erleichterung des Zugangs der Elektrizitätsversorgungsunternehmen zum Netz (Artikel 1 §§ 5 ff), durch die Möglichkeit der Einrichtung von Direktleitungen zur Belieferung von Energieabnehmern (Artikel 1 § 13) sowie durch die Abschaffung der bisherigen kartellrechtlichen Freistellung von Demarkations- und Konzessionsverträgen (Artikel 2) an. | |
LB 3) Schwere Nachteile oder ein anderer wichtiger Grund rechtfertigen für sich eine einstweilige Anordnung noch nicht. Ihr Erlass muss zur Abwehr der Nachteile oder Ausräumung des anderen wichtigen Grundes "dringend geboten" sein. Es muss also ein spezifischer Regelungsanlass bestehen. | |
LB 4) Die in § 32 Abs.1 BVerfGG geforderte Dringlichkeit ist als Unaufschiebbarkeit einer zumindest vorläufigen Regelung zu verstehen. Dies beurteilt sich danach, welche tatsächlichen oder rechtlichen Entwicklungen sich ergeben, wenn eine einstweilige Anordnung im jetzigen Zeitpunkt nicht ergeht, und ob der so entstehende Zustand nur durch ein alsbaldiges Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts verhindert werden kann. | |
LB 5) Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist in der Regel dann nicht dringend geboten, wenn vorläufiger Rechtsschutz auch auf anderem Wege - insbesondere etwa durch die Anrufung der Gerichte im jeweils eröffneten Rechtsweg - erlangt werden kann (vgl BVerfGE_15,77 <78>; BVerfGE_17,120 <122>; BVerfGE_21,50 <51>; BVerfGE_37,150 <151>. | |
LB 6) Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz soll den befristeten Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in der allgemeinen Versorgung im Interesse von Energieeinsparung und Klimaschutz gewährleisten (§ 1). Dafür ist neben der Verpflichtung der Netzbetreiber, Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK)-anlagen im Sinne des § 2 an ihr Netz anzuschließen und in solchen Anlagen erzeugten Strom abzunehmen (§ 3 Abs.1), insbesondere ein System von Vergütungs- ( § 4) und Ausgleichsansprüchen ( § 5) vorgesehen, das die Folgen des Wettbewerbs für die Betreiber von KWK-Anlagen abfedert. | |
LB 7) Mit der am 31.Juli 1999 in Kraft getretenen Ersten Verordnung zur Änderung der Konzessionsabgabenverordnung vom 22.Juli 1999 (BGBl I S.1669) soll klarstellend verhindert werden, dass die Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgaben durch besondere Gestaltung der Lieferverhältnisse unterlaufen wird (vgl BRDrucks 358/99, S.4). Diese Umgehungsgefahr resultierte aus den in § 2 KAV festgelegten unterschiedlichen Höchstbeträgen an Konzessionsabgabe pro Kilowattstunde je nach dem, ob es sich um die Belieferung von Tarifkunden (§ 2 Abs.2 KAV) oder Sondervertragskunden (§ 2 Abs.3 KAV) handelte. | |
LB 8) Der Verordnungsgeber hat der Schmälerung des Konzessionsabgabeaufkommens durch bloße Änderung der Vertragsgestaltung dadurch vorgebeugt, dass Stromlieferungen aufgrund von Sonderkundenverträgen aus dem Niederspannungsnetz (bis 1 kV) konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden gelten (vgl BRDrucks 358/99, S.5). Insoweit dürften die von der Beschwerdeführerin maßgeblich als Risiken für ihr Konzessionsabgabeaufkommen angenommenen Umgehungsmöglichkeiten mit dem Inkrafttreten der geänderten Konzessionsabgabenverordnung weitgehend entfallen sein. | |
LB 9) Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist vorliegend auch deshalb nicht im Sinne von § 32 Abs.1 BVerfGG dringend geboten, weil die Stadtwerke - bzw die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihren unmittelbaren und mittelbaren Anteilsbesitz an den Stadtwerken von 100% durch entsprechende Einflussnahme auf die Stadtwerke - nicht den Versuch unternommen haben, das vorliegend verfolgte Rechtsschutzziel einstweiliger Sicherung durch Verweigerung der Abnahme des von Dritten anderweitig gekauften Stroms nach Maßgabe von § 7 Abs.2 Satz 2 iVm § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.3 EnWG zu erreichen. | |
LB 10) Gemäß § 7 Abs.2 Satz 1 EnWG ist allerdings ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das das Alleinabnehmersystem nach § 7 Abs.1 EnWG gewählt hat, verpflichtet, die Elektrizität abzunehmen, die ein Letztverbraucher, der im Gebiet ansässig ist, auf das sich die Bewilligung nach § 7 Abs.1 EnWG bezieht, bei einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gekauft hat. Nach Maßgabe von § 7 Abs.2 Satz 2 EnWG findet jedoch § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.3 EnWG entsprechende Anwendung. | |
LB 11) In entsprechender Anwendung des § 6 Abs.1 Satz 2 EnWG greift die Abnahmeverpflichtung demnach nicht ein, soweit das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nachweist, dass ihm die Abnahme aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. | |
LB 12) § 6 Abs.3 EnWG konkretisiert den Begriff der Zumutbarkeit im vorstehenden Sinne ua dahin, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit besonders zu berücksichtigen ist, inwieweit dadurch Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und ressourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen KWK-Anlagen verdrängt und ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Anlagen verhindert würde, wobei Möglichkeiten zum Verkauf dieser Elektrizität an Dritte zu nutzen sind. | |
LB 13 Dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das die Abnahme verweigert, steht zum einen die zuständige Kartellbehörde gegenüber; diese kann - soweit sie zu der Auffassung gelangt, die Verweigerungsvoraussetzungen lägen nicht vor - eine Untersagungsverfügung nach § 32 GWB iVm § 19 Abs.1, 4 GWB erlassen. Zum anderen sind betroffen konkurrierende Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Letztverbrauchern im betroffenen Gebiet Energie verkaufen wollen; diese könnten etwa einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nach Maßgabe von § 33 GWB geltend machen. Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen erreicht aber schon mit einer schlichten Ablehnung unmittelbar - jedenfalls zunächst - den angestrebten - vorliegend mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend gemachten - Schutz. | |
* * * | |
T-00-12 | Kraft-Wärmekopplung |
"Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg. | |
1. a) Da eine Entscheidung des Senats über die Annahme der Verfassungsbeschwerde bislang nicht ergangen ist, ist die Kammer für alle die Verfassungsbeschwerde betreffenden Entscheidungen zuständig (§ 93d Abs.2 Satz 1 BVerfGG). Dies gilt auch - mit der Einschränkung des § 93d Abs.2 Satz 2 BVerfGG - für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. | |
b) Nach § 32 Abs.1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht auch im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gemäß § 91 BVerfGG einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies u.a. zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Gesetzes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen, wenn eine gesetzliche Regelung außer Vollzug gesetzt werden soll (BVerfGE_82,310 <313>; BVerfGE_96,120 <128 f>; stRspr). | |
Schwere Nachteile oder ein anderer wichtiger Grund rechtfertigen für sich eine einstweilige Anordnung noch nicht. Ihr Erlass muss zur Abwehr der Nachteile oder Ausräumung des anderen wichtigen Grundes "dringend geboten" sein. Es muss also ein spezifischer Regelungsanlass bestehen. Die in § 32 Abs.1 BVerfGG geforderte Dringlichkeit ist als Unaufschiebbarkeit einer zumindest vorläufigen Regelung zu verstehen. Dies beurteilt sich danach, welche tatsächlichen oder rechtlichen Entwicklungen sich ergeben, wenn eine einstweilige Anordnung im jetzigen Zeitpunkt nicht ergeht, und ob der so entstehende Zustand nur durch ein alsbaldiges Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts verhindert werden kann (vgl. zum Ganzen Berkemann in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 32 Rn.208-210). Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist in der Regel dann nicht dringend geboten, wenn vorläufiger Rechtsschutz auch auf anderem Wege - insbesondere etwa durch die Anrufung der Gerichte im jeweils eröffneten Rechtsweg - erlangt werden kann (vgl BVerfGE_15,77 <78>; BVerfGE_17,120 <122>; BVerfGE_21,50 <51>; BVerfGE_37,150 <151> ; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23.Juni 1994 - 2 BvQ 27/94 -, NJW 1994, S. 3221; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17.August 1999 - 2 BvR 2276/98 -, JURIS). | |
2. Hieran gemessen ist der Erlass der von der Beschwerdeführerin beantragten einstweiligen Anordnung sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen nicht dringend geboten. | |
a) Die Beschwerdeführerin macht zur Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung - im Wesentlichen entsprechend der Begründung der Verfassungsbeschwerde - geltend, dass die Stadtwerke Duisburg AG durch den mit der gesetzlichen Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und der Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgelösten Wettbewerb und nachfolgenden Preisverfall auf dem Energiemarkt erhebliche Einnahmeausfälle erlitten habe und weiterhin erleide, die schwerwiegende Folgen für die Stadtwerke und die Haushaltssituation der Beschwerdeführerin nach sich zögen. | |
aa) Diesen Ausgangspunkt der Darlegungen der Beschwerdeführerin hat der von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK-Vorschaltgesetz) vom 22.Februar 2000 (BTDrucks 14/2765) aufgegriffen. Der genannte Entwurf ist nach seiner ersten Beratung in der 91.Sitzung des Deutschen Bundestages am 25.Februar 2000 in der 96.Sitzung des Deutschen Bundestages am 24.März 2000 in der mit kleineren, vor allem klarstellenden Änderungen versehenen Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (BTDrucks 14/3007) als Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) in zweiter und dritter Beratung angenommen worden (vgl. Amtliches Protokoll, Zusatzpunkt 7). Das Gesetz soll den befristeten Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung in der allgemeinen Versorgung im Interesse von Energieeinsparung und Klimaschutz gewährleisten (§ 1). Dafür ist neben der Verpflichtung der Netzbetreiber, Kraft-Wärme-Kopplungs-(KWK)-anlagen im Sinne des § 2 an ihr Netz anzuschließen und in solchen Anlage erzeugten Strom abzunehmen (§ 3 Abs.1), insbesondere ein System von Vergütungs- (§ 4) und Ausgleichsansprüchen (§ 5) vorgesehen, das die Folgen des Wettbewerbs für die Betreiber von KWK-Anlagen abfedert. Begünstigte dieser Neuregelung wird - soweit ersichtlich - auch die Beschwerdeführerin sein: Die Stromerzeugung der Stadtwerke Duisburg AG fällt in den Anwendungsbereich des § 2 des Gesetzesbeschlusses; in ihrer Eigenschaft als vergütungspflichtiger Netzbetreiberin (vgl § 3 Abs.2 iVm § 4 des Gesetzesbeschlusses) wird ihr in § 5 Abs.1 des Gesetzesbeschlusses gegen den vorgelagerten Netzbetreiber ein - jeweils zum 1.Januar eines neuen Jahres um 0,5 Pfennige sinkender - Ausgleichsanspruch in Höhe von zunächst 3 Pfennig pro Kilowattstunde eingeräumt. Ziel dieses Ausgleichsmechanismus ist es, die Betreiber von KWK-Anlagen in die Lage zu versetzen, den in ihren KWK-Anlagen - relativ teuer, jedoch umweltfreundlich - produzierten Strom zu wirtschaftlichen, marktfähigen und damit im Wettbewerb auf der Grundlage des neu geregelten Energiewirtschafts- und geänderten Wettbewerbsrechts konkurrenzfähigen Preisen abzusetzen. | |
Die von der Beschwerdeführerin befürchteten negativen Konsequenzen werden mit dem Inkrafttreten des beschlossenen Gesetzes, das nach § 7 des Gesetzesbeschlusses für den ersten Tag nach der Verkündung vorgesehen ist, nach dem Regelungsinhalt der vorgesehenen Vorschriften voraussichtlich verhindert, jedenfalls aber nicht in dem befürchteten - nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin existenzbedrohenden - Ausmaß eintreten. Im Hinblick auf die sich aufgrund des Gesetzesbeschlusses konkret abzeichnende Entwicklung ist deshalb nach dem für die beantragte Aussetzung des weiteren Vollzugs einer gesetzlichen Regelung anzulegenden besonders strengen Maßstab der Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls derzeit nicht dringend geboten. | |
bb) Die Beschwerdeführerin beruft sich für die nach ihrer Auffassung trotz dieses Gesetzesvorhabens fortbestehende Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung darauf, dass wegen des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung erst nach dem Tag ihrer Verkündung die existenzgefährdenden wirtschaftlichen Einbußen fortbestünden, die ihre Stadtwerke bereits während der vergangenen rund eineinhalb Jahre erlitten hätten und im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens weiterhin erleiden würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass solche bereits eingetretenen wirtschaftlichen Einbußen auch bei einem ihrem Antrag vollumfänglich stattgebenden Beschluss nicht rückgängig gemacht werden könnten. | |
Die Beschwerdeführerin führt weiterhin an, sie werde bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung weitere wirtschaftliche Einbußen erleiden. Dieses Vorbringen ist hinsichtlich der befürchteten Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren spekulativ und angesichts des bereits vorliegenden Gesetzesbeschlusses über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz weitgehend überholt. Im Übrigen wird auch nicht entsprechend den Anforderungen der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG (vgl BVerfGE_71,25 <36 f>; BVerfGE_76,107 <112> ) substantiiert dargetan, dass der Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes für die Stadtwerke Duisburg AG finanziell nicht zu "überstehen" wäre: Die Beschwerdeführerin hat in der Vergangenheit im Verfahren vorgebracht, dass die Gewinne der Stadtwerke Duisburg AG aus der Stromerzeugung erheblich geschmälert würden, nicht jedoch, dass die Stromerzeugung der Stadtwerke bereits defizitär arbeite. So hat sie noch mit ihrem Schriftsatz vom 31.Januar 2000 erläutert, dass der Rohüberschuss in 1999 voraussichtlich auf 65 Mio DM gesunken sei, im Jahre 2000 voraussichtlich auf 37,6 Mio DM und bis 2002 weiter auf 20,8 Mio DM sinken werde. Angesichts dessen erscheint der nunmehr geltend gemachte kurzfristig zu befürchtende Wegfall der Existenzgrundlage für ihre Stadtwerke nicht schlüssig. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin auch im Hinblick auf ihre eigene Haushaltslage nicht substantiiert dargetan, dass sie selbst den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes wegen gesunkener Einnahmen aus Abführungen der Stadtwerke finanziell nicht verkraften könnte. | |
Die Beschwerdeführerin hat sich im Weiteren darauf berufen, dass ihr ein bloßer Gesetzentwurf nicht das Mindestmaß an Planungssicherheit biete, das sie dringlichst benötige, um im Bereich ihrer Stadtwerke die unabdingbar notwendigen Entscheidungen - insbesondere zur Stilllegung zweier weiterer Heizkraftwerke mit den notwendigen Folgeinvestitionen - treffen zu können. Dieses Vorbringen ist im Hinblick auf den zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesbeschluss über das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz überholt. | |
Dafür, dass das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfte, ist nichts ersichtlich. Im Übrigen hat der Bundesrat das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in seiner Sitzung vom 7.April 2000 gebilligt (vgl BRDrucks 177/00 | |
b) Die Beschwerdeführerin beruft sich zur Begründung ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch darauf, dass das Aufkommen aus Konzessionsabgaben seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts unmittelbar und progressiv zunehmend zurückgegangen sei. Auch hieraus folgt indes nicht, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 32 Abs.1 BVerfGG dringend geboten ist. | |
aa) Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) vom 9.Januar 1992 (BGBl I S.12) bereits novelliert worden ist. Mit der am 31.Juli 1999 in Kraft getretenen Ersten Verordnung zur Änderung der Konzessionsabgabenverordnung vom 22.Juli 1999 (BGBl I S. 1669) soll klarstellend verhindert werden, dass die Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgaben durch besondere Gestaltung der Lieferverhältnisse unterlaufen wird (vgl BRDrucks 358/99, S.4). Diese Umgehungsgefahr resultierte aus den in § 2 KAV festgelegten unterschiedlichen Höchstbeträgen an Konzessionsabgabe pro Kilowattstunde je nach dem, ob es sich um die Belieferung von Tarifkunden (§ 2 Abs.2 KAV) oder Sondervertragskunden (§ 2 Abs.3 KAV) handelte. Dabei liegen die Höchstbeträge für die Belieferung von Tarifkunden deutlich, teilweise um ein Vielfaches höher als bei Sondervertragskunden. Hierin lag ein Anreiz, durch entsprechende Gestaltung von Stromlieferungsverträgen - etwa bei einer "Bedarfsbündelung" von Tarifkunden durch Zwischenhändler - den Status eines Sondervertragskunden zu begründen. Mit einer solchen "Umwandlung" von Tarif- in Sondervertragskunden wäre zwangsläufig eine Schmälerung des Konzessionsabgabeaufkommens verbunden gewesen. Darüber hinaus erschien es denkbar, dass etwa Wohnungsvermietungsunternehmen als Stromabnehmer auftreten, die ohne Inanspruchnahme öffentlicher Wege den von den kommunalen Stromerzeugern bezogenen Strom an die einzelnen Mieter weiterverteilen; auch dies hätte das Aufkommen an Konzessionsabgabe beeinträchtigen können. Diese Risiken für das Konzessionsabgabeaufkommen hat der Verordnunggeber mit der Anfügung der Absätze 6 bis 8 in § 2 KAV aufgegriffen. Er hat dabei das Ziel verfolgt, sicherzustellen, dass im Ergebnis Wettbewerbslieferungen Dritter grundsätzlich mit derselben Konzessionsabgabe belastet werden können, wie sie auch beim bisherigen Lieferanten anfallen. Ferner hat er der Schmälerung des Konzessionsabgabeaufkommens durch bloße Änderung der Vertragsgestaltung dadurch vorgebeugt, dass Stromlieferungen aufgrund von Sonderkundenverträgen aus dem Niederspannungsnetz (bis 1 kV) konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden gelten (vgl BRDrucks 358/99, S.5). Insoweit dürften die von der Beschwerdeführerin maßgeblich als Risiken für ihr Konzessionsabgabeaufkommen angenommenen Umgehungsmöglichkeiten mit dem Inkrafttreten der geänderten Konzessionsabgabenverordnung weitgehend entfallen sein. | |
bb) Die Beschwerdeführerin befürchtet gleichwohl einen Rückgang des Konzessionsabgabenaufkommens mit Blick auf die Regelung des § 2 Abs.4 Satz 1, 2 KAV und aus steuerrechtlichen Gründen. | |
Nach § 2 Abs.4 Satz 1 KAV dürfen bei Strom Konzessionsabgaben für Lieferungen an Sondervertragskunden nicht vereinbart oder gezahlt werden, deren Durchschnittspreis im Kalenderjahr je Kilowattstunde unter dem Durchschnittserlös je Kilowattstunde aus der Lieferung von Strom an alle Sondervertragskunden liegt. Den ins Einzelne gehenden Ausführungen der Bundesregierung zur fehlenden Wesentlichkeit der mit Blick auf diese Regelung allenfalls zu befürchtenden Einbußen der Beschwerdeführerin - nach deren eigenen Angaben 1,3 Mio DM im Verhältnis zu dem bisherigen Aufkommen an Konzessionsabgabe von insgesamt etwa 68,59 Mio DM im Jahre 1998 - und zum Regelungsmechanismus ist die Beschwerdeführerin nur unsubstantiiert entgegengetreten. | |
Soweit die Beschwerdeführerin außerdem eine steuerrechtliche Qualifizierung der Konzessionsabgabe als "verdeckte Gewinnausschüttung" fürchtet, weil und soweit die Stadtwerke nicht mehr in der Lage seien, den für eine steuerrechtlich unschädliche Leistung von Konzessionsabgaben erforderlichen Mindestgewinn zu erwirtschaften, ist im Hinblick auf die Auslegung und Handhabung der einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen, dass sowohl während des Gesetzgebungsverfahrens als auch nach Meinung der (jetzigen) Bundesregierung stets Einvernehmen darüber bestand, dass den Kommunen das bisherige Konzessionsabgabenaufkommen ungeschmälert erhalten bleiben solle. Dieser politische Wille wurde nicht zuletzt durch die Änderung der Konzessionsabgabenverordnung akzentuiert. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin selbst darauf verwiesen, dass "die Verschiebung zwischen Konzessionsabgabe und Gewinn... bei gleichbleibendem Rohüberschuss so lange keine Katastrophe (ist), solange die Stadtwerke zu 100% der Beschwerdeführerin gehören und solange der steuerliche Querverbund mit dem öffentlichen Nahverkehr hält." Da hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin insoweit erwähnten status quo nicht ersichtlich ist, dass dieser sich in absehbarer Zeit ändern könnte, und auch die weitere Aussage, der steuerliche Querverbund mit dem öffentlichen Nahverkehr stoße zunehmend auf europarechtliche Bedenken, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Gewicht hat, kann die behauptete Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung jedenfalls auch nicht aus dem Gesichtspunkt der "verdeckten Gewinnausschüttung" abgeleitet werden. | |
Die sonstigen Ausführungen der Beschwerdeführerin, etwa zur Einführung sogenannter Schwellenwerte und zu praktischen Schwierigkeiten der Umsetzung der geänderten Konzessionsabgabenverordnung erweisen sich als spekulativ oder unsubstantiiert. Gleiches gilt hinsichtlich der Behauptung einer Gefährdung der Konzessionsabgaben für die Lieferung von Gas. | |
c) Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist vorliegend auch deshalb nicht im Sinne von § 32 Abs.1 BVerfGG dringend geboten, weil die Stadtwerke - bzw die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihren unmittelbaren und mittelbaren Anteilsbesitz an den Stadtwerken von 100% durch entsprechende Einflussnahme auf die Stadtwerke - nicht den Versuch unternommen haben, das vorliegend verfolgte Rechtsschutzziel einstweiliger Sicherung durch Verweigerung der Abnahme des von Dritten anderweitig gekauften Stroms nach Maßgabe von § 7 Abs.2 Satz 2 iVm § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.3 EnWG zu erreichen. | |
aa) Die Stadtwerke der Beschwerdeführerin haben das sogenannte Alleinabnehmersystem nach § 7 EnWG gewählt. Gemäß § 7 Abs.2 Satz 1 EnWG ist allerdings ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das das Alleinabnehmersystem nach § 7 Abs.1 EnWG gewählt hat, verpflichtet, die Elektrizität abzunehmen, die ein Letztverbraucher, der im Gebiet ansässig ist, auf das sich die Bewilligung nach § 7 Abs.1 EnWG bezieht, bei einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gekauft hat. Nach Maßgabe von § 7 Abs.2 Satz 2 EnWG findet jedoch § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.3 EnWG entsprechende Anwendung. In entsprechender Anwendung des § 6 Abs.1 Satz 2 EnWG greift die Abnahmeverpflichtung demnach nicht ein, soweit das Elektrizitätsversorgungsunternehmen nachweist, dass ihm die Abnahme aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. § 6 Abs.3 EnWG konkretisiert den Begriff der Zumutbarkeit im vorstehenden Sinne ua dahin, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit besonders zu berücksichtigen ist, inwieweit dadurch Elektrizität aus fernwärmeorientierten, umwelt- und ressourcenschonenden sowie technisch-wirtschaftlich sinnvollen KWK-Anlagen verdrängt und ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Anlagen verhindert würde, wobei Möglichkeiten zum Verkauf dieser Elektrizität an Dritte zu nutzen sind. Die Ablehnung der Abnahme ist gemäß § 6 Abs.1 Satz 3 EnWG schriftlich zu begründen; § 19 Abs.4 und § 20 Abs.1 und 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt (§ 6 Abs.1 Satz 4 EnWG). | |
Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist insbesondere, wegen der Bedeutung der Schonung der Ressourcen und des Umweltschutzes zu verhindern, dass eine energiewirtschaftlich förderungswürdige Art der Stromerzeugung infolge von Durchleitungen von Strom aus anderen Kraftwerkstypen verdrängt wird, die die Effekte der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes im Vergleich zu den in § 6 Abs.3 EnWG aufgeführten Formen der Stromerzeugung nicht aufweisen können (vgl Büdenbender, Schwerpunkte der Energierechtsreform 1998, Rn.204; ders, Durchleitung elektrischer Energie nach der Energierechtsreform, RdE 1999, S.1 <4>). Freilich ist die vom Gesetzgeber aufgerichtete materielle Hürde für eine Durchleitungs- oder Abnahmeverweigerung wegen des Zieles, den Markt in der Elektrizitätswirtschaft mit Hilfe von Durchleitungen soweit wie möglich wettbewerblich zu öffnen, grundsätzlich relativ hoch (vgl. zu den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EnWG im Einzelnen Harms, Zur Anwendung der Schutzklauseln für Öko-, KWK- und Braunkohlestrom im Neuregelungsgesetz vom 24.04.1998, RdE 1999, S.165 <169 ff>); sie wird zudem von der formellen Voraussetzung einer schriftlichen Begründung der Ablehnung nach § 6 Abs.1 Satz 3 EnWG flankiert. Andererseits werden aber KWK-Anlagen durch § 6 Abs.3 EnWG ausdrücklich und hervorgehoben privilegiert. | |
Eindeutig ist die Bedeutung von § 6 Abs.3 EnWG, wenn die Verdrängung der dort erfassten, energiepolitisch besonders förderungswürdigen Formen der Stromerzeugung in Anlagen der Netzbetreiber selbst erfolgt, da in diesem Fall - wie bei den Stadtwerken der Beschwerdeführerin - potentielle Durchleitungspflicht/Abnahmepflicht und Betroffenheit im Erzeugungsbereich zusammenfallen (vgl Büdenbender, Durchleitung elektrischer Energie nach der Energierechtsreform, RdE 1999, S.1 <5>). § 6 Abs.3 EnWG schützt allerdings nicht die individuellen Interessen des Netzbetreibers; vielmehr wird mit dieser Vorschrift dem Allgemeininteresse an energiepolitisch förderungswürdiger Stromerzeugung entsprochen und der Netzinhaber insoweit nur reflexartig begünstigt; auch soweit der Netzbetreiber die Verdrängung der in § 6 Abs.3 EnWG erfassten Stromerzeugung in eigenen Anlagen geltend macht, wird dadurch das Interesse der Allgemeinheit an dem Erhalt förderungswürdiger Stromerzeugung geschützt (vgl Büdenbender, Durchleitung elektrischer Energie nach der Energierechtsreform, RdE 1999, S.1 <5>). Im Übrigen wird im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin befürchteten "stranded costs" in der Literatur die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der bei der Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmenden Interessenabwägung grundsätzlich das Interesse an der Amortisation der in der Vergangenheit getätigten Investitionen
eingestellt werden kann; dies jedenfalls dann, wenn es sich um Investitionen handelt, die das jeweilige Energieversorgungsunternehmen zur Aufrechterhaltung einer sicheren, preiswürdigen und umweltverträglichen Energieversorgung für erforderlich halten durfte (vgl Walter/v Keussler, Der diskriminierungsfreie Zugang zum Netz: Reichweite des Anspruchs auf Durchleitung (Teil 2), RdE 1999, S.223 <225 f.>). § 6 Abs.3 EnWG dürfte mit Blick auf die in § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG angesprochenen kartellrechtlichen Vorschriften der Missbrauchsaufsicht als energiepolitisches Abwägungskriterium auch im Rahmen einer parallelen kartellrechtlichen Prüfung zu beachten sein (vgl Büdenbender, Durchleitung elektrischer Energie nach der Energierechtsreform, RdE 1999, S.1 <10 f.>; Walter/v Keussler, Der diskriminierungsfreie Zugang zum Netz: Reichweite des Anspruchs auf Durchleitung | |
bb) Nach den soeben dargestellten gesetzlichen Regelungen kann das bisherige Monopol-Elektrizitätsversorgungsunternehmen unter Berufung auf eine (nachweisliche) Unzumutbarkeit die Abnahme des von einem Letztverbraucher bei einem anderen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gekauften Stroms verweigern; es hat diese Ablehnung der Abnahme schriftlich zu begründen. Soweit die Voraussetzungen für die Ablehnung tatsächlich nachgewiesen und entsprechend begründet sind, wird der Wettbewerb im Gebiet des (bisherigen Monopol-) Elektrizitätsversorgungsunternehmens entsprechend eingeschränkt oder auch gänzlich ausgeschlossen. Das hat zur Folge, dass das die Abnahme verweigernde Elektrizitätsversorgungsunternehmen - jedenfalls in der Tendenz - weiterhin Strompreise erzielen kann, die - zumindest - kostendeckend sind. | |
Dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen, das die Abnahme verweigert, steht zum einen die zuständige Kartellbehörde gegenüber; diese kann - soweit sie zu der Auffassung gelangt, die Verweigerungsvoraussetzungen lägen nicht vor - eine Untersagungsverfügung nach § 32 GWB iVm § 19 Abs.1, 4 GWB erlassen. Zum anderen sind betroffen konkurrierende Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Letztverbrauchern im betroffenen Gebiet Energie verkaufen wollen; diese könnten etwa einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch nach Maßgabe von § 33 GWB geltend machen. Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen erreicht aber schon mit einer schlichten Ablehnung unmittelbar - jedenfalls zunächst - den angestrebten - vorliegend mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend gemachten - Schutz. Sollten Kartellbehörde oder Konkurrenten mit der Abnahmeverweigerung nicht einverstanden sein, liegt es an ihnen, aktiv zu werden. | |
cc) Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Argumentation der Beschwerdeführerin zur Situation ihrer Stadtwerke, so macht sie einen für die Regelung des § 7 Abs.2 Satz 2 iVm § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.3 EnWG geradezu prototypischen Sachverhalt einer möglichen Unzumutbarkeit der Stromabnahme von Dritten geltend. Aus Sicht der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Stadtwerke erscheint es daher naheliegend, den für diesen Fall gesetzlich eröffneten Weg zu beschreiten, der Kartellbehörde und den Konkurrenten gegebenenfalls die weiteren Schritte zu überlassen und eine "Insel ohne oder mit nur eingeschränktem Wettbewerb" zu begründen. Dies dürfte auch technisch für die Stadtwerke der Beschwerdeführerin unproblematisch sein, da ihr Stromnetz nach eigenem Bekunden der Beschwerdeführerin "in jeder Hinsicht als 'Insel mit Eigenversorgung' ausgestaltet worden (ist) und... als solche betrieben (wird)". | |
Die erforderliche schriftliche Begründung nach § 6 Abs.1 Satz 3 EnWG dürfte den Stadtwerken der Beschwerdeführerin angesichts der vorliegend erhobenen Verfassungsbeschwerde nicht schwer fallen; eine Abnahmeverweigerung erscheint auf der Grundlage des umfassenden Vortrags der Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Frage, ob sie in einem möglichen Streit mit der Kartellbehörde oder Konkurrenzunternehmen Bestand haben kann, keinesfalls offensichtlich aussichtslos. | |
Soweit die Beschwerdeführerin zur Frage einer Abnahmeverweigerung darauf verweist, der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit lasse sich nur schwer führen, kann daraus nicht bereits geschlussfolgert werden, dass dieser Nachweis nicht möglich ist. Der weiter angeführte Gesichtspunkt, dass das "BMWi, dem sich das Bundeskartellamt offenbar anschließt" eine bestimmte Rechtsauffassung zur Schutzklausel des § 6 Abs.3 EnWG vertrete, die eine restriktive Handhabung bzw. einengende Auslegung derselben zur Folge habe, ist ungeeignet, die behauptete "rechtliche Unwirksamkeit" des gesetzlich geregelten Schutzmechanismus zu untermauern. Trotz der behaupteten Schwierigkeit der notwendigen Nachweisführung verweist die Beschwerdeführerin selbst darauf, dass der Nachweis der Voraussetzungen für eine Abnahmeverweigerung "... allerdings von Kunde zu Kunde, die sich einen neuen Versorger suchen, sicher besser gelingen (würde), insbesondere, wenn in Summe so viele Kunden verloren gingen, dass das erste Kraftwerk aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden müsste. ..." Die Stadtwerke der Beschwerdeführerin haben aber nach deren Vortrag bereits ein Kraftwerk - HKW II A - stillgelegt. Der eigenen Argumentation der Beschwerdeführerin folgend hätte mithin der notwendige Nachweis spätestens nach dieser Stilllegung erheblich leichter erbracht werden können. Dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 16.März 2000 zufolge hat der Vorstand der Stadtwerke dem Aufsichtsrat zwischenzeitlich sogar die Stilllegung zweier weiterer Kraftwerke vorgeschlagen. Hervorzuheben ist ferner, dass die Abnahme bei jedem weiteren Abnahmebegehren Dritter unter Berufung auf eine insoweit geänderte Sachlage erneut abgelehnt werden könnte. | |
Das Argument, ein Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung durch § 6 Abs.3 EnWG erweise sich als faktisch unmöglich, denn Durchleitungsverweigerungsrechte seien dafür im Hinblick auf eine Gefährdung des Wirtschaftsstandorts grundsätzlich ungeeignet, greift jedenfalls im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht durch. In dem hier zu erwartenden und mit einer einstweiligen Anordnung zu sichernden Zeitraum zwischen dem Eingang der Verfassungsbeschwerde und der Entscheidung in der Hauptsache dürfte eine Verlagerung eines Unternehmens wegen anderenorts niedrigerer Strompreise aus Wirtschaftlichkeitserwägungen regelmäßig nicht in Betracht kommen. Die Beschwerdeführerin hat hierzu auch nichts Konkretes vorgetragen. | |
d) Sowohl der Hauptantrag als auch die Hilfsanträge sind hinsichtlich der räumlichen Reichweite der begehrten vorläufigen Regelung unbeschränkt. Zum unmittelbaren Schutz der Stadtwerke der Beschwerdeführerin und der Sicherung der Einnahmesituation der Beschwerdeführerin selbst bedarf es aber keiner Aussetzung der angegriffenen gesetzlichen Regelungen im gesamten Bundesgebiet. Die Interessen der Beschwerdeführerin könnten auch durch einen vom Wettbewerb ausgenommenen "Inselbetrieb" - analog § 6 Abs.1 Satz 2 bis 4, Abs.3 EnWG - gewahrt werden (vgl oben unter II.2.c>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 27.04.00, - 2_BvR_801/99 -, www.BVerfG.de, Abs.24 ff | |
§§§ | |
00.019 | Zweithörer-Fall I |
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Zur Verwertbarkeit von Angaben eines Beschuldigten in einem Strafverfahren, die dieser aus Anlass eines von der Polizei initiierten Telefonats gegenüber einem Dritten gemacht hat (so genannter Zweithörer-Fall) (vgl auch Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2000 - 2_BvR_1990/96)) | |
§§§ | |
00.020 | Zweithörer-Fall II |
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LB 1) Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a BVerfGG nicht vorliegen. Unter anderem wurde bemängelt, dass | |
LB 2) Weiter wurde bemängelt, dass der Beschwerdeführer nichts vorgetragen habe, aus welchen Gründen es verfassungsrechtlich geboten sein soll, den Schutz vor Selbstbezichtigung auch auf die Fälle auszudehnen, in denen der Beschuldigte in vernehmungsähnlichen Situationen oder durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gezielt zu selbstbelastenden Äußerungen veranlasst wird. | |
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T-00-13 | Verfassungsbeschwerde - unzureichende Begründung |
"Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie in Ermangelung einer den Anforderungen der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden Begründung unzulässig ist. Es fehlt ihr an einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zu der Vorlagefrage sowie der Revisionsentscheidung des 5.Strafsenats des Bundesgerichtshofs und deren jeweiliger konkreter Begründung (vgl BVerfG, NVwZ 1998, S.949); die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten ist ihr nicht zu entnehmen. | |
1. Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ist in seinem Beschluss über die Vorlage, der Grundlage für die Revisionsentscheidung war, davon ausgegangen, dass das Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses jener Gefahr für die Vertraulichkeit der Mitteilung begegnen soll, die sich gerade aus der Einschaltung eines Übermittlers ergibt, es mithin die den Netzbetreibern zur Übermittlung anvertrauten Kommunikationsvorgänge und -inhalte gegen jede staatliche Einschaltung nur so weit und solange schützt, wie die technischen Einrichtungen des Netzbetreibers für den Kommunikationsvorgang in Anspruch genommen werden (vgl BVerfGE_85,386 <397 ff>; BVerfGE_100,313 <359> ). Das Vorbringen des Beschwerdeführers lässt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Mithören eine "Einschaltung" in den Kommunikationsvorgang darstellen kann, obwohl es keiner Mitwirkung des Netzbetreibers bedarf und insoweit eine andere Eingriffstypik aufweist, vermissen. Darüber hinaus versäumt es der Beschwerdeführer, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob und unter welchen Voraussetzungen das einseitig oder beidseitig erklärte Einverständnis der Fernsprechteilnehmer mit der Weitergabe der Informationen einen möglichen Eingriff in das Grundrecht des Art.10 GG rechtfertigt. | |
2. Auch soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den aus Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG hergeleiteten Grundsatz des Verbots der Selbstbelastung behauptet, setzt er den Argumenten des Bundesgerichtshofs nichts entgegen. Seine Begründung der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich insoweit ausschließlich auf den Einwand, der nemo-tenetur-Grundsatz sei umgangen worden, weil er auch vor staatlich veranlasster irrtumsbedingter Selbstbelastung schütze. Zu den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu dem Unterschied zwischen Irrtum und Zwang sowie zum Inhalt und Schutzbereich der Aussagefreiheit und ihren in den Motiven des Beschuldigten zu seiner Äußerung liegenden Grenzen nimmt der Beschwerdeführer keine Stellung. Aus welchen Gründen es verfassungsrechtlich geboten sein soll, den Schutz vor Selbstbezichtigung auch auf die Fälle auszudehnen, in denen der Beschuldigte in vernehmungsähnlichen Situationen oder durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gezielt zu selbstbelastenden Äußerungen veranlasst wird, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. | |
3. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer es versäumt, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob und welche Konsequenzen sich aus einem möglichen Grundrechtseingriff ergeben und welche Folgerungen aus der von ihm angenommenen Unzulässigkeit des Mithörens im Ermittlungsverfahren für die Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse in der Hauptverhandlung gezogen werden sollen. Aus der bloßen Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung folgt nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot. Um dem Substantiierungserfordernis der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG Rechnung zu tragen, hätte der Beschwerdeführer auf diese Frage eingehen müssen sowie darauf, inwiefern die Ablehnung eines Verwertungsverbots verfassungsrechtlich verbürgte Rechte des Beschwerdeführers verletze (vgl. Beschlüsse der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9.März 2000 - 2 BvR 1087/91 - und vom 1.März 2000 - 2 BvR 2017/94 ua -). Eine Befassung mit diesen Problemstellungen wäre umso mehr erforderlich gewesen, als der Bundesgerichtshof in einem abgestuften Abwägungsvorgang die Grenzen der Zulässigkeit des verdeckten Einsatzes von Privatpersonen auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips gezogen hat." | |
Auszug aus BVerfG B, 27.04.00, - 2_BvR_1990/96 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.5 ff | |
§§§ | |
00.021 | Selbstablehnung-Papier |
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LB 1) Die Selbstablehnung eines Richters iSd § 19 Abs.3 BVerfGG setzt nicht voraus, dass der Richter sich selbst für befangen hält. Es genügt, dass er Umstände anzeigt, die Anlass geben, eine Entscheidung über die Besorgnis seiner Befangenheit zu treffen. | |
LB 2) Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE_98,134 <137>; stRspr). | |
LB 3) Stützt der Beschwerdeführer seine Verfassungsbescherde auf frühere wissenschaftliche Äußerungen eines Verfassungsrichters können bei lebensnaher Betrachtungsweise Gründe vorliegen eine Besorgnis wegen Unbefangenheit zu wecken. Bei dieser Sachlage ist im Wege einer Gesamtschau aller geschilderter Umstände zu entscheiden. | |
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T-00-14 | Gutachten für Beschwerdeführer |
"1. Bei der Erklärung des Vizepräsidenten Papier handelt es sich um eine Selbstablehnung im Sinne des § 19 Abs.3 BVerfGG. Diese Regelung setzt nicht voraus, dass der Richter sich selbst für befangen hält. Es genügt, dass er Umstände anzeigt, die Anlass geben, eine Entscheidung über die Besorgnis seiner Befangenheit zu treffen (vgl BVerfGE_95,189 <191>; BVerfGE_98,134 <137>). Die Erklärung des Richters lässt erkennen, dass er eine Senatsentscheidung über die Besorgnis seiner Befangenheit für erforderlich hält. Die mitgeteilten Umstände geben dazu auch objektiv Anlass. | |
2. Die Selbstablehnung ist begründet. | |
a) Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE_98,134 <137>; stRspr). Wissenschaftliche Äußerungen zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage können für sich genommen kein Befangenheitsgrund sein. Es muss, wenn es um die Beurteilung solcher Äußerungen geht, etwas Zusätzliches hinzutreten, das über die in § 18 Abs.3 BVerfGG als unbedenklich bezeichneten Tätigkeiten hinausgeht, damit eine Besorgnis der Befangenheit als begründet erscheinen kann (vgl BVerfGE_82,30 <38>). So können rechtlich erhebliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters aufkommen, wenn dessen wissenschaftliche Tätigkeit die Unterstützung eines am Verfahren Beteiligten bezweckte. Die Sorge, dass der Richter die streitige Rechtsfrage nicht mehr offen und unbefangen beurteilen werde, ist dann bei lebensnaher Betrachtungsweise verständlich (vgl BVerfGE_98,134 <137 f.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6.Juli 1999 - 2 BvF 2/98, 3/98, 1/99 und 2/99 -, NJW 1999, S.2801). | |
b) Ein solcher Fall ist hier gegeben. Das von Vizepräsident Papier im Dezember 1995 fertig gestellte Rechtsgutachten ist im Auftrag der Beschwerdeführerin zu 1 zwar vor Einleitung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, aber zu einem Zeitpunkt erstattet worden, als bereits ernsthaft mit der endgültigen Veränderung der Rechtslage zum Nachteil der Beschwerdeführer zu rechnen war. Die Beschwerdeführerin zu 1 konnte das daraus entnehmen, dass sie vom Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 8.November 1995 kurzfristig zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Spielbankengesetzes vom Februar 1995 angehört worden war. Aus der Sicht der Beteiligten liegt unter diesen Umständen die Annahme nahe, dass die Beschwerdeführerin zu 1, die in ihrer Stellungnahme vom 22.November 1995 zu dem Gesetzentwurf ihre Absicht angekündigt hatte, nach eingehender rechtlicher Prüfung die hiergegen zu Gebote stehenden Rechtsmittel zu ergreifen, mit dem Gutachten von Vizepräsident Papier ihr Vorgehen gegen die Verstaatlichung ihres Spielbankenbetriebs unterstützen wollte. Dementsprechend haben die Beschwerdeführer ihre Argumentation zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde auch auf das mit der Beschwerdeschrift vorgelegte Rechtsgutachten gestützt und sich dessen Inhalt in vollem Umfang zu Eigen gemacht. | |
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der Auftrag für die Erstattung des Gutachtens nach der Erklärung von Vizepräsident Papier ergebnisoffen übernommen worden ist. Denn aus früheren wissenschaftlichen Äußerungen des beauftragten Gutachters (Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Benda/ Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2.Aufl 1994, § 18 Rn.39, 43) war für die Beschwerdeführerin zu 1 erkennbar, dass dieser neue staatliche Finanzmonopole als mit Art.12 Abs.1 GG unvereinbar und Verwaltungsmonopole nur in seltenen Ausnahmefällen als verfassungsgemäß ansah. | |
Bei dieser Sachlage, die sich im Wege einer Gesamtschau aller geschilderten Umstände ergibt, liegen Gründe vor, die bei lebensnaher Betrachtungsweise geeignet sind, Besorgnis wegen der Unbefangenheit des Vizepräsidenten Papier zu wecken. Auch der Richter selbst hält es für nachvollziehbar, dass Dritte und damit auch Beteiligte des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen könnten." | |
Auszug aus BVerfG B, 10.05.00, - 1_BvR_539/96 -, www.BVerfG.de, Abs.6 ff | |
§§§ | |
00.022 | Patientenkartei |
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LB 1) Der beanspruchte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist nicht darauf gerichtet, den Arzt vor einer strafrechtlichen Verurteilung zu schützen. | |
LB 2) Die Annahme der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft durchführt, dürfe die Entscheidung über das Vorliegen einer Notlagenindikation letztlich der Patientin überlassen, entspricht nicht dem Gesetz. | |
§§§ | |
00.023 | Lohnersatzleistungen |
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1) Der Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) gebietet, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung von kurzfristigen beitragsfinanzierten Lohnersatzleistungen, wie beispielsweise Arbeitslosengeld und Krankengeld, berücksichtigt wird, wenn es zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird (wie BVerfGE_92,53). | |
2) Das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12.Dezember 1996 (BGBl I Seite 1859) genügt dieser verfassungsrechtlichen Anforderung nicht. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.024 | Bananenmarktordnung |
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1) Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE_73,339 <378 bis 381>) unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei. | |
2) Deshalb muss die Begründung der Vorlage oder einer Verfassungsbeschwerde im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist. Dies erfordert eine Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene in der Art und Weise, wie das Bundesverfassungsgericht sie in BVerfGE_73,339 (378 bis 381) geleistet hat. | |
LB 3) Vorlagen (von Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts an das Bundesverfassungsgericht) nach Art.100 Abs.1 GG sind unzulässig (BVerfGE_73,339 <387>). | |
LB 4) Der Europäische Gerichtshof sei unter den Voraussetzungen, die der Senat in BVerfGE_73,339 - Solange II - formuliert hat, auch für den Grundrechtsschutz der Bürger der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Akten der nationalen (deutschen) öffentlichen Gewalt, die auf Grund von sekundärem Gemeinschaftsrecht ergehen, zuständig. | |
LB 5) Das Bundesverfassungsgericht werde erst und nur dann im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit wieder tätig, wenn der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsstandard verlassen sollte, den der Senat in BVerfGE_73,339 (378 bis 381) festgestellt hat. | |
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T-00-15 | Vorlageverfahren |
"Vorlagen zu Regelungen des sekundären europäischen Gemeinschaftsrechts zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht entsprechend Art.100 Abs.1 GG sind nur dann zulässig, wenn ihre Begründung im Einzelnen darlegt, dass die gegenwärtige Rechtsentwicklung zum Grundrechtsschutz im europäischen Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, den jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet. | |
Das vorlegende Gericht hat zwar in einer den Anforderungen des § 80 Abs.2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise seine Überzeugung dargelegt, dass und aus welchen Gründen es die Anwendung der vorgelegten Rechtsvorschriften für verfassungswidrig hält (vgl BVerfGE_37,328 <333 f>; BVerfGE_66,265 <269 f>; BVerfGE_84,160 <165>; BVerfGE_86,52 <57> ). Seine Auffassung, dass die von ihm zu treffende Entscheidung von der Beantwortung der vorgelegten Frage abhänge, kommt im Vorlagebeschluss auch deutlich zum Ausdruck (vgl BVerfGE_97,49 <60>; BVerfGE_98,169 <199>). Ihm kann aber nicht darin gefolgt werden, dass die von ihm beanstandeten Vorschriften der Art.17 bis 19 und Art.21 Abs.2 der VO (EWG) Nr.404/93 sowie weitere Regelungen des sekundären Gemeinschaftsrechts dem Bundesverfassungsgericht entsprechend Art.100 Abs.1 GG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt werden könnten. | |
1. Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 29.Mai 1974 - 2 BvL 52/71 - (BVerfGE_37,271 - Solange I -) in tatsächlicher Hinsicht das Ergebnis gewonnen, der Integrationsprozess der Gemeinschaft sei noch nicht so weit fortgeschritten, dass das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthalte, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat sei. Aus diesem Grunde erachtete er die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren nach Einholung der im damals geltenden Art.177 EWGV geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für zulässig und geboten, wenn das Gericht die entscheidungserhebliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert (BVerfGE_37,271 <285>). | |
2. a) Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 22.Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - (BVerfGE_73,339 - Solange II -) entschieden, mittlerweile sei im Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften ein Maß an Grundrechtsschutz erwachsen, das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im Wesentlichen gleich zu achten sei. Es bestünden keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der erreichte gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard nicht hinreichend gefestigt und lediglich vorübergehender Natur sei (BVerfGE_73,339 <378>). | |
Der Senat hat ausgehend von einzelnen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Feststellungen zum Grundrechtsstandard auf europäischer Ebene getroffen, der vor allem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften inhaltlich ausgestaltet worden, gefestigt und zureichend gewährleistet sei (BVerfGE_73,339 <378 bis 381>). Er hat hierbei zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den auf das Wirtschaftsleben bezogenen Grundrechten und Grundfreiheiten, wie Eigentum und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (aaO, S.380), aber auch zur Vereinigungsfreiheit, zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und zum Willkürverbot, zur Religionsfreiheit oder zum Schutz der Familie sowie zu den rechtsstaatlichen Grundsätzen des Übermaßverbots und zur Verhältnismäßigkeit als allgemeine Rechtsgrundsätze bei der Abwägung zwischen den Gemeinwohlzielen der Gemeinschaftsrechtsordnung und zur Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte Stellung genommen (aaO, S.380). | |
Der Senat hat zusammenfassend festgestellt: Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen. Vorlagen (von Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts an das Bundesverfassungsgericht) nach Art.100 Abs.1 GG sind deshalb unzulässig (BVerfGE_73,339 <387>). | |
b) Hieran hat der Senat auch im Maastricht-Urteil (BVerfGE_89,155) festgehalten. Der Senat betont dort, das Bundesverfassungsgericht gewährleiste durch seine Zuständigkeit in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof, dass ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten sei, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürge. Das Bundesverfassungsgericht sichere so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (BVerfGE_89,155 <174 f> unter Hinweis auf BVerfGE_37,271 <280 ff> und BVerfGE_73,339 <376 f, 386>). Der Europäische Gerichtshof sei unter den Voraussetzungen, die der Senat in BVerfGE_73,339 - Solange II - formuliert hat, auch für den Grundrechtsschutz der Bürger der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Akten der nationalen (deutschen) öffentlichen Gewalt, die auf Grund von sekundärem Gemeinschaftsrecht ergehen, zuständig. Das Bundesverfassungsgericht werde erst und nur dann im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit wieder tätig, wenn der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsstandard verlassen sollte, den der Senat in BVerfGE_73,339 (378 bis 381) festgestellt hat. | |
c) Art.23 Abs.1 Satz 1 GG (eingefügt durch Gesetz vom 21.Dezember 1992 - BGBl I S.2086 -) hat diese Rechtsprechung bekräftigt. Die Bundesrepublik Deutschland wirkt hiernach zur Verwirklichung eines vereinten Europas bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz im Wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Ein deckungsgleicher Schutz in den einzelnen Grundrechtsbereichen des Grundgesetzes durch das europäische Gemeinschaftsrecht und die darauf fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht gefordert. Den verfassungsrechtlichen Erfordernissen ist entsprechend den in BVerfGE_73,339 (340, 387) genannten Voraussetzungen genügt, wenn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. | |
d) Sonach sind auch nach der Entscheidung des Senats in BVerfGE_89,155 Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung (BVerfGE_73,339 <378 bis 381>) unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei. Deshalb muss die Begründung der Vorlage eines nationalen Gerichts oder einer Verfassungsbeschwerde, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend macht, im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist. Dies erfordert eine Gegenüberstellung des Grundrechtsschutzes auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene in der Art und Weise, wie das Bundesverfassungsgericht sie in BVerfGE_73,339 (378 bis 381) geleistet hat. III. | |
Hieran fehlt es. | |
1. Die Begründung der Vorlage verfehlt die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung bereits im Ansatz, weil sie auf einem Missverständnis des Maastricht-Urteils beruht. Das vorlegende Gericht meint, das Bundesverfassungsgericht übe seine Prüfungsbefugnis nach dem Maastricht-Urteil entgegen der Solange II-Entscheidung ausdrücklich wieder aus, wenn auch in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof. | |
Diese Aussage kann dem Maastricht-Urteil nicht entnommen werden. Der Senat zitiert an der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Stelle ausdrücklich seine Solange II-Entscheidung mit den Ausführungen, welche die beschränkte Ausübung seiner Gerichtsbarkeit formulieren. Dass der Senat im Maastricht-Urteil weder an dieser noch an anderer Stelle seine in BVerfGE_73,339 niedergelegte Auffassung über die Abgrenzung der Rechtsprechungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs im Verhältnis zum Bundesverfassungsgericht und umgekehrt aufgegeben hat, wird auch an den vorausgehenden Erwägungen (BVerfGE_89,155 <174 f>) deutlich. Schließlich erörtert der Senat diese Fragen im Abschnitt über die Zulässigkeit des Verfassungsrechtsbehelfs, nicht hingegen in dem über die Begründetheit (BVerfGE_89,155 <174, 2.am Anfang>). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme eines Widerspruchs zwischen den Entscheidungen Solange II und Maastricht ohne tragfähige Grundlage. | |
2. Im vorliegenden Fall bestand über diese Anforderungen hinaus besonderer Anlass zu eingehenden Ausführungen hinsichtlich einer negativen Entwicklung des Grundrechtsstandards in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat nämlich in seinem nach Erlass des Vorlagebeschlusses ergangenen Urteil vom 26.November 1996 (Rs.C-68/95 - T Port GmbH & Co KG/Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung -, Slg. 1996, I-6065) die Kommission nach Art.30 VO 404/93 zum Erlass aller für erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen verpflichtet. Solche Übergangsmaßnahmen müssten die Lösung der Probleme ermöglichen, die nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation eingetreten seien, ihren Ursprung jedoch in dem Zustand der nationalen Märkte vor Erlass der Verordnung hätten. Auf diese Entscheidung und mögliche Folgerungen für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses wurde das vorlegende Gericht vom Bundesverfassungsgericht eigens aufmerksam gemacht. | |
Das vorlegende Gericht hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Unzulänglichkeit seiner Vorlagebegründung erkennen und diese beheben müssen (vgl BVerfGE_51,161 <163 ff>; BVerfGE_85,191 <203> ). Hierzu war die Antwort allein durch den Kammervorsitzenden bereits formal nicht ausreichend; denn ebenso wie dieser als Mitglied eines Kollegialspruchkörpers den Vorlagebeschluss allein nicht fassen darf (vgl. hierzu schon BVerfGE_1,80 <81 f>; BVerfGE_21,148 <149> ), geht es nicht an, dass nur er die Zulässigkeit der Vorlage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht begleitet und beobachtet. Auch inhaltlich gehen seine Ausführungen fehl. Sie setzen sich mit der Begründung des Vorlagebeschlussses in Widerspruch, der vor allem auch das Fehlen von Übergangsmaßnahmen bemängelt und daraus die Verfassungswidrigkeit der Verordnung 404/93 hergeleitet hat. Allerdings wäre es dem Verwaltungsgericht nicht möglich gewesen, vor dem Hintergrund dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein generelles Absinken des Grundrechtsstandards in dessen Rechtsprechung herzuleiten. | |
Zudem hätte das Verwaltungsgericht sehen müssen, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs der Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 25.Januar 1995 - 2_BvR_2689/94 und 2_BvR_52/95 - (EuZW 1995, S.126) vorausgegangen ist. Der Europäische Gerichtshof hat die aus der Eigentumsgewährleistung folgende Notwendigkeit einer vorläufigen Härteregelung ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht beurteilt. Beide Entscheidungen verdeutlichen damit ein Ineinandergreifen des gerichtlichen Grundrechtsschutzes auf europäischer Ebene durch nationale Gerichte und Gerichte der Gemeinschaft." | |
Auszug aus BVerfG B, 07.06.00, - 2_BvL_1/97 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.54 ff | |
§§§ | |
00.025 | Entfernung aus dem Dienst |
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LB 1) Art.2 Abs.1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip garantiert das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl BVerfGE_57,250 <274 f>; BVerfGE_75,183 <190 f> | |
LB 2) Das Recht auf ein faires Verfahren als eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das in der Verfassung nur zum Teil näher konkretisiert ist, enthält keine im Einzelnen bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung eines Verfassungsgrundsatzes zu wählen. | |
LB 3) Erst wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus diesem allgemeinen Prozessgrundrecht konkrete Forderungen für die Ausgestaltung des Strafverfahrens im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens gezogen werden (vgl BVerfGE_57,250 <275 f>; BVerfGE_77,65 <76>; | |
LB 4) Der Grundsatz fairer Verfahrensführung verwehrt es den Gerichten deshalb generell, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten abzuleiten (BVerfGE_75,183 <190>; BVerfGE_78,123 <126>. | |
LB 5) Das Bundesverwaltungsgericht genügt mit seiner im Hinblick auf das Merkmal "Zueignungsabsicht" vom Truppendienstgericht abweichenden tatrichterlichen Beurteilung des disziplinarrechtlich geahndeten Verhaltens des Beschwerdeführers der ihm von Amts wegen gemäß den §§ 118, 102 Abs.1 WDO aufgegebenen Pflicht zur Erforschung der Wahrheit nicht. | |
LB 6) Das prozessuale Grundrecht auf ein rechtsstaatlich effektives und faires Verfahren erfordert im vorliegenden Einzelfall eine weitere Sachverhaltsaufklärung, weil nur die auf zureichender Tatsachengrundlage gewonnene Erkenntnis über den Zueignungswillen des Beschwerdeführers an dem von ihm zurückbehaltenen Geld die verhängte disziplinare Höchstmaßnahme unter Verhältnismäßigkeitskriterien rechtfertigen kann. | |
LB 7) Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht setzt die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme gegenüber Beamten oder Soldaten auf Grund von Dienstvergehen, die den Zugriff auf ihnen dienstlich anvertraute Gelder oder Vermögenswerte betreffen, regelmäßig die Strafbarkeit der begangenen Tathandlung voraus. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
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T-00-16 | Faires Verfahren |
"Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine wehrdisziplinargerichtliche Entscheidung, durch die dem Beschwerdeführer, einem früheren Berufssoldaten im Rang eines Hauptfeldwebels, das Ruhegehalt aberkannt wird. | |
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs.2 Buchstabe b und § 93c Abs.1 Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Kammer ist zur Sachentscheidung berufen, weil das Bundesverfassungsgericht die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist. | |
1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires disziplinargerichtliches Verfahren. | |
a) Art.2 Abs.1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip garantiert das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren (vgl BVerfGE_57,250 <274 f>; BVerfGE_75,183 <190 f>; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.Dezember 1995 - 2 BvR 2033/95 -, NJW 1996, S.1811 f). Der in der Rechtsprechung anerkannte Anspruch auf ein faires gerichtliches Verfahren gilt als generelles Prinzip in allen Prozessordnungen (vgl. für das Strafverfahren: BVerfGE_26,66 <71>; BVerfGE_57,250 <274>; für das Disziplinarverfahren: BVerfGE_38,105 <111> und Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.Juli 1992 - 2 BvR 1802/91 -, EuGRZ 1993, S.28 <36>; für das Zivilverfahren: BVerfGE_75,183 <191>; für das Verwaltungsstreitverfahren: Beschluss der 1.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12.März 1999 - 2 BvR 206/98 -, NVwZ 1999, Beilage, S.51 f.). | |
Das Bundesverfassungsgericht hat für das Strafverfahren entschieden, dass der allgemeine Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts voraussetzt, ohne die das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann. Das Recht auf ein faires Verfahren als eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das in der Verfassung nur zum Teil näher konkretisiert ist, enthält keine im Einzelnen bestimmten Gebote und Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zwischen möglichen Alternativen bei der normativen Konkretisierung eines Verfassungsgrundsatzes zu wählen. Erst wenn sich unter Berücksichtigung aller Umstände und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeiten ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus diesem allgemeinen Prozessgrundrecht konkrete Forderungen für die Ausgestaltung des Strafverfahrens im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens gezogen werden (vgl BVerfGE_57,250 <275 f>; BVerfGE_77,65 <76>; Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.August 1996 - 2 BvR 1304/96 -, NStZ 1997, S.94 f). Der Grundsatz fairer Verfahrensführung verwehrt es den Gerichten deshalb generell, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten abzuleiten (BVerfGE_75,183 <190>; BVerfGE_78,123 <126>; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.Dezember 1995 - 2 BvR 2033/95 -, NJW 1996, S.1811 f). | |
Für das Wehrdisziplinarverfahren hat das Bundesverfassungsgericht in dem Fall eines durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Major zum Hauptmann degradierten Berufssoldaten den Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren konkretisiert (Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.Juli 1992 - 2 BvR 1802/91 -, EuGRZ 1993, S.28). Dabei ist es verfassungsrechtlich um das Verhältnis von Meinungsfreiheit und der Verletzung soldatischer Dienstpflichten zu Kameradschaft und achtungswürdigem Verhalten gegangen. Das Bundesverfassungsgericht hat aus der freiheitssichernden Funktion des Grundrechts auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nach Art.2 Abs.1 GG iVm Art.20 Abs.3 GG für das Verhältnis von Disziplinarrecht und Meinungsfreiheit die Pflicht hergeleitet, "dass der Richter den Inhalt von Meinungsäußerungen unter Heranziehung des gesamten Kontextes einer Erklärung objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt und in der Begründung seiner Entscheidung erkennen lässt, dass er seine Einschätzung auf diese Weise gewonnen hat" (BVerfG, aaO, EuGRZ 1993, S.28 <36>). | |
b) Eine solche Aufklärungspflicht gilt nicht nur im Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Sie erstreckt sich auf alle für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme maßgeblichen Umstände. An diesen Grundsätzen gemessen, hält die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht der verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Sie verletzt den Anspruch des Beschwerdeführer auf ein faires Verfahren aus Art.2 Abs.1 GG iVm Art.20 Abs.3 GG. | |
Das Bundesverwaltungsgericht stellt im Ergebnis zwar zutreffend fest, dass der Beschwerdeführer durch die zunächst unvollständige Auszahlung von Verpflegungsgeldern in Höhe von insgesamt 574,00 DM an fünfzehn zur Entlassung anstehende Wehrpflichtige ein Dienstvergehen nach § 23 Abs.1 SG begangen hat. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt das Dienstvergehen disziplinarrechtlich als den von Zueignungswillen getragenen strafbaren Zugriff des Beschwerdeführers auf Eigentum und Vermögen des Dienstherrn, das ihm zur Verwaltung und Verwahrung anvertraut war. Diese für die verhängte disziplinare Höchstmaßnahme - hier: Aberkennung des Ruhegehalts - maßgebliche rechtliche Einordnung und Bewertung des Dienstvergehens als den "Versuch vorsätzlicher rechtswidriger Zueignung" an dem Geld beruht vorliegend auf keiner den Anforderungen an ein faires Verfahren genügenden Tatsachengrundlage. | |
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich für die Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich die unvollständig ausgekehrten Verpflegungsgelder zueignen wollen, nicht auf ein strafgerichtliches Urteil oder sonstige strafverfahrensrechtliche Maßnahmen - etwa nach § 153a StPO - stützen. Zu einem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer kam es nicht. Der Beschwerdeführer hatte das unvollständig ausgezahlte Geld noch nicht an sich genommen. Noch während des Auszahlungsvorgangs wurden die Falschauszahlungen bekannt; der Beschwerdeführer selbst kehrte die erforderlichen Nachzahlungen an die remonstrierenden Wehrpflichtigen aus. Nach den Feststellungen des Truppendienstgerichts konnte die dem Beschwerdeführer "zur Last gelegte Zueignungsabsicht nicht mit der für die Verurteilung notwendigen Sicherheit als nachgewiesen angesehen" werden. Zur Begründung wies das Truppendienstgericht darauf hin, dass kein nachprüfbares oder auch nur nachvollziehbares sonstiges Motiv für die fehlerhafte Auszahlung der Verpflegungsgelder erkennbar geworden sei. | |
Das Bundesverwaltungsgericht genügt mit seiner im Hinblick auf das Merkmal "Zueignungsabsicht" vom Truppendienstgericht abweichenden tatrichterlichen Beurteilung des disziplinarrechtlich geahndeten Verhaltens des Beschwerdeführers der ihm von Amts wegen gemäß den §§ 118, 102 Abs.1 WDO aufgegebenen Pflicht zur Erforschung der Wahrheit nicht. Ursächlich dafür ist, dass es an jeder strafgerichtlichen Aufklärung des Falls fehlt und dass das Bundesverwaltungsgericht, entgegen den Feststellungen des Ausgangsgerichts und ohne weitere eigene, darauf gerichtete Ermittlungen anzustellen, annimmt, der Beschwerdeführer habe bei den Falschauszahlungen mit Zueignungswillen gehandelt. Der Verletzung dieser tatrichterlichen Aufklärungspflicht kommt im Hinblick auf die dadurch regelmäßig zwangsläufig ausgelöste Folgewirkung - die Ahndung des Dienstvergehens mit der disziplinaren Höchstmaßnahme durch Aberkennung des Ruhegehalts - ausnahmsweise verfassungsrechtliches Gewicht zu. Das prozessuale Grundrecht auf ein rechtsstaatlich effektives und faires Verfahren erfordert im vorliegenden Einzelfall eine weitere Sachverhaltsaufklärung, weil nur die auf zureichender Tatsachengrundlage gewonnene Erkenntnis über den Zueignungswillen des Beschwerdeführers an dem von ihm zurückbehaltenen Geld die verhängte disziplinare Höchstmaßnahme unter Verhältnismäßigkeitskriterien rechtfertigen kann. | |
Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht (Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.Dezember 1988 - 2 BvR 1522/88 -; Beschluss der 3.Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20.Juni 1999 - 2 BvR 1079/98 -) und Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27.Januar 1987 - 2 WD 11.86 -, BVerwGE_83,273; Urteil vom 24.Januar 1996 - 2 WD 26.95 -, BVerwGE_103,290 und Urteil vom 23.Oktober 1996 - 1 D 55.96 -, BVerwGE_113,8) setzt die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme gegenüber Beamten oder Soldaten auf Grund von Dienstvergehen, die den Zugriff auf ihnen dienstlich anvertraute Gelder oder Vermögenswerte betreffen, regelmäßig die Strafbarkeit der begangenen Tathandlung voraus. | |
2. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs.2 BVerfGG. | |
Diese Entscheidung ist unanfechtbar." | |
Auszug aus BVerfG B, 14.06.00, - 2_BvR_993/94 -, www.BVerfG.de, Abs.1 ff | |
§§§ | |
00.026 | Kleidergeld |
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TH 1) Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung von Kleidergeld. | |
LB 2) Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, die durch die Aufhebung von § 142 Abs.1 Satz 2 Baden-Württembergisches Landesbeamtengesetz (LBG) und § 2 Polizeidienstkleidungsverordnung (PolDKlVO) vorgenommene Unterscheidung von Schutz- und Kriminalpolizeibeamten finde ihren sachlichen Grund darin, dass die Angehörigen der Schutzpolizei im Gegensatz zu den Beamten der Kriminalpolizei zum Tragen einer Uniform im Dienst verpflichtet seien; der Verwaltungsgerichtshof hat hierauf Bezug genommen. | |
LB 3) Mit dieser entscheidungserheblichen rechtlichen Erwägung hat sich der Beschwerdeführer nicht in erforderlicher Weise auseinander gesetzt. Damit hat er den Anforderungen der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG nicht Genüge getan. | |
LB 3) Die Differenzierung zwischen Schutzpolizeibeamten und Kriminalbeamten ist nach Auffassung der Fachgerichte sachlich gerechtfertigt, weil die Beamten der Schutzpolizei zum Tragen einer Uniform im Dienst verpflichtet sind. Diese Einschätzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
* * * | |
T-00-17 | Versagung von Kleidergeld |
"Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung von Kleidergeld. | |
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs.2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl BVerfGE_90,22 <25 f>). | |
1. Die vom Beschwerdeführer allein erhobene Rüge der Verletzung des Art.3 Abs.1 GG ist unzulässig. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, die durch die Aufhebung von § 142 Abs.1 Satz 2 Baden-Württembergisches Landesbeamtengesetz (LBG) und § 2 Polizeidienstkleidungsverordnung (PolDKlVO) vorgenommene Unterscheidung von Schutz- und Kriminalpolizeibeamten finde ihren sachlichen Grund darin, dass die Angehörigen der Schutzpolizei im Gegensatz zu den Beamten der Kriminalpolizei zum Tragen einer Uniform im Dienst verpflichtet seien; der Verwaltungsgerichtshof hat hierauf Bezug genommen. Mit dieser entscheidungserheblichen rechtlichen Erwägung hat sich der Beschwerdeführer nicht in erforderlicher Weise auseinander gesetzt. Damit hat er den Anforderungen der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG nicht Genüge getan (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27.September 1989 - 1_BvR_535/89 -, JURIS; Beschluss der 2.Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28.Juli 1999 - 1_BvR_124/99 -, JURIS). | |
2. Unabhängig hiervon hat die Rüge der Verletzung des Art.3 Abs.1 GG auch in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Differenzierung zwischen Schutzpolizeibeamten und Kriminalbeamten ist nach Auffassung der Fachgerichte sachlich gerechtfertigt, weil die Beamten der Schutzpolizei zum Tragen einer Uniform im Dienst verpflichtet sind. Diese Einschätzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Müssten die Angehörigen der Schutzpolizei ihre Dienstkleidung auf eigene Kosten beschaffen, entstünden für sie im Vergleich zu Kriminalbeamten, die ihre Privatkleidung auch im Dienst benutzen können, zusätzliche Aufwendungen. Da im Übrigen die Privatkleidung der Kriminalbeamten nach Einschätzung des Gesetzgebers, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken im Verfassungsbeschwerdeverfahren weder vorgetragen noch ersichtlich sind, während des Dienstes nicht stärker abgenutzt wird als die der übrigen Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst (vgl LTDrucks 12/2134, S.14), hält sich die Aufhebung der Vorschriften über die Gewährung eines Kleidergeldes an Beamte der Kriminalpolizei im Rahmen verfassungsrechtlich zulässiger Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. | |
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs.1 Satz 3 BVerfGG). | |
Diese Entscheidung ist unanfechtbar." | |
Auszug aus BVerfG B, 30.06.00, - 2_BvR_2425/99 -, www.BVerfG.de, Abs.1 ff | |
§§§ | |
00.027 | B 75 |
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Die Verwaltungszuständigkeit für "Bundesautobahnen und sonstige Bundesstraßen des Fernverkehrs" im Sinne von Art.90 Abs.2 GG reicht jedenfalls nicht weiter als die damit korrespondierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für "den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr" nach Art.74 Abs.1 Nr.22 GG. Dies begrenzt zugleich die Weisungsbefugnis im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung. | |
§§§ | |
00.028 | "Schule in Freiheit" |
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Das Verbot von Volksinitiativen über den Haushalt des Landes gemäß Artikel 41 Absatz 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein schließt alle Initiativen für Gesetze aus, die gewichtige staatliche Einnahmen oder Ausgaben auslösen und damit den Haushalt des Landes wesentlich beeinflussen. | |
§§§ | |
00.029 | Befangenheit |
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LB 1) Die Tatsache, dass in der von Richter Jentsch begründeten Rechtsanwaltskanzlei mit dessen Einverständnis Herr Manfred Kanther unter den in der dienstlichen Äußerung mitgeteilten Bedingungen seinen Beruf als Rechtsanwalt ausübt, vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu stützen. | |
LB 2) Bei vernünftiger Würdigung aus dem hier maßgeblichen Blickwinkel der in einem abstrakten Normenkontrollverfahren beteiligten Staatsorgane rechtfertigen solche möglichen mittelbaren Folgewirkungen einer anstehenden Entscheidung aber noch nicht die Besorgnis, der Richter Jentsch sei in Bezug auf den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens befangen (vgl hierzu BVerfGE_101,46 <53>). | |
* * * | |
T-00-18 | Richter Jensch |
"1. Bei der dienstlichen Äußerung des Richters Jentsch handelt es sich um eine Erklärung im Sinne des § 19 Abs.3 BVerfGG. Diese Regelung setzt nicht voraus, dass der Richter sich selbst für befangen hält. Es genügt, dass er Umstände anzeigt, die Anlass geben, eine Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit zu treffen (vgl BVerfGE_88,1 <3>; BVerfGE_88,17 <22>; BVerfGE_98,134 <137>; BVerfGE_101,46 <50> ). Die mitgeteilten Umstände geben zu einer Senatsentscheidung gemäß § 19 Abs.3 in Verbindung mit § 19 Abs.1 BVerfGG über die Besorgnis der Befangenheit des Richters Jentsch Anlass. | |
2. Der von dem Richter Jentsch mit dienstlicher Äußerung vom 8.Juni 2000 angezeigte Sachverhalt begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit. Es ist kein hinreichender Grund ersichtlich, der geeignet wäre, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters Jentsch auszulösen. | |
a) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters des Bundesverfassungsgerichts nach § 19 BVerfGG setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl BVerfGE_88,17 <22 f>; BVerfGE_99,51 <56>; BVerfGE_101,46 <50 f>). | |
Eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG kann nicht aus den allgemeinen Gründen hergeleitet werden, die nach der ausdrücklichen Regelung des § 18 Abs.2 und 3 BVerfGG einen Ausschluss von der Ausübung des Richteramts nicht rechtfertigen. Es wäre ein Wertungswiderspruch, könnte gerade auf diese Gründe dennoch eine Besorgnis der Befangenheit gestützt werden. Es muss etwas Zusätzliches gegeben sein, das über die in § 18 Abs.2 und 3 BVerfGG genannten Umstände hinausgeht, damit eine Besorgnis der Befangenheit als begründet erscheinen kann (vgl BVerfGE_88,17 <23>). | |
b) Hieran gemessen vermag die Tatsache, dass in der von Richter Jentsch begründeten Rechtsanwaltskanzlei mit dessen Einverständnis Herr Manfred Kanther unter den in der dienstlichen Äußerung mitgeteilten Bedingungen seinen Beruf als Rechtsanwalt ausübt, eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu stützen. Schon die Schwelle, die § 18 Abs.2 BVerfGG für einen Ausschluss von der Ausübung des Richteramts errichtet, ist hier nicht berührt. | |
Nach § 18 Abs.2 BVerfGG ist ein Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht mit der Folge eines Ausschlusses von der Ausübung seines Richteramts am Verfahren im Sinne des § 18 Abs.1 Nr.1 BVerfGG "beteiligt", wenn er "auf Grund... seines Berufs... oder aus einem ähnlich allgemeinen Gesichtspunkt am Ausgang des Verfahrens interessiert ist". Der von Richter Jentsch angezeigte Sachverhalt liegt deutlich unter dieser Schwelle. | |
Allein auf Grund seines Berufs als Rechtsanwalt ist Richter Jentsch, zumal die Rechte aus der Zulassung gemäß § 104 Abs.1 BVerfGG ruhen, nicht am Ausgang des Verfahrens im Sinne des § 18 Abs.2 BVerfGG interessiert. Anhaltspunkte für ein Interesse am Ausgang des Verfahrens von Berufs wegen oder aus einem ähnlich allgemeinen Gesichtspunkt lassen sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass in der von Richter Jentsch begründeten Rechtsanwaltspraxis mit dessen Einverständnis Herr Kanther nicht nur seinen Beruf als Rechtsanwalt ausübt, sondern diese Praxis sowohl die Namen von Herrn Kanther als auch von Richter Jentsch - bei letzterem mit dem Hinweis auf das Ruhen der Rechte aus der Zulassung gemäß § 104 BVerfGG - führt. Dass Herr Kanther früher Landesvorsitzender der CDU Hessens war, und dass während seiner Amtszeit nicht deklariertes Vermögen der CDU ins Ausland transferiert, dieses Vermögen teilweise zur Finanzierung des Wahlkampfs zur letzten Landtagswahl in Hessen eingesetzt worden sein soll und das hessische Wahlprüfungsgericht diese Mitfinanzierung des Wahlkampfs möglicherweise für sittenwidrig hält, sind im Verhältnis zur Ausübung des Richteramts durch Richter Jentsch im vorliegenden Verfahren so entfernte Gesichtspunkte, dass von einem Interesse im Sinne des § 18 Abs.2 BVerfGG nicht gesprochen werden kann. Denn das zur Entscheidung anstehende verfassungsgerichtliche Verfahren hat nicht die Rechtmäßigkeit des Finanzgebarens der hessischen CDU zum Gegenstand, sondern die Verfassungsgemäßheit der personellen Zusammensetzung des hessischen Wahlprüfungsgerichts sowie von Teilen des ihm vorgegebenen Prüfungsmaßstabs und der sofortigen Rechtskraft seiner Urteile. | |
c) Andere als die bisher geprüften Umstände sind nicht geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters Jentsch zu begründen. Bei einem Erfolg des Antrags könnte Herr Kanther zwar der Sache nach als rehabilitiert erscheinen; der Ausgang des Verfahrens könnte das Ansehen und den wirtschaftlichen Wert der Rechtsanwaltskanzlei betreffen und daher die ökonomischen Interessen des Richters Jentsch vornehmlich für die Zeit nach seinem Ausscheiden als Bundesverfassungsrichter berühren. Bei vernünftiger Würdigung aus dem hier maßgeblichen Blickwinkel der in einem abstrakten Normenkontrollverfahren beteiligten Staatsorgane rechtfertigen solche möglichen mittelbaren Folgewirkungen einer anstehenden Entscheidung aber noch nicht die Besorgnis, der Richter Jentsch sei in Bezug auf den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens befangen (vgl hierzu BVerfGE_101,46 <53>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 12.07.00, - 2_BvF_1/00 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.8 ff | |
§§§ | |
00.030 | Spielbanken |
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1) Das Betreiben einer öffentlichen Spielbank ist, solange diese Tätigkeit nicht gesetzlich verboten und privaten Unternehmen zugänglich ist, Ausübung eines Berufs im Sinne von Art.12 Abs.1 GG. | |
2) Beschränkungen des Zugangs zu diesem Beruf sind zulässig, wenn mit ihnen wichtige Gemeinwohlbelange verfolgt werden und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. | |
3) Die Regelungen des baden-württembergischen Spielbankenrechts von 1995 und 1996 über die Trägerschaft der öffentlichen Spielbanken in Baden-Baden und Konstanz sind mit dem Grundrecht der Berufswahlfreiheit aus Art.12 Abs.1 GG unvereinbar und nichtig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht wahren. | |
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Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.031 | Funktionszulage I |
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1) Die gesetzliche Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen mit Einkommenscharakter für Abgeordnete mit besonderen Funktionen ist eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie, die der Landtag grundsätzlich in eigener Verantwortung trifft. | |
2) Die Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten wird - soweit Funktionszulagen in Rede stehen - durch Art.38 Abs.1 GG eingeschränkt. Das auf Art.38 Abs.1 Satz 1 GG fußende Freiheitsgebot des Art.38 Abs.1 Satz 2 GG verlangt, die Abgeordneten in Statusfragen formal gleich zu behandeln, damit keine Abhängigkeiten oder Hierarchien über das für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments unabdingbare Maß hinaus entstehen. | |
3) Um eine der Freiheit des Mandats und der Statusgleichheit der Abgeordneten entsprechende, von sachfremden Einflüssen freie politische Willensbildung zu gewährleisten, ist die Zahl der mit Zulagen bedachten Funktionsstellen auf wenige politisch besonders herausgehobene parlamentarische Funktionen zu beschränken. | |
LB 4) Die beispielhaft im Grundgesetz aufgeführten Rechte, wie die Geschäftsordnungsautonomie (Art.40 Abs.1 Satz 2 GG), das Selbstversammlungsrecht (Art.39 Abs.3 GG), die Wahl eigener Organe (Art.40 Abs.1 Satz 1 GG), das Enqueterecht (Art.44 Abs.1 GG), die Immunität der Abgeordneten (Art.46 GG) sowie Hausrecht und Polizeigewalt (Art.40 Abs.2 GG), bilden den Kern der verfassungsrechtlich begründeten Parlamentsautonomie. | |
LB 5) Das Bundesverfassungsgericht zählt zu den Regelungsgegenständen des Selbstorganisationsrechts die Abläufe des Gesetzgebungsverfahrens, soweit es nicht in der Verfassung selbst geregelt ist, sowie die Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse, die Wahrnehmung von Initiativ-, Informations- und Kontrollrechten, die Bildung und die Rechte von Fraktionen und die Ausübung des parlamentarischen Rederechts (BVerfGE_80,188 <219>). | |
LB 6) Kraft seiner Autonomie darf das Parlament auf diese neuen politischen Arbeitsbedingungen nicht nur durch den Ausbau von parlamentarischen Organisationsstrukturen reagieren. Auch die Schaffung besonders zu entschädigender Funktionsstellen ist dem Binnenbereich parlamentarischer Organisation zuzurechnen. Die für diese eingeräumten Zusatzentschädigungen haben ihre Grundlage nicht in dem Mandat, sondern in besonderen Wahl- und Bestellungsakten des Parlaments (Sondervotum Seuffert BVerfGE_40,296 <340>). | |
LB 7) Die Gleichheit aller Staatsbürger in der freien Ausübung ihres Wahlrechts findet im Parlament ihren Ausdruck in dem freien Mandat. Denn nur die rechtlich freie Entscheidung fördert das Denken in Alternativen, öffnet die Aufmerksamkeit für die Vielfalt der Interessen und ermöglicht deren Ausgleich. Das freie Mandat "schließt die Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht aus, sondern ganz bewußt ein" und schafft durch den Zwang zur Rechtfertigung Verantwortlichkeit. Dieses letztlich auf Art.38 Abs.1 Satz 1 GG fußende Freiheitsgebot des Art.38 Abs.1 Satz 2 GG verlangt, die Abgeordneten in Statusfragen formal gleich zu behandeln, damit keine Abhängigkeiten oder Hierarchien über das für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments unabdingbare Maß hinaus entstehen. | |
LB 8) Nach diesem Maßstab sind die Rechte der Antragsteller durch den Erlass der angegriffenen Regelungen nicht verletzt, soweit die Fraktionsvorsitzenden eine steuerpflichtige Zusatzentschädigung erhalten (1.). Hingegen sind die Rechte der Antragsteller verletzt, soweit stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen und den Ausschussvorsitzenden Funktionszulagen gewährt werden. | |
* * * | |
T-00-19 | Abgeordnete |
"Der Antrag im Landesorganstreitverfahren ist unzulässig, soweit die dreizehnmalige Zahlung von Funktionszulagen pro Jahr gerügt wird, im Übrigen zulässig. | |
1. Das Bundesverfassungsgericht ist im vorliegenden Fall gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4, 3. Fall GG, § 71 Abs.1 Nr.3 BVerfGG zuständig. Das subsidiäre Landesorganstreitverfahren gewährleistet einen lückenlosen Rechtsschutz für die am Verfassungsleben eines Landes Beteiligten gegen alle Verletzungen ihrer eigenen Rechte aus der Landesverfassung (vgl BVerfGE_93,195 <202>). Die Verletzung kann auch im Erlass eines Gesetzes bestehen (vgl BVerfGE_99,332 <336 f> ). Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts entfällt allerdings, wenn und sobald das Landesrecht für die Streitbeteiligten einen eigenen Rechtsweg zur Entscheidung der konkreten landesverfassungsrechtlichen Streitigkeit bereithält (vgl BVerfGE_90,43 <45> ). Daran fehlt es hier. Die durch die Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.Oktober 1993 und das Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof vom 28.Juni 1994 für Thüringer Landtagsabgeordnete geschaffene Möglichkeit, einen Organstreit vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof zu führen, hat für die konkrete Streitigkeit keinen vorrangigen Rechtsweg eröffnet. Denn die Antragsteller hätten nicht die Antragsfrist von sechs Monaten nach Bekanntwerden der beanstandeten Maßnahme (§ 39 Abs.3 ThürVerfGHG) einhalten können. Eine Übergangsvorschrift, die dem Thüringer Verfassungsgerichtshof die Entscheidung über einen Fall wie diesen ermöglicht, fehlt. | |
2. Die Antragsteller sind im Landesorganstreitverfahren parteifähig (§ 71 Abs.1 Nr.3 BVerfGG). Sie wurden als Mitglieder des Thüringer Landtags, eines obersten Landesorgans, bereits durch §§ 2, 9 der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen mit eigenen Rechten ausgestattet. Sie haben ihre Parteifähigkeit nicht mit dem Ausscheiden aus dem Thüringer Landtag verloren. Maßgeblich für die Parteifähigkeit von Abgeordneten im Organstreit ist ihr Status zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Verfassungsstreit anhängig gemacht haben (vgl BVerfGE_4,144 <152>). | |
3. Die Antragsteller haben hinreichend geltend gemacht, durch den Streitgegenstand in ihren Rechten oder Zuständigkeiten unmittelbar berührt zu sein (§ 71 Abs.1 Nr.3 BVerfGG). Die Antragsbefugnis im Organstreit ist gegeben, wenn Antragsteller schlüssig behaupten, dass sie und der Antragsgegner an einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar beteiligt sind und dass der Antragsgegner hieraus erwachsende eigene verfassungsmäßige Rechte und Zuständigkeiten der Antragsteller durch die beanstandete Maßnahme oder das Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl BVerfGE_93,195 <203>). Schlüssig ist die Behauptung, wenn die Rechtsverletzung nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl BVerfGE_93,195 <204>). Das trifft auf das Vorbringen der Antragsteller zu. Sie wären als Abgeordnete ohne zusätzlich dotierte Funktion verfassungswidrig in ihrem Status beeinträchtigt, wenn die Vorläufige Landessatzung eine Verfassung ist, die Zusatzentschädigungen verbietet. Das liegt angesichts der vom Senat im Diäten-Urteil geäußerten Auffassung nicht fern, der zufolge Funktionszulagen als Teil der Abgeordnetenentschädigung zu begreifen und dem formalen Gleichheitssatz unterworfen sind (vgl BVerfGE_40,296 <318>). | |
4. a) Das Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung in der Sache ist auch nach dem Ausscheiden der Antragsteller aus dem Thüringer Landtag nicht entfallen, soweit die Funktionszulagen in Rede stehen. | |
Im Grundsatz gilt allerdings, dass ein objektives Interesse an der Klärung einer Streitfrage des Landesverfassungsrechts durch das Bundesverfassungsgericht nicht besteht, wenn das subjektive Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller fortgefallen ist. Denn in dem föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbstständig nebeneinander. Entsprechendes gilt für die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder. Daraus folgt, dass die Landesverfassungsgerichtsbarkeit nicht in größere Abhängigkeit gebracht werden darf, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist (vgl BVerfGE_96,231 <242> ). Besondere Zurückhaltung ist bei der subsidiären Landesorganstreitigkeit angezeigt, weil dem Verfassungsgericht des Bundes durch Art.93 Abs.1 Nr.4, 3. Fall GG die Entscheidungszuständigkeit in denjenigen Fällen eingeräumt wird, die nach der Landesverfassung dem Verfassungsgericht des Landes vorenthalten sind. Dies lässt sich nur mit dem Gedanken rechtfertigen, dass nach der grundgesetzlichen Ordnung auch in den - durch das Grundgesetz mitverfassten - Ländern Rechtsschutz für Verfassungsorgane und -organteile notwendig ist, soweit diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion des Schutzes bedürfen (vgl BVerfGE_60,319 <326>; BVerfGE_91,246 <250>). | |
Im vorliegenden Fall bleibt das Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise zur Entscheidung in der Sache berufen. Das Diäten-Urteil hat mit seinen Ausführungen zur grundsätzlichen Verfassungswidrigkeit von Funktionszulagen vielfach den Eindruck vermittelt, dieses Verdikt gelte verbindlich für den Bund und alle Länder. Nach diesem Rechtsstandpunkt wäre ein Landesverfassungsgericht ohnehin gehalten, nach Art.100 Abs.3 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es Funktionszulagen in einem größeren Umfang für verfassungsgemäß hielte als der Senat in seinem Diäten-Urteil. Eine erneute Entscheidung des . Bundesverfassungsgerichts in der Sache bleibt daher geboten | |
b) Das Rechtsschutzinteresse ist hingegen entfallen, soweit die Antragsteller auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Thüringer Landtag die dreizehnmalige Zahlung der Funktionszulagen pro Jahr gemäß § 5 Abs.2 Satz 2 ThürAbgG aF rügen. Die Norm ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Abgeordnetengesetzes vom 28.Februar 1995 (ThürGVBl S.109) abgeändert worden. Nunmehr wird die Zusatzentschädigung nur noch zwölfmal im Jahr gezahlt. Für ein gleichwohl fortbestehendes Interesse an der Klärung einer landesverfassungsrechtlichen Frage ist nichts ersichtlich. C. | |
Der Antrag hat in der Sache zum Teil Erfolg. Die in § 5 Abs.2 Satz 1 ThürAbgG angeordneten Zahlungen von zusätzlichen Entschädigungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen und die Vorsitzenden der Ausschüsse verstoßen gegen § 2 Abs.1 der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen in Verbindung mit Art.38 Abs.1, Art.28 Abs.1 Satz 1 und 2 GG. Die ebenfalls angegriffene Anordnung der Zahlung von zusätzlichen Entschädigungen an Fraktionsvorsitzende hält dagegen der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. I. | |
1. Der verfassungsrechtliche Maßstab für die Überprüfung des Antrags ist in erster Linie der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen vom 7.November 1990 zu entnehmen, in zweiter Linie dem Grundgesetz. | |
a) Die Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25.Oktober 1993 bildet nicht den Maßstab, weil sie am maßgeblichen Tag des Erlasses von § 5 Abs.2 Satz 1 ThürAbgG noch nicht in Kraft getreten war. Der Antrag im Landesorganstreitverfahren richtet sich gegen eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners (vgl § 71 Abs.2 iVm § 64 Abs.3 BVerfGG), bei einem Streit um die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes also gegen den Erlass der Norm und nicht etwa gegen die Norm als solche. Anzuknüpfen ist an den Tag, an dem der Landtag das Gesetz beschlossen hat (vgl BVerfGE_99,332 <336 f>), hier der 30.Januar 1991. | |
b) Die Vorläufige Landessatzung für das Land Thüringen, die am Tag des angegriffenen Gesetzesbeschlusses galt, ist eine Landesverfassung im Sinne der §§ 71 Abs.1 Nr.3, 72 Abs.2 Satz 1 BVerfGG. Ihr besonderer, über einem einfachen Gesetz stehender Rang ergibt sich aus ihrer Präambel sowie aus der in § 17 der Vorläufigen Landessatzung angeordneten erschwerten Abänderbarkeit und erhöhten Bestandskraft ihrer Normen. | |
c) Regelt das Landesverfassungsrecht den Status und die Entschädigung von Landtagsabgeordneten, ergibt sich aus dem Grundgesetz grundsätzlich kein zusätzlicher verfassungsrechtlicher Maßstab. Denn das Grundgesetz gewährleistet den Ländern, soweit es für deren Verfassungen keine ausdrücklichen Vorgaben enthält, eigenständige Verfassungsbereiche (vgl BVerfGE_96,345 <368 f>; BVerfGE_99,1 <11>). Die Bedeutung der parlamentsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes und der zu ihnen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich darauf, den nach Art.28 Abs.1 Satz 1 GG zu gewährleistenden Grundsätzen der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern in Bezug auf das Landesparlament Konturen zu geben. Die Bestimmungen über den Status der Bundestagsabgeordneten und die Stellung des Bundestags sind dabei nicht in ihren konkrete Ausgestaltungen, sondern nur in ihren essentiellen, den deutschen Parlamentarismus prägenden Grundsätzen für die Verfasstheit der Länder von Bedeutung (vgl BVerfGE_90,6 <84 f>). Im Übrigen steht es den Ländern frei, den Status und die Fragen der finanziellen Ausstattung der Landtagsabgeordneten abweichend von den Art.38 ff GG zu regeln | |
2. Die Schaffung von parlamentarischen Funktionsstellen und deren finanzielle Ausstattung unterfallen der Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten. 48 | |
a) Die Vorläufige Landessatzung für das Land Thüringen bestimmte die Stellung des Landtags und dessen Aufgaben ebenso wie das Grundgesetz für den Bundestag. Danach war der Landtag als Repräsentationsorgan des Landesvolkes für alle grundlegenden politischen Entscheidungen, insbesondere für die Gesetzgebung und die Kontrolle der Landesregierung verantwortlich. Aus dieser hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Stellung folgt eine im sachlichen Umfang weit reichende Parlamentsautonomie (vgl die den Landtag betreffenden Regelungen der §§ 2 bis 9 der Vorläufigen Landessatzung). | |
b) Die gesetzliche Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen mit Einkommenscharakter für Abgeordnete mit besonderen Funktionen ist eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie, die der Landtag grundsätzlich in eigener Verantwortung trifft. | |
aa) Die dem Landtag als Verfassungsorgan zustehende Autonomie erstreckt sich nicht nur auf Angelegenheiten der Geschäftsordnung im Sinne des § 3 der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen und Art.40 Abs.1 Satz 2 GG. Autonomie bezeichnet die allgemeine Befugnis des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln (Pietzcker, in: Schneider/Zeh | |
bb) Weder das Grundgesetz noch die Landesverfassungen haben die überkommenen Grundsätze der Parlamentsautonomie umfassend und einheitlich geregelt. Die aus ihr fließenden wesentlichen, beispielhaft im Grundgesetz aufgeführten Rechte, wie die Geschäftsordnungsautonomie (Art.40 Abs.1 Satz 2 GG), das Selbstversammlungsrecht (Art.39 Abs.3 GG), die Wahl eigener Organe (Art.40 Abs.1 Satz 1 GG), das Enqueterecht (Art.44 Abs.1 GG), die Immunität der Abgeordneten (Art.46 GG) sowie Hausrecht und Polizeigewalt (Art.40 Abs.2 GG), bilden den Kern der verfassungsrechtlich begründeten Parlamentsautonomie. | |
Das Bundesverfassungsgericht zählt zu den Regelungsgegenständen des Selbstorganisationsrechts die Abläufe des Gesetzgebungsverfahrens, soweit es nicht in der Verfassung selbst geregelt ist, sowie die Funktion, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse, die Wahrnehmung von Initiativ-, Informations- und Kontrollrechten, die Bildung und die Rechte von Fraktionen und die Ausübung des parlamentarischen Rederechts (BVerfGE_80,188 <219>). | |
cc) Dieser Katalog zählt die Regelungsgegenstände und Instrumente der Parlamentsautonomie nicht erschöpfend auf. Denn auch dieses Recht muß im Hinblick auf die jeweiligen politischen Verhältnisse konkretisiert werden, um eine Anpassung an veränderte Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. So kann die Parlamentsautonomie eine gegenüber früheren Verfassungsepochen gewandelte Aktualität durch den Umstand gewinnen, dass nicht mehr wie in der klassischen Lehre Parlament und Regierung einander gegenüberstehen, sondern die Grenze quer durch das Plenum verläuft: Regierung und die sie unterstützende Parlamentsmehrheit bilden gegenüber der Opposition politisch eine Einheit. Auch auf die zunehmende Komplexität der Regelungsbedürfnisse muss das Parlament im Rahmen des Selbstorganisationsrechts reagieren. Das moderne Parlament muss daher Strategien des arbeitsteiligen Zusammenwirkens und der Koordination der politischen Willensbildung entwickeln, will es seine Arbeitsfähigkeit nicht einbüßen. | |
dd) Kraft seiner Autonomie darf das Parlament auf diese neuen politischen Arbeitsbedingungen nicht nur durch den Ausbau von parlamentarischen Organisationsstrukturen reagieren. Auch die Schaffung besonders zu entschädigender Funktionsstellen ist dem Binnenbereich parlamentarischer Organisation zuzurechnen. Die für diese eingeräumten Zusatzentschädigungen haben ihre Grundlage nicht in dem Mandat, sondern in besonderen Wahl- und Bestellungsakten des Parlaments (Sondervotum Seuffert - BVerfGE_40,296 <340>). | |
3. Die Regelungsmacht des Parlaments in eigenen Angelegenheiten ist allerdings nicht unbegrenzt. Sie wird - soweit die Funktionszulagen in Rede stehen - durch Art.38 Abs.1 GG eingeschränkt. In beiden Sätzen dieser Vorschrift ist das Prinzip der repräsentativen Demokratie verankert. Es gewährleistet für jeden der nach den Grundsätzen des Satzes 1 gewählten Abgeordneten sowohl die Freiheit in der Ausübung seines Mandates als auch die Gleichheit im Status als Vertreter des ganzen Volkes (a). Um eine diesen Anforderungen entsprechende, von sachfremden Einflüssen freie politische Willensbildung zu gewährleisten, ist die Zahl der mit Zulagen bedachten Funktionsstellen auf wenige politisch besonders herausgehobene parlamentarische Funktionen zu beschränken (b). | |
a) Die vom Volk ausgehende und in der Wahl ausgeübte Staatsgewalt wird vom Parlament als Ganzes im Sinne der Gesamtheit seiner Mitglieder wahrgenommen. Die genannten Grundlagen der repräsentativen Demokratie wirken auch auf das parlamentarische Entscheidungsverfahren ein, indem sie grundsätzlich die Mitwirkung aller Abgeordneten bei der Willensbildung des Parlaments erfordern und bei der Schaffung der äußeren Bedingungen, unter denen die Parlamentsbeschlüsse zustande kommen, Berücksichtigung verlangen (vgl BVerfGE_44,308 <315 f>). Dies setzt zum einen die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit voraus (vgl BVerfGE_80,188 <218> ). Der Senat hat in dem Diäten-Urteil das Gebot der formalisierten Gleichbehandlung zum anderen auf die Bemessung der Abgeordnetenentschädigung erstreckt. Er hat dies aus dem in den Art.38 Abs.1 Satz 1 und Art.28 Abs.1 Satz 2 GG zum Ausdruck gelangten Prinzip abgeleitet, wonach jedermann seine staatsbürgerlichen Rechte in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können. Das gelte nicht nur für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts im engeren Sinne, sondern auch für die Ausübung des Mandats. Denn das Grundgesetz kenne keine für den Status des Abgeordneten erheblichen besonderen, in seiner Person liegenden Umstände, die es rechtfertigten, innerhalb des Status zu differenzieren. Aus diesem Recht auf gleiche Teilhabe im Prozess der politischen Willensbildung folge auch das Gebot der gleichen Entschädigung. Denn nur dann könnten die Abgeordneten praktisch als Vertreter des ganzen Volkes gelten, wenn Vertreter aus allen Schichten des Volkes Abgeordnete sein können (vgl BVerfGE_40,296 <317 f> und insoweit übereinstimmend BayVerfGH_35,148 <158 f>). | |
In seiner jüngeren - allerdings nicht die Abgeordnetenentschädigung betreffenden - Rechtsprechung hat der Senat Fragen der Stellung der Abgeordneten im Parlament nicht mehr im Rückgriff auf den aus Art.38 Abs.1 Satz 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit beantwortet. Dessen Anwendung, so der Senat in seinem Urteil vom 16. Juli 1991, "ist auf Wahlen beschränkt". Demgegenüber habe der parlamentsbezogene Grundsatz, wonach alle Mitglieder des Parlaments einander gleichgestellt seien, seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art.38 Abs.1 Satz 2 GG (BVerfGE_84,304 <325>). Der in dieser Norm gewährleistete repräsentative Status der Abgeordneten umfasse das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung (so mit Bezug auf die Abgeordneten des Bundestags BVerfGE_96,264 <278>). | |
Der Senat gibt, soweit die Entschädigung der Abgeordneten in Rede steht, die isolierte Bezugnahme auf jeweils einen der beiden Sätze des Art.38 Abs.1 GG auf. Denn diese stehen im Hinblick auf das durch sie konkretisierte Prinzip der repräsentativen Demokratie in einem unauflösbaren, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang. So setzt sich insbesondere die Gleichheit der Wahl in der gleichen Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten fort. Beide besonderen Gleichheitssätze stützen den Repräsentationsgedanken aus unterschiedlichen Richtungen. | |
Die Gleichheit aller Staatsbürger in der freien Ausübung ihres Wahlrechts findet im Parlament ihren Ausdruck in dem freien Mandat. Denn nur die rechtlich freie Entscheidung fördert das Denken in Alternativen, öffnet die Aufmerksamkeit für die Vielfalt der Interessen und ermöglicht deren Ausgleich. Das freie Mandat "schließt die Rückkopplung zwischen Parlamentariern und Wahlvolk nicht aus, sondern ganz bewußt ein" und schafft durch den Zwang zur Rechtfertigung Verantwortlichkeit (Hofmann/Dreier, in: Schneider/Zeh | |
b) Die formelle Gleichheit der Abgeordneten sowie die angemessene Entschädigung gemäß § 9 Abs.4 Vorläufige Landessatzung und Art.48 Abs.3 GG sollen die Freiheit des Mandats gewährleisten. Die der Bedeutung des Amtes angemessene Entschädigung soll dem Abgeordneten ermöglichen, als Vertreter des ganzen Volkes frei von wirtschaftlichen Zwängen zu wirken (vgl BVerfGE_40,296 <315 f>). In der parlamentarischen Arbeit können jedoch zusätzliche Entschädigungen für einzelne Abgeordnete die Entscheidungsfreiheit aller Abgeordneten beeinträchtigen, wenn durch solche Zulagen die Gefahr entsteht, dass das parlamentarische Handeln am Leitbild einer "Abgeordnetenlaufbahn" und dem Erreichen einer höheren Einkommensstufe ausgerichtet wird (vgl H Meyer, Das fehlfinanzierte Parlament, in: Huber/Mößle/Stock | |
Der Abgeordnete bewegt sich zwar in einem Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit seines Mandats und einer Einordnung in die Fraktionsdisziplin. Das politische Eingebundensein des Abgeordneten in Partei und Fraktionen im Bund und in den Ländern ist jedoch verfassungsrechtlich zulässig; denn das Grundgesetz weist den Parteien eine besondere Rolle im Prozess der politischen Willensbildung zu (Art.21 Abs.1 GG). Die von den Abgeordneten einer Partei gebildeten Fraktionen nehmen in diesem Prozess Koordinierungsaufgaben wahr, die angesichts der Vielzahl und Vielschichtigkeit der im Parlament zu behandelnden Regelungsbedürfnisse für die parlamentarische Arbeit unabdingbar sind. Wenn der einzelne Abgeordnete im Parlament politisch Einfluss ausüben will, bedarf er der Unterstützung seiner Fraktion (dazu näher Schüttemeyer, Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949 - 1997, 1998, S.24, 27, 38 f; Sontheimer/Bleek, Grundzüge des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 1999, S.290). | |
Daraus folgende Abhängigkeiten des einzelnen Abgeordneten von Fraktionsbeschlüssen sind im Rahmen funktioneller Differenzierung der Parlamentsarbeit auch mit Blick auf Art.21 Abs.1 GG hinzunehmende. Wird jedoch die Verteilung parlamentarischer Funktionen mit unterschiedlicher Dotierung der Abgeordneten verbunden, so entstehen zusätzliche Abhängigkeiten, die durch die Aufgaben des Abgeordneten innerhalb effektiv organisierter Parlamentsarbeit nicht gerechtfertigt werden, sondern hierzu in Widerspruch treten können: Innerparlamentarische Einkommenshierarchien lassen es erstrebenswert erscheinen, parlamentarische Funktionen aus ökonomischen Gründen, unabhängig von individuellen politischen Intentionen und Kompetenzen, zu übernehmen, auszuüben und gegenüber Konkurrenten zu behaupten. | |
4. Aus den vorangehenden maßstäblichen Erwägungen läßt sich nicht unmittelbar ablesen, unter welchen Voraussetzungen zusätzliche Entschädigungen für parlamentarische Funktionen geschaffen werden dürfen, ohne die Statusgleichheit der Abgeordneten und die Freiheit des Mandats zu beeinträchtigen. Regelungen über die innere Ordnung des Parlaments bedürfen der Flexibilität, um eine Anpassung an die veränderte Verfassungswirklichkeit zu ermöglichen. In der Gestaltung hat das Parlament schon im Hinblick auf seine besonderen Arbeitsbedingungen (etwa als Vollzeit- oder Teilzeitparlament) weitgehende Freiheit. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass sich solche Regeln unter Umständen ungleichmäßig auswirken (vgl BVerfGE_10,4 <19 f>). Hinsichtlich der Reichweite und Grenzen der Parlamentsautonomie in Bezug auf Funktionszulagen lassen sich daher nur sehr allgemeine Kriterien aufzeigen, die als Leitgesichtspunkte dienen können. 64 | |
a) Vornan muss das Parlament zeitgemäße Strukturen ausbilden können, die der Vielzahl, Bandbreite und Komplexität der Gegenstände parlamentarischer Gesetzgebung und Kontrolle Rechnung tragen. Demgemäß setzt das Gelingen einer wirksamen und rationalen parlamentarischen Arbeit besondere Qualifikationen demokratischer Führung, vor allem besondere Sach- und Verfahrenskunde sowie Fähigkeiten der Information, Kommunikation und des Vermittelns voraus. Dies spricht dafür, dass Funktionen geschaffen und unter bestimmten Voraussetzungen auch besonders honoriert werden können, mit deren Hilfe die politische Willensbildung koordiniert werden kann. | |
b) Auf der anderen Seite ist der Gefahr zu begegnen, dass durch die systematische Ausdehnung von Funktionszulagen "Abgeordnetenlaufbahnen" und Einkommenshierarchien geschaffen werden, die der Freiheit des Mandats abträglich sind und die Bereitschaft der Abgeordneten beeinträchtigen, ohne Rücksicht auf eigene wirtschaftliche Vorteile die jeweils beste Lösung für das Gemeinwohl anzustreben. Funktionszulagen können darum zum einen nur in geringer Zahl vorgesehen werden und sind zum anderen auf besonders herausgehobene politisch-parlamentarische Funktionen zu begrenzen. | |
Durch eine Vielzahl von besonders zu entschädigenden Funktionsstellen verstärkt sich die Abhängigkeit des einzelnen Abgeordneten von der politischen Gruppe, der er angehört. Bei den zahlenmäßig begrenzten Spitzenpositionen im Parlament dagegen ist die Gefahr eines solchen den Prinzipien der Gleichheit und der Freiheit aller Abgeordneten grundsätzlich zuwiderlaufenden Mechanismus eher gering zu veranschlagen; denn solche Ämter werden vorzugsweise aus politischen und weniger aus finanziellen Erwägungen angestrebt. Wird einer nur geringen Anzahl von Funktionsträgern eine zusätzliche Entschädigung gewährt, so ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich der einzelne Abgeordnete bei der Ausübung seines Mandats an sachfremden Gesichtspunkten wie an zusätzlichen Einkommenschancen orientiert. Hingegen könnte eine breite Streuung der besonders zu entschädigenden Funktionsstellen die Bereitschaft gerade der einflussreichen, mit Funktionszulagen ausgestatteten Abgeordneten mindern, die reguläre Entschädigung von Zeit zu Zeit den steigenden Lebenshaltungskosten anzupassen; auch dadurch, dass die Entschädigung im Gefolge der wirtschaftlichen Entwicklung allmählich die Grenze der Angemessenheit unterschreitet, wird die Freiheit des Mandats gefährdet. II. | |
Nach diesem Maßstab sind die Rechte der Antragsteller durch den Erlass der angegriffenen Regelungen nicht verletzt, soweit die Fraktionsvorsitzenden eine steuerpflichtige Zusatzentschädigung erhalten (1.). Hingegen sind die Rechte der Antragsteller verletzt, soweit stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen und den Ausschussvorsitzenden Funktionszulagen gewährt werden (2.). | |
1. Der Landtag handelt innerhalb seines ihm verfassungsrechtlich zustehenden Rechts zur Selbstorganisation und überschreitet nicht seinen Gestaltungsspielraum, wenn er in seinem Binnenbereich die Funktionsstellen für Fraktionsvorsitzende schafft und sie mit einer zusätzlichen Abgeordnetenentschädigung bedenkt, die nicht von dem Gedanken des Aufwendungsersatzes geleitet ist (im Ergebnis anders insoweit BVerfGE_40,296 <318> ). Die Posten der Fraktionsvorsitzenden sind in der Anzahl begrenzt und in ihrer politischen Bedeutung in besonderem Maße herausgehoben. | |
a) Die politische Bedeutung der Fraktionsvorsitzenden folgt aus der Stellung der Fraktionen als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Das Bundesverfassungsgericht hat sie als maßgebliche Faktoren der politischen Willensbildung bezeichnet. Sie sind als Gliederungen des Bundestags der organisierten Staatlichkeit eingefügt (vgl BVerfGE_20,56 <104> und BVerfGE_80,188 <231>). Die Fraktionen als zentrale Organisationseinheiten des Parlaments, die unterschiedliche Vorstellungen und Ziele bündeln, garantieren die parlamentarische Handlungsfähigkeit. Auch ein Landtag kommt heute, um seine Aufgaben bewältigen zu können, nicht ohne eine Gliederung in Fraktionen aus (vgl Schüttemeyer, aaO, S.24, 27, 38 f). Die Länderparlamente haben den Herausforderungen des ökonomischen und technologischen Wandels sowie der Tatsache gerecht zu werden, dass immer mehr Entscheidungen unter den Bedingungen der Ungewissheit zu treffen sind. Den Landtagen wird heute die Koordinierung von Europa-, Bundes- und Landesrecht abverlangt, die ohne die organisatorische und steuernde Tätigkeit der Fraktionsvorstände nicht zu leisten wäre. Auch die Fraktionen in den Landtagen haben Organisationsstrukturen und Arbeitsformen entwickelt, die es möglich machen, den zunehmend spezialisierte Sachkenntnisse erfordernden Entscheidungs- und Kontrollaufgaben gerecht zu werden sowie die parlamentarische Arbeit zu straffen und zu rationalisieren. | |
b) Das arbeitsteilige Zusammenwirken der Abgeordneten in der Fraktion sowie das Aufeinanderabstimmen von Sach- und Überzeugungsarbeit im Parlament steuern und verantworten die Fraktionsvorsitzenden in besonderem Maße. Ihre Vorbereitung und Koordination der politischen Willensbildung trägt zur Arbeitsfähigkeit der Volksvertretung entscheidend bei. Vor allem die Fraktionsvorsitzenden haben nicht nur auf die Geschlossenheit der Fraktion hinzuwirken, durch politische Vermittlung Kompromisse zu finden und parlamentarische Mehrheiten zu suchen. Neben der innerfraktionellen sind sie auch für die interfraktionelle Zusammenarbeit verantwortlich, sie haben miteinander die Abläufe im Landtag und dessen Initiativen abzustimmen. | |
Der Fraktionsvorsitz gilt heute als die Schaltstelle der Macht im Parlament. Die Vorsitzenden der Fraktionen, die die Regierung tragen, übernehmen dabei Vermittlungs- und Koordinierungsaufgaben zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit, während die Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen in besonderer Weise die Alternative zur Regierung und damit Handlungsoptionen und künftige Wahlmöglichkeiten repräsentieren. Von ihrem Wirken hängen in besonderer Weise das parlamentarische Leben und die öffentliche Wirkung des Parlaments als obersten Organs demokratischer Willensbildung ab (vgl Schüttemeyer, aaO, S.11 und 60 ff). | |
c) Die Funktionszulage lediglich für Fraktionsvorsitzende führt nicht zu einer "Abgeordnetenlaufbahn" und Einkommenshierarchie innerhalb des Landtags, die mit der Freiheit und Gleichheit des Abgeordnetenmandats unvereinbar wäre. Die Anzahl der Fraktionsvorsitzenden ist begrenzt. Im Thüringer Landtag sind es gegenwärtig drei. Die Einrichtung dieser Funktionsstellen liegt nicht im Belieben des Landtags. Die Abgeordnetengleichheit wird durch die finanzielle Differenzierung zu Gunsten der Fraktionsvorsitzenden nur geringfügig beeinträchtigt. Die Repräsentation des Volkes durch jeden Abgeordneten sowie die Entschließungsfreiheit jedes Abgeordneten bleiben unberührt. | |
d) Die Höhe der den Fraktionsvorsitzenden gewährten Zusatzentschädigung steht nicht außer Verhältnis zur Grundentschädigung. Unbedenklich ist auch, dass die Zulage für die Fraktionsvorsitzenden ebenso hoch ist wie die für den Parlamentspräsidenten. Beiden Funktionen ist die besonders herausgehobene Bedeutung im parlamentarischen Betrieb gleichermaßen eigen. | |
Auszug aus BVerfG U, 21.07.00, - 2_BvH_3/91 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.34 ff | |
§§§ | |
00.032 | Funktionszulage II |
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LB 1) Durch eine Änderung der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz ist das Landesorganstreitverfahren unzulässig geworden. | |
LB 2) Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE_90,43 <45>). | |
LB 3) Der Verweisung der Antragstellerin auf den Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz steht der prozessrechtliche Grundsatz fortwährender Zuständigkeit des einmal angerufenen Gerichts (perpetuatio fori; vgl § 17 Abs.1 Satz 1 GVG, § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO) nicht entgegen. Dieser Grundsatz ist im Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts zu den Landesverfassungsgerichten nicht anzuwenden. | |
* * * | |
T-00-20 | Wegfall des Rechtsweges |
"Die Anträge sind unzulässig geworden. I. | |
1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht als "subsidiäres Landesverfassungsgericht" im Verfahren gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4, 3.Fall GG (vgl BVerfGE_99,1 <17>) ist nur eröffnet, wenn der Antragsteller nicht die Möglichkeit hat, ein Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht einzuleiten. Durch Art.93 Abs.1 Nr.4, 3.Fall GG soll ein lückenloser Rechtsschutz für die am Verfassungsleben eines Landes Beteiligten gegen Verletzungen ihrer eigenen verfassungsmäßigen Rechte gewährleistet werden. Das kommt durch die Formulierung "soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist" deutlich zum Ausdruck. Das Bundesverfassungsgericht ist daher nur dann zuständig, wenn das Landesrecht für Organstreitigkeiten entweder überhaupt keine Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts vorsieht oder den Kreis der Antragsberechtigten enger zieht als nach der die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts umschreibenden Vorschrift des Art.93 Abs.1 Nr.4 GG in Verbindung mit § 71 Abs.1 Nr.3 BVerfGG. Hat das Landesrecht den Kreis der für Verfassungsstreitigkeiten Aktivlegitimierten enger gezogen als das Grundgesetz, so kann ein nach Landesrecht nicht Antragsberechtigter das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn er nach Bundesrecht "Beteiligter" in einem Verfassungsrechtsstreit ist (vgl BVerfGE_93,195 <202 f>). | |
2. Nach diesen Grundsätzen lag noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 2. Mai 2000 eine verfassungsrechtliche Streitigkeit innerhalb eines Landes vor, für die der Antragstellerin ein anderer Rechtsweg nicht eröffnet war. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hatte gemäß Art.135 Abs.1 Nr.1 Verf Rh-Pf darüber zu entscheiden, "ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans verfassungswidrig ist (Artikel 130 Abs.1 und 3)". Art.130 Abs.1 Verf Rh-Pf lautete zu diesem Zeitpunkt: | |
Die Landesregierung, der Landtag und jede Landtagsfraktion und jede Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich in ihren Rechten beeinträchtigt glaubt, sowie jede politische Partei, die bei der letzten Landtagswahl 10 vom Hundert der gültigen Stimmen erhalten hat, können eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes darüber beantragen, ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans, soweit es sich nicht um eine Gesetzesvorlage handelt, verfassungswidrig ist. | |
In Rheinland-Pfalz gab es somit bis zum 18.Mai 2000 ein Normenkontrollverfahren mit Antragsrecht zwar für Verfassungsorgane und andere Beteiligte, nicht jedoch für einzelne Abgeordnete. II. | |
Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist hinsichtlich der unverändert fortgeltenden Vorschriften des Abgeordnetengesetzes nicht mehr gegeben. | |
1. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art.93 Abs.1 Nr.4 GG, §§ 71 f BVerfGG entfällt, sobald das Landesrecht für die Streitbeteiligten einen eigenen Rechtsweg zur Entscheidung der konkreten verfassungsrechtlichen Streitigkeit bereithält (vgl BVerfGE_90,43 <45>). | |
Die Antragstellerin hat seit dem 18.Mai 2000 die Möglichkeit, über die Vereinbarkeit der im vorliegenden Verfahren angegriffenen und seit Eingang des Antrags beim Bundesverfassungsgericht unverändert fortgeltenden §§ 1a, 5 Abs.2, 6 Abs.2 Nr.2 und Abs.6 sowie § 21 Abs.2 AbgG RhPf mit der Landesverfassung gemäß Art.130 Abs.1 Verf Rh-Pf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs herbeizuführen. Sie wäre als "andere Beteiligte", die durch die Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattet ist, parteifähig. Wie im subsidiären Landesorganstreit vor dem Bundesverfassungsgericht kann die Antragstellerin geltend machen, durch das Gesetz in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für sie ist das Verfahren nicht fristgebunden (vgl Art.135 Abs.2 Satz 2 Verf Rh-Pf nF). | |
2. Der Verweisung der Antragstellerin auf den Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz steht der prozessrechtliche Grundsatz fortwährender Zuständigkeit des einmal angerufenen Gerichts (perpetuatio fori; vgl § 17 Abs.1 Satz 1 GVG, § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO) nicht entgegen. Dieser Grundsatz ist im Verhältnis des Bundesverfassungsgerichts zu den Landesverfassungsgerichten nicht anzuwenden. Es widerspräche dem Verfassungsrang des föderativen Prinzips, wenn unter Berufung auf jenen Grundsatz das nach der Landesverfassung geschaffene Verfassungsgericht von der Entscheidung eines Falles ausgeschlossen würde, der seiner Zuständigkeit unterliegt (vgl BVerfGE_90,40 <42 f>; BVerfGE_90,43 <45 f>). | |
3. Dem steht nicht entgegen, dass das Landesrecht für die Antragstellerin einen Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Verfügung gestellt hat. Denn der Rechtsweg wurde noch vor Verkündung des Urteils im vorliegenden Verfahren eröffnet. | |
Dabei kann dahinstehen, welches der maßgebliche Zeitpunkt für die Zulässigkeit von Anträgen in anderen verfassungsgerichtlichen Verfahren ist. Denn zu den Besonderheiten des subsidiären Landesorganstreitverfahrens gehört, dass das Bundesverfassungsgericht nur bei Fehlen eines Rechtswegs zum Landesverfassungsgericht über landesverfassungsrechtliche Streitigkeiten in der Sache zu entscheiden hat. Wird ein solcher Rechtsweg nach Antragstellung eröffnet, greift die Subsidiaritätsklausel ein. Auf den Termin der mündlichen Verhandlung als maßgeblichen Zeitpunkt kann in diesem Fall nicht abgestellt werden. Diese soll rechtliches Gehör bieten, aber nicht für alle Verfahrensarten den maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmen. III. | |
Auch die Anträge gegen den Erlass der seit der Antragstellung geänderten §§ 6 Abs.2 Nr.1, 21 Abs.1 und der §§ 10 bis 12 AbgG RhPf sind unzulässig geworden. | |
1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht ist insoweit allerdings nicht entfallen. Die genannten Vorschriften sind vom Landesgesetzgeber novelliert worden, nachdem der Antrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt worden war. Die Antragstellerin hat daher nicht die Möglichkeit, gegen diese Normen in ihrer damaligen Fassung ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einzuleiten. Der Antrag gemäß Art. 130 Abs. 1 Verf. Rh.-Pf. dürfte für den Regelfall den Angriff auf ein geltendes Gesetz voraussetzen. Abweichende Gesichtspunkte drängen sich nicht auf. Rechtlich relevante Nachwirkungen dieser Vorschriften in der Fassung zur Zeit der Antragstellung gegenüber der Antragstellerin sind nicht ersichtlich. | |
2. Infolge der Neufassung des Art.130 Abs.1 Verf Rh-Pf ist jedoch das objektive Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines Verstoßes gegen die Landesverfassung durch das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der novellierten Vorschriften entfallen. Die Eröffnung des Rechtswegs zum Landesverfassungsgericht berührt insoweit auch die Zulässigkeit der Anträge hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht mehr im Verfahren des Art.130 Abs.1 Verf Rh-Pf vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden können. | |
Im subsidiären Landesorganstreitverfahren kommt es entscheidend auf das objektive Interesse an der Klärung einer landesverfassungsrechtlichen Frage durch das Bundesverfassungsgericht an (vgl BVerfGE_99,332 <336>). Dieses Verfahren steht nur subsidiär zur Gewährleistung eines Mindestrechtsschutzes zur Verfügung. Die Auslegung und Fortentwicklung des Landesverfassungsrechts soll prinzipiell Aufgabe des Landesverfassungsgerichts sein. Diese Ausrichtung des subsidiären Landesorganstreitverfahrens und die gebotene Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts aus Rücksicht auf die Selbstständigkeit der Verfassungsbereiche der Länder (vgl BVerfGE_96,231 <242>) stehen deshalb einem objektiven Interesse an einer Klärung der landesverfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der zwischenzeitlich novellierten Vorschriften entgegen. Die §§ 6 Abs.2 Nr.1, 21 Abs.1 und die §§ 10 bis 12 AbgG RhPf sind in novellierter Form weiterhin in Kraft und können daher zulässiger Gegenstand eines Antrags gemäß Art.130 Abs.1 Verf Rh-Pf. sein. IV. | |
Eine Verweisung des Rechtsstreits an den zuständigen Verfassungsgerichtshof ist wegen Fehlens entsprechender gesetzlicher Bestimmungen und wegen des besonders gearteten Verhältnisses zwischen den beiden Gerichtsbarkeiten nicht statthaft (vgl BVerfGE_90,40 <43>; BVerfGE_90,43 <46>)." | |
Auszug aus BVerfG U, 21.07.00, - 2_BvH_4/91 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.16 ff | |
§§§ | |
00.033 | Fernsehaufnahmen |
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LB 1) Richter und Schöffen stehen bei der Teilnahme an einer öffentlichen Sitzung des Spruchkörpers im Blickpunkt der Öffentlichkeit einschließlich der Medienöffentlichkeit. Angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Verfahren ist deshalb ein Interesse der Richter und Schöffen nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, regelmäßig nicht anzunehmen. | |
LB 2) Das Persönlichkeitsrecht kann aber dann das Berichterstattungsinteresse überwiegen, wenn besondere Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, eine Übertragung der Mitglieder des Spruchkörpers über das Fernsehen werde dazu führen, dass sie künftig erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sein werden. | |
§§§ | |
00.034 | Landeshundeverordnung |
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Die Verfassungsbeschwerde gegen die Hundeverordnung von NRW wurde nicht angenommen, da ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und ihre Annahme auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt ist. | |
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T-00-21 | Grundsatz der Subsidiarität |
"Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht, soweit diese sich gegen § 4 Abs.1, § 6 Abs.3 und § 7 LHV NRW richten, der Grundsatz der Subsidiarität der verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelfe entgegen. | |
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet dieser Grundsatz auch bei einer unmittelbar gegen Rechtsnormen gerichteten Verfassungsbeschwerde Anwendung (vgl BVerfGE_69,122 <125 f>; BVerfGE_74,69 <74>; BVerfGE_90, 128 <136 f>). Er verpflichtet den jeweiligen Beschwerdeführer, mit seinem Anliegen vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich die dafür allgemein zuständigen Gerichte zu befassen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weit reichende Entscheidungen trifft. Bei der Rechtsanwendung durch die fachlich zuständigen und insoweit sachnäheren Gerichte können - aufgrund deren besseren Sachverstands - möglicherweise für die verfassungsrechtliche Prüfung erhebliche Tatsachen zutage gefördert werden, die dem Bundesverfassungsgericht bei unmittelbarer Anrufung verschlossen blieben (vgl BVerfG, 1.Kammer des Ersten Senats, NVwZ 1999, S.867). | |
Die Pflicht zur Beschreitung des Rechtswegs zu den zunächst zuständigen Gerichten besteht allerdings dann ausnahmsweise nicht, wenn die angegriffene Regelung den Beschwerdeführer zu Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, oder wenn die Beschreitung dieses Wegs dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist. Kann der mit dem Subsidiaritätsgrundsatz insbesondere verfolgte Zweck, eine Klärung der verfassungsrechtlich relevanten Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, im einschlägigen Rechtsweg nicht erreicht werden, ist die vorherige Anrufung der dafür zuständigen Gerichte gleichfalls entbehrlich (vgl BVerfGE_79,1 <20>). | |
bb) Nach diesen Grundsätzen sind die Beschwerdeführer auf den Rechtsweg zu verweisen, soweit sie § 4 Abs.1, § 6 Abs.3 und § 7 LHV NRW angreifen. | |
aaa) Nach § 4 Abs.1 LHV NRW bedarf das Halten von Hunden der Anlagen 1 und 2 LHV NRW der ordnungsbehördlichen Erlaubnis. Den Beschwerdeführern ist es zuzumuten, vor Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts eine solche Erlaubnis zu beantragen und, falls sie ihnen auch im Widerspruchsverfahren nicht erteilt wird, den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu beschreiten, um dort die Verfassungswidrigkeit der Erlaubnispflicht geltend zu machen und so die behauptete Grundrechtsverletzung abzuwenden. Im Verwaltungsstreitverfahren steht ihnen in erster Linie die Möglichkeit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs.1 VwGO zur Verfügung. Bleibt die Behörde untätig, können die Beschwerdeführer nach Maßgabe des § 75 VwGO Untätigkeitsklage erheben. Schließlich kommt nach der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung auch in Betracht, dass die Beschwerdeführer nach § 43 Abs.1 VwGO auf die Feststellung der Erlaubnisfreiheit ihrer Hundehaltung klagen, wenn sie die Regelung des § 4 Abs.1 LHV NRW für verfassungswidrig und nichtig halten (vgl BVerwGE_39,247 <248>; Kopp/Schenke, VwGO, 11.Aufl 1998, § 43 Rn.12). Dieser Weg ist auch in den Bundesländern eröffnet, in denen der Gesetzgeber - wie in Nordrhein-Westfalen - von der Ermächtigung des § 47 Abs.1 Nr.2 VwGO keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 138; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2000, § 43 Rn.25). Kommen die angerufenen Gerichte zu der Überzeugung, § 4 Abs.1 LHV NRW sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, können sie die Verfassungswidrigkeit der Regelung feststellen und von deren Anwendung absehen (vgl OVG Lüneburg, NVwZ 1997, S.816 <817 ff>; OVG Münster, NVwZ 1997, S.806 <807>; OVG Magdeburg, NVwZ 1999, S. 321). Denn das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich nur auf nachkonstitutionelle Gesetze im formellen Sinne, nicht dagegen auf Rechtsverordnungen (vgl BVerfGE_68,319 <326>; BVerfG, 1.Kammer des Ersten Senats, NJW 1999, S.2031). | |
bbb) Entsprechendes gilt, soweit sich die Beschwerdeführer gegen den Leinen- und Maulkorbzwang in § 6 Abs.3 LHV NRW wenden. Der Verordnungsgeber hat in § 6 Abs.4 LHV NRW die zuständige Behörde ermächtigt, für Hunde der Anlagen 1 und 2 LHV NRW Ausnahmen vom Leinen- und Maulkorbzwang zuzulassen. Es ist den Beschwerdeführern zuzumuten, eine solche Ausnahmegenehmigung zu erstreben. Sollte sie ihnen nicht gewährt werden, steht ihnen wiederum der Verwaltungsrechtsweg offen, in dem sie geltend machen können, dass der Leinen- und Maulkorbzwang - trotz der genannten Ausnahmeregelung - gegen das Grundgesetz verstoße. | |
ccc) Auch hinsichtlich § 7 LHV NRW sind die Verfassungsbeschwerden zum Bundesverfassungsgericht subsidiär. Nach dieser Vorschrift ist das Halten von Hunden der Anlagen 1 und 2 LHV NRW unter bestimmten Voraussetzungen und nach bestimmten Maßgaben zu untersagen (Absatz 1 und 2) oder es kann untersagt werden (Absatz 3). In beiden Fällen ergeht gegen den Hundehalter eine ordnungsbehördliche Verfügung, gegen die dieser bei den Verwaltungsgerichten mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs.1 VwGO vorgehen kann. Mit ihr können auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die angegriffene Regelung geltend gemacht werden, die von den Verwaltungsgerichten verworfen werden kann, wenn sie diese Bedenken für berechtigt halten. | |
ddd) Es ist schließlich von den Beschwerdeführern nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass sie durch die angegriffenen Regelungen zu Dispositionen veranlasst worden sind, die nicht mehr korrigiert werden können." | |
Auszug aus BVerfG E, 18.08.00, - 1_BvR_1329/00 -, www.BVerfG.de, Abs.7 ff | |
§§§ | |
00.035 | Bekennerschreiben |
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LB 1) § 97 Abs.5 StPO ist verfassungsmäßig. | |
LB 2) Bekennerschreiben einer terroristischen Vereinigung, die zum Zwecke der Veröffentlichung einem Presseunternehmen übersandt worden sind, können unter bestimmten Voraussetzungen beschlagnahmt werden. | |
§§§ | |
00.036 | Willy Brand |
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TH 1) Die Verfassungsbeschwerde wirft die Frage auf, ob das postmortale Persönlichkeitsrecht Willy Brandts durch die Edition einer Münzserie mit seinem Bild verletzt worden ist. | |
LB 2) Die mit Art.1 Abs.1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, endet nicht mit dem Tod. | |
LB 3) Dagegen besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Grundrechtsschutz des Verstorbenen aus Art.2 Abs.1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist (vgl BVerfGE_30,173 <194>). | |
LB 4) Das gemäß Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht scheidet damit als unmittelbarer Prüfungsmaßstab des angegriffenen Urteils aus. | |
LB 5) Das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr in ständiger Rechtsprechung die Differenz zwischen Menschenwürde und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, wie sich etwa daraus ergibt, dass die Menschenwürde im Konflikt mit der Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist, während es bei einem Konflikt der Meinungsfreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht regelmäßig zu einer Abwägung kommt (vgl BVerfGE_93,266 <293 f>). | |
LB 6) Angesichts der größeren Reichweite des Persönlichkeitsschutzes lebender Personen gegenüber dem Verstorbener scheidet eine Annahme der Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann aus, wenn sie nicht einmal am Maßstab des Persönlichkeitsschutzes Lebender Erfolg haben könnte. | |
LB 7) Nach Ansicht beider Gerichte müssen es sich "absolute" Personen der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs.1 Nr.1 KUG grundsätzlich gefallen lassen, der Öffentlichkeit auch ohne Einwilligung im Bild vorgestellt zu werden. Diese Duldungspflicht sei aber nicht schrankenlos. | |
LB 8) § 23 Abs.1 Nr.1 KUG wolle dem Interesse der Allgemeinheit an einer Unterrichtung über Persönlichkeiten der Zeitgeschichte dienen, weil und soweit die Öffentlichkeit sie als der Beachtung besonders wert empfinde. | |
LB 9) Der Schutzzweck der Regelung erfasse daher keine Veröffentlichungen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen sei. Da auch Personen der Zeitgeschichte Anspruch darauf hätten, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nehme, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass das in § 23 Abs.1 Nr.1 KUG geschützte allgemeine Publikationsinteresse in einem Spannungsverhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten stehe. | |
LB 10) Daher könne sich auf § 23 Abs.1 Nr.1 KUG nicht berufen, wer nicht einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkomme, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befördern wolle. | |
LB 11) Mit diesen Erwägungen hat der Bundesgerichtshof ebenso wie zuvor bereits das Oberlandesgericht den Grundrechtsbelangen hinreichend Rechnung getragen. | |
LB 12) Bei einer Persönlichkeit wie Willy Brand liege bei der Veröffentlichung seines Bildes jedenfalls dann ein schutzwürdiges Publikationsinteresse vor, wenn sein Bild in einen für den Betrachter deutlichen Zusammenhang mit seinen Leistungen als Politiker und Staatsmann gestellt werde. Dies sei hier durch die aussagekräftigen Symbole und durch schlagwortartige verbale Umschreibungen seiner Leistungen und Ämter geschehen. | |
* * * | |
T-00-22 | Postmortales Persönlichkeitsrecht |
"Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. | |
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs.2 Buchstabe a BVerfGG). Die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen betreffen das Verhältnis von (postmortalen) Persönlichkeitsrechten auf der einen und Informations- und Publikationsinteressen im Zusammenhang mit Abbildungen von Prominenten auf der anderen Seite. Diese Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt (vgl BVerfGE_30,173; BVerfGE_101,361). | |
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Verfassungsrechten angezeigt (§ 93a Abs.2 Buchstabe b BVerfGG). Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verletzt keine Verfassungsrechte von Willy Brandt. | |
a) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist das Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde aus Art.1 Abs.1 GG. Die mit Art.1 Abs.1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, endet nicht mit dem Tod. Dagegen besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Grundrechtsschutz des Verstorbenen aus Art.2 Abs.1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist (vgl BVerfGE_30,173 <194>). Das gemäß Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht scheidet damit als unmittelbarer Prüfungsmaßstab des angegriffenen Urteils aus. Der Beschwerdeführerin ist auch nicht darin zuzustimmen, dass die Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem aus Art.1 Abs.1 GG resultierenden Schutz identisch seien. Eine solche Annahme liefe im Ergebnis auf eine Gleichsetzung der Menschenwürde mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hinaus, welche weder der normativen Bedeutung von Art.1 Abs.1 GG gerecht würde noch in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Stütze fände. Das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr in ständiger Rechtsprechung die Differenz zwischen Menschenwürde und allgemeinem Persönlichkeitsrecht, wie sich etwa daraus ergibt, dass die Menschenwürde im Konflikt mit der Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist, während es bei einem Konflikt der Meinungsfreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht regelmäßig zu einer Abwägung kommt (vgl BVerfGE_93,266 <293 f>). Angesichts der größeren Reichweite des Persönlichkeitsschutzes lebender Personen gegenüber dem Verstorbener scheidet eine Annahme der Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann aus, wenn sie nicht einmal am Maßstab des Persönlichkeitsschutzes Lebender Erfolg haben könnte. | |
b) Wäre das angegriffene Urteil zum Persönlichkeitsschutz Lebender ergangen, wäre von einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auszugehen gewesen. Zu den Schutzaspekten, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt, gehört das "Recht am eigenen Bild" (vgl BVerfGE_101,361 <380 ff>; stRspr). Dieses Recht gewährleistet dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Verwendung seines Bildes durch Dritte geht. Auch die stilisierte Abbildung einer Person auf einer Münze fällt in den Schutzbereich des Grundrechts, wenn die Person - wie hier - eindeutig zu identifizieren ist. | |
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt allerdings nicht schrankenlos. Die Persönlichkeitsentfaltung ist gemäß Art.2 Abs.1 GG in die Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung verwiesen. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die sich formell und materiell mit dem Grundgesetz im Einklang befinden. Das ist bei § 23 KUG, auf welchen der Bundesgerichtshof sein Urteil gestützt hat, der Fall (vgl BVerfGE_101,361 <386 f>). | |
c) Die Auslegung und Anwendung verfassungsmäßiger Vorschriften des Zivilrechts ist Sache der Zivilgerichte. Sie müssen dabei aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bedeutung und Tragweite der von ihren Entscheidungen berührten Grundrechte beachten, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl BVerfGE_7,198 <205 ff>). Da der Rechtsstreit ungeachtet des grundrechtlichen Einflusses ein privatrechtlicher bleibt und seine Lösung in dem - grundrechtsgeleitet interpretierten - Privatrecht findet, ist das Bundesverfassungsgericht darauf beschränkt, nachzuprüfen, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl BVerfGE_18,85 <92 f>). Dagegen ist es nicht seine Sache, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie den Streitfall im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl BVerfGE_94,1 <9 f>). Ein Grundrechtsverstoß, der zur Beanstandung der angegriffenen Entscheidungen führt, liegt nur dann vor, wenn übersehen worden ist, dass bei Auslegung und Anwendung der verfassungsmäßigen Vorschriften des Privatrechts Grundrechte zu beachten waren, wenn der Schutzbereich der zu beachtenden Grundrechte unrichtig oder unvollkommen bestimmt oder ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist, so dass darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet und die Entscheidung auf diesem Fehler beruht (vgl BVerfGE_101,361 <388>). | |
d) Unter Beachtung dieses Prüfungsumfangs ist das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
aa) Das ist unproblematisch mit Blick auf die rechtlichen Maßstäbe, von denen der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht ungeachtet des entgegengesetzten Ergebnisses übereinstimmend ausgegangen sind. Nach Ansicht beider Gerichte müssen es sich "absolute" Personen der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs.1 Nr.1 KUG grundsätzlich gefallen lassen, der Öffentlichkeit auch ohne Einwilligung im Bild vorgestellt zu werden. Diese Duldungspflicht sei aber nicht schrankenlos. § 23 Abs.1 Nr.1 KUG wolle dem Interesse der Allgemeinheit an einer Unterrichtung über Persönlichkeiten der Zeitgeschichte dienen, weil und soweit die Öffentlichkeit sie als der Beachtung besonders wert empfinde. Der Schutzzweck der Regelung erfasse daher keine Veröffentlichungen, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen sei. Da auch Personen der Zeitgeschichte Anspruch darauf hätten, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nehme, dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass das in § 23 Abs.1 Nr.1 KUG geschützte allgemeine Publikationsinteresse in einem Spannungsverhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten stehe. Daher könne sich auf § 23 Abs.1 Nr.1 KUG nicht berufen, wer nicht einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkomme, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befördern wolle. | |
Mit diesen Erwägungen hat der Bundesgerichtshof ebenso wie zuvor bereits das Oberlandesgericht den Grundrechtsbelangen hinreichend Rechnung getragen. Der Bundesgerichtshof hat die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs.1 Nr.1 KUG nach dem Maßstab des Informationsinteresses der Allgemeinheit bestimmt. Dieser Ansatz ist - wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 15. Dezember 1999 ausdrücklich festgestellt hat - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfGE_101,361 <391>). Ebenso wenig begegnet es verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Bundesgerichtshof § 23 Abs.1 Nr.1 KUG für unanwendbar hält, wenn das Bild einer Person ausschließlich zu Werbezwecken für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Marke eingesetzt wird. | |
bb) Auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs auf der Rechtsanwendungsebene lassen keine verfassungsrechtlichen Fehler erkennen. Im Bereich der Rechtsanwendung liegt die Differenz zwischen Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof. Die Gerichte haben die Frage, ob die Beklagte des Ausgangsverfahrens mit der Herstellung und dem Vertrieb der "Abschiedsmedaille" ausschließlich eigene kommerzielle Interessen verfolgt oder zugleich ein schutzwürdiges Publikationsinteresse wahrgenommen hat, unterschiedlich beantwortet. Dass der Bundesgerichtshof dabei im Gegensatz zum Oberlandesgericht den Münzen einen gewissen Informationsgehalt beigemessen hat und davon ausgegangen ist, dass hinter dem Vertrieb der "Abschiedsmedaille" neben dem kommerziellen Interesse der Beklagten auch ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit stehe, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. | |
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der im Zentrum des Rechtsstreits stehenden Frage nach dem Informationsgehalt der Münze intensiv auseinander gesetzt und ist davon ausgegangen, dass ein zu berücksichtigendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit umso näher liegt, je stärker sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf eine Person richtet. Bei einer Persönlichkeit wie Willy Brandt sei das im besonderen Maße der Fall. Bei ihm liege bei der Veröffentlichung seines Bildes jedenfalls dann ein schutzwürdiges Publikationsinteresse vor, wenn sein Bild in einen für den Betrachter deutlichen Zusammenhang mit seinen Leistungen als Politiker und Staatsmann gestellt werde. Dies sei hier durch die aussagekräftigen Symbole und durch schlagwortartige verbale Umschreibungen seiner Leistungen und Ämter geschehen. Der Bundesgerichtshof hat sich auch mit dem Argument der Beschwerdeführerin, der Beklagte habe gerade das Sammler- und Anlageinteresse ansprechen wollen, auseinander gesetzt. Er ist davon ausgegangen, dass sich das Sammlerinteresse und die Bedeutung der Münze als Informationsträger nicht ausschlössen, sondern ohne weiteres nebeneinander stehen könnten. | |
Mit diesen Erwägungen hat der Bundesgerichtshof sein Verständnis der umstrittenen Bildveröffentlichung Willy Brandts unter Beachtung aller maßgeblichen Aspekte schlüssig begründet. Mehr fordert die Verfassung nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit nur die Beachtung der Anforderungen, welche die Verfassung an das Verständnis von Äußerungen richtet (vgl BVerfGE_94,1 <9>) und die sinngemäß auf das Verständnis von Abbildungen zu übertragen sind (vgl. BVerfG, 1.Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S.1026), sicherzustellen. Dagegen ist es nicht seine Sache, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden. Dementsprechend hat es auch den Informationscharakter der umstrittenen Münzedition nicht selbst abschließend zu beurteilen oder das Verständnis der Münzen, welches der Bundesgerichtshof zugrunde gelegt hat, durch ein anderes zu ersetzen, das es für treffender hält. | |
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Verfassungsbeschwerde auch keine Aspekte darzulegen vermocht, welche vom Bundesgerichtshof nicht berücksichtigt worden wären. Letztlich will sie mit ihrer Verfassungsbeschwerde erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht auf der Rechtsanwendungsebene die entscheidende Frage nach dem Informationsgehalt der Münze anders als der Bundesgerichtshof und wieder so wie das Oberlandesgericht beantwortet. Dass dies zum Persönlichkeitsschutz notwendig wäre, hat sie allerdings nicht aufzeigen können." | |
Auszug aus BVerfG B, 25.08.00, - 1_BvR_2707/95 -, www.BVerfG.de, Abs.5 ff | |
§§§ | |
00.037 | Grundbucheinsicht |
| |
LB 1) Da § 12 GBO kein allgemeines Einsichtsrecht gewährt, ist das Erfordernis einer Darlegung des berechtigten Interesses verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
LB 2) Die Darlegung des berechtigten Interesses ist weniger als Glaubhaftmachung und nicht mit der Darlegung eines rechtlichen Interesses zu verwechseln. | |
LB 3) Verlangt die Presse Einsicht in das Grundbuch müssen die Anforderungen an das berechtigte Interesse selbst und an dessen Darlegung der Besonderheit einer freien Presse Rechnung tragen. Das von der Presse dargelegte Informationsinteresse muß vom Grundbuchamt als solches - also nach Prüfung seines Bestehens ohne eigene Bewertung - dem weiteren Vorgehen zu Grunde gelegt werden. | |
LB 4) Ist eine publizistisch geeignete Information zu erwarten, wenn sich die Vermutung als zutreffend erweist, dann ist mit der Darlegung dieser Vermutung auch das Informationsinteresse hinreichend belegt. | |
LB 5) Eine Abwägung mit den Interessen der Eingetragenen an der Nichtzugänglichkeit der Daten kommt im Zuge der Prüfung der Eignung und Erforderlichkeit nicht in Betracht. | |
LB 6) Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung kommt der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und dem Persönlichkeitsrecht Bedeutung zu. Dabei hat das Zugangsinteresse der Presse Vorrang, wenn es um Fragen geht, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen und wenn die Recherche der Aufbereitung einer ernsthaften und sachbezogenen Auseinandersetzung dient. | |
LB 7) Ein Anhörung des Eigentümers des Grundstücks im Rahmen der Anwendung des § 12 GBO ist verfassungsrechtlich nicht geboten. | |
§§§ | |
00.038 | Auskunftsanspruch |
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LB 1) § 15 Abs.1 BVerfSchG ermächtigt nicht dazu einen Antrag mit dem Auskunft über sämtliche zur Person gespeicherte Daten begehrt wird pauschal abzulehnen. | |
LB 2) Soweit § 15 Abs.2 BVerfSchG den in § 15 Abs.1 BVerfSchG grundsätzlich gewährten Auskunftsanspruch durch eine Reihe gegenläufiger Belange einschränkt, darf die Auskunft nur abgelehnt werden, soweit der behördliche Umgang mit jeweiligen Informationen und Daten überhaupt auf Grund bestimmter Belange geheimhaltungsbedürftig ist und eine im Einzelfall erfolgende Abwägung solcher konkret bestehender Belange mit den geschützten Interessen der betroffenen Person ergibt, dass diese Interessen zurückstehen müssen. | |
LB 3) Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen, damit sie der gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind. | |
LB 4) Die Beurteilung der Geheimhaltungsbedürftigkeit erfordert auch im Bereich der Aufgaben des Verfassungsschutzes eine differenzierte Betrachtung und darf sich nicht in abstrakten Überlegungen erschöpfen. | |
LB 5) Wird ein Auskunftsanspruch zugunsten des Betroffenen geändert, ist es ihm umbenommen, einen neuen Antrag auf Auskunft zu stellen, der nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen beschieden werden muß. | |
LB 6) Darlegungsanforderungen im Rahmen von Auskunftsansprüchen (§ 50 Abs.1 S.2 BerlASOG) dienen dazu, der Behörde die Auskunft zu erleichtern und diese zugleich im Interesse des Auskunftsbegehrenden zu beschleunigen. Ein Auskunftsanspruch ohne nähere Darlegung darf keineswegs ohne weiteres abgelehnt werden. | |
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T-00-23 | Darlegungsanforderungen |
"Der vorliegende Rechtsstreit gibt keinen Anlass, solche Grundsatzfragen aufzuwerfen. Durch die seit dem Volkszählungsurteil erfolgte gesetzliche Ausgestaltung von Auskunftsrechten und -pflichten tragen die Gesetzgeber dem in Art.2 Abs.1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG enthaltenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl BVerfGE_65,1 <41 ff> ) Rechnung und ermöglichen es den Bürgern, gegebenenfalls gerichtlichen Rechtsschutz gegen einen unrechtmäßigen Umgang mit Daten in Anspruch zu nehmen. Durch den grundsätzlich gewährleisteten Anspruch auf Auskunft oder gegebenenfalls auf Akteneinsicht hat sich die Rechtsposition der Beschwerdeführerin im Vergleich zu der bis dahin zugrunde gelegten Lage verstärkt. | |
Der gesetzlich gewährleistete Auskunfts- oder auch Akteneinsichtsanspruch wird in beiden Regelungen zum einen mit Darlegungsanforderungen versehen, zum anderen zugunsten der den Kenntnisinteressen entgegenstehenden Belange eingeschränkt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ändert das nichts daran, dass die neuen gesetzlichen Regelungen eine für sie günstigere Rechtslage geschaffen haben. | |
a) Die in den Gesetzen enthaltenen Darlegungsanforderungen stellen die Auskunftserteilung nicht im Ergebnis wieder in ein Ermessen oder jedenfalls nicht in ein der vormaligen Rechtslage entsprechendes Ermessen der Behörde. Ein Auskunftsantrag ohne nähere Darlegungen darf auch keineswegs ohne weiteres abgelehnt werden. | |
aa) § 50 Abs.1 Satz 2 ASOG Bln, nach dem in dem Antrag die Art der Daten, über die Auskunft begehrt wird, näher bezeichnet werden soll, stellt eine Soll-Vorschrift dar, die dem Zweck dient, der Behörde die Auskunftserteilung zu erleichtern und diese zugleich im Interesse des Auskunftsbegehrenden zu beschleunigen (vgl die Begründung zu § 11 des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung | |
bb) § 15 Abs.1 BVerfSchG macht die Auskunftspflicht von dem Hinweis auf einen konkreten Sachverhalt und von einem besonderen Auskunftsinteresse abhängig. Die Beschwerdeführerin kann diese Anforderungen im Hinblick auf den Sachverhalt erfüllen, den sie im Ausgangsverfahren und in der Verfassungsbeschwerde vorgetragen hat. Aber auch soweit sie keine näheren Angaben macht, ist § 15 Abs.1 BVerfSchG nicht zu entnehmen, dass das Bundesamt für Verfassungschutz ihren Antrag ohne weiteres ablehnen dürfte. Nach dem einfachgesetzlichen Regelungsgehalt, der unter Beachtung der Grundrechtsvorgaben auszulegen und anzuwenden ist, entfällt in einem solchen Fall lediglich die Auskunftspflicht (vgl auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 12/4094, S.3, 11 ff). Das verbleibende Ermessen, Auskunft zu erteilen, ist nach Maßgabe des Zwecks der Regelung auszuüben. Neben dem auch den allgemeinen einschlägigen Vorschriften zugrunde liegenden Ziel, einen im Hinblick auf das Informationsinteresse unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, soll die Regelung Ausforschungsgefahren begegnen. Dabei handelt es sich um einen legitimen Belang, sofern die gestellten Anforderungen mit Rücksicht auf die konkrete Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich und im Hinblick auf das jeweilige Informationsinteresse verhältnismäßig sind. Die Möglichkeit, jeden Antrag, mit dem Auskunft über sämtliche zur Person gespeicherten Daten begehrt wird, pauschal abzulehnen, ergibt § 15 Abs.1 BVerfSchG nicht. | |
b) Die in den Bestimmungen jeweils enthaltenen Einschränkungen zugunsten der den Kenntnisinteressen entgegenstehenden Belange führen ebenfalls nicht dazu, dass die Auskunftserteilung wieder im Ermessen der Behörde stünde oder ohne weiteres verweigert werden könnte. Die Beschwerdeführerin hätte bei neuen Auskunftsanträgen auch keine gleich oder ähnlich lautenden Bescheide zu erwarten. | |
Die Gesetzgeber haben den Auskunftsanspruch in eingegrenzter Weise gewährleistet, nämlich nur soweit legitime Belange, die das Recht auf Kenntnisgewähr überwiegen, diesem entgegenstehen. Die gesetzlichen Vorgaben zielen dabei auf die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Zugleich sehen sie einen Anspruch des Betroffenen vor, die Gründe für eine Entscheidung zu erfahren, auf Grund derer die Verwaltung dem Betroffenen den ihm rechtlich prinzipiell zustehenden Anspruch verweigert. Dabei haben die Gesetzgeber die Pflicht zur Begründung ihrerseits im Hinblick auf die der Verweigerung der Kenntnisgewähr zugrunde liegenden Geheimhaltungsbelange eingeschränkt. Denn diese Pflicht reicht nicht so weit, dass die Gründe einer Ablehnung der Kenntnisgewähr in einer Weise dargelegt werden müssten, die eine Offenbarung der geheimzuhaltenden Tatsachen bedeutete (vgl dazu BVerwGE_74,115 <120>; OVG Berlin, NVwZ 1987, S.817 <820>). Im Falle einer nur eingeschränkten Begründung der Auskunftsablehnung muss aber wiederum dargelegt werden, dass deren Voraussetzungen vorliegen, damit die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht vollständig verschlossen bleibt (vgl dazu BVerwGE_74,115 <120, 124>; OVG Bremen, NJW 1987, S.2393 <2396>; OVG Berlin, NVwZ 1987, S.817 <820>). | |
aa) Nach § 50 Abs.2 ASOG Bln besteht eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht, soweit eine Abwägung ergibt, dass die schutzwürdigen Belange der betroffenen Person hinter dem öffentlichen Interesse an der Geheimhaltung oder einem überwiegenden Geheimhaltungsinteresse Dritter zurückstehen müssen. Für diese am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Konkretisierung des Leistungsrechts auf Auskunft ist gesetzlich gesichert, dass - wie es den das Individuum schützenden Grundrechtsmaßgaben entspricht - die schutzwürdigen Belange gerade der betroffenen Person in der Abwägung zu beachten sind. Damit ist insbesondere die dem im Verfahren 1_BvR_586/90 angegriffenen Bescheid unter anderem in verallgemeinerter Form zugrunde liegende Erwägung ausgeschlossen, zur Vermeidung einer Ausforschung werde in einer schematischen Abfolge die Auskunft auch bei Fehlen jeglicher Daten verweigert, da bereits durch die Differenzierung zwischen Negativauskunft und Auskunftsverweigerung Rückschlüsse über die Datenspeicherung gewonnen werden könnten. Danach könnte es im vorliegenden Fall sein, dass über die Beschwerdeführerin keine Daten gespeichert sind, dass ihr aber als in der schematischen Abfolge zehnte Person keine Auskunft erteilt worden ist. Ein solches Vorgehen entsprach nur unter der streng zu begrenzenden Ausnahme besonders geheimhaltungsbedürftiger Bereiche, in denen bereits der Möglichkeit des Rückschlusses auf vorhandene Datenspeicherungen überwiegende staatliche Belange entgegenstehen, dem Gesetz. Im Übrigen wäre es mit dem den Betroffenen nach § 50 Abs.1 Satz 1 ASOG Bln jeweils individuell grundsätzlich zustehenden Auskunftsanspruch unvereinbar. | |
Im Einklang mit den grundrechtlichen Maßgaben ist § 50 Abs.2 ASOG Bln im Übrigen zu entnehmen, dass die Auskunft nur verweigert werden darf, soweit der polizeiliche Umgang mit den jeweiligen Informationen und Daten überhaupt auf Grund konkretisierter Belange geheimhaltungsbedürftig ist und eine im Einzelfall erfolgende Abwägung solcher Belange mit den geschützten Interessen des Auskunftsbegehrenden ergibt, dass diese Interessen zurückstehen müssen. Eine Kenntnisverweigerung ist grundsätzlich hinreichend zu begründen. Von einer Begründung darf nach § 50 Abs.3 ASOG Bln nur insoweit abgesehen werden, als durch die Mitteilung der Gründe, auf die die Entscheidung gestützt wird, der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet würde. Dabei hat die Behörde auch die Möglichkeit von Teilauskünften zu prüfen. Wird die Auskunft nicht gewährt, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie sich an den Datenschutzbeauftragten wenden kann. Soweit die Behörde die Auskunft verweigert und dies lediglich in begrenzter Weise begründet, muss sie triftig darlegen, dass die Voraussetzungen einer eingeschränkten Begründung der Auskunftsablehnung gegeben sind. Es reicht nicht aus, wenn die Begründung einer Auskunftsverweigerung pauschal auf eine Gefährdung der Effektivität der behördlichen Aufgabenerfüllung oder eine Geheimhaltungsbedürftigkeit wegen der Natur der Sache verweist, den Gesetzestext wiederholt oder pauschal auf eine Gefährdung des Zwecks des Auskunftsverweigerungsrechts hinweist (vgl BVerwGE_74,115 <120 f>; OVG Berlin, NVwZ 1987, S.817 <820>). Ausführungen, die sich - wie in dem im Verfahren 1_BvR_586/90 angegriffenen Bescheid - darauf beschränken, die maßgebliche Vorschrift wieder zu geben, das Abwägungsergebnis der Auskunftsablehnung mitzuteilen und jede nähere Begründung mit einem pauschalen Hinweis darauf vorzuenthalten, anderenfalls werde der Zweck der Auskunftsablehnung unterlaufen, würden den Anforderungen der neuen gesetzlichen Regelung nicht gerecht, es sei denn, durch jede nähere Mitteilung der Gründe werde der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet. In einem solchen Fall bliebe - außer der Einschaltung des Datenschutzbeauftragten - allerdings eine gerichtliche Überprüfung der Gründe nach den vom Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 27.Oktober 1999 dargelegten Grundsätzen möglich (BVerfGE_101,106 <124 ff>). | |
bb) Nach § 15 Abs.2 BVerfSchG unterbleibt die Auskunftserteilung, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist, durch die Auskunftserteilung Quellen gefährdet sein können oder die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu befürchten ist oder die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Norm grenzt den nach § 15 Abs.1 BVerfSchG grundsätzlich gegebenen Auskunftsanspruch durch eine Reihe konkretisierter gegenläufiger Belange ein. Auch in diesem Rahmen darf die begehrte Auskunft nur abgelehnt werden, soweit der behördliche Umgang mit den jeweiligen Informationen und Daten überhaupt auf Grund bestimmter Belange geheimhaltungsbedürftig ist und eine im Einzelfall erfolgende Abwägung solcher konkret bestehenden Belange mit den geschützten Interessen der betroffenen Person ergibt, dass diese Interessen zurückstehen müssen. Die Gründe der Auskunftsverweigerung sind aktenkundig zu machen; dadurch werden sie der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. In der Norm ist ebenfalls die Einschaltung des Datenschutzbeauftragten vorgesehen (§ 15 Abs.4 Sätze 3 bis 5 BVerfSchG). | |
Die Beurteilung der Geheimhaltungsbedürftigkeit erfordert auch im Bereich der Aufgaben des Verfassungsschutzes eine differenzierende Betrachtung und darf sich nicht in abstrakten Überlegungen erschöpfen (vgl BVerfGE_101,106 <125> ; BVerwGE_74,115 <120 ff>; OVG Bremen, NJW 1987, S.2393 <2395 ff>). Der in dem Verfahren 1 BvR 673/90 angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die Auskunftsablehnung wird dagegen unter Hinweis auf die in § 13 Abs.2 in Verbindung mit § 12 Abs.2 Nr.1 BDSG aF vorgesehene Befreiung von der grundsätzlichen Auskunftspflicht damit begründet, dass die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben die generelle Geheimhaltung etwaiger Erkenntnisse erfordere und das öffentliche Interesse an einer Geheimhaltung der Ermittlungsarbeit Vorrang vor dem privaten Interesse auf Auskunftserteilung habe. Er beschränkt sich somit auf eine floskelhafte Wiedergabe von Gesichtspunkten, die abstrakt unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmtem Umfang eine Geheimhaltungsbedürftigkeit begründen könnten, konkret aber nicht vorliegen müssen, und lässt im Übrigen eine Abwägung nicht erkennen. Eine solche abstrakt-pauschale Abwägung zugunsten einer Regelablehnung wäre mit der neuen gesetzlichen Bestimmung des § 15 BVerfSchG nicht in Einklang zu bringen. | |
3. Nach allem könnte die Beschwerdeführerin im Falle neuer Auskunftsanträge mit ihrem Begehren bereits beim Polizeipräsidenten und beim Bundesamt für Verfassungsschutz Erfolg haben. Soweit sie vorbringt, an einer erneuten Antragstellung gehindert zu sein, übersieht sie, dass ihr Begehren jeweils rechtskräftig abgelehnt worden ist, neuen Anträgen angesichts der geänderten Rechtslage aber nichts entgegensteht. | |
Im Übrigen ist nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Auskunftsverweigerung nach altem Recht hat. Das Rechtsschutzinteresse für eine Verfassungsbeschwerde muss nicht nur bei Antragseingang, sondern auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen (vgl BVerfGE_21,139 <143>; BVerfGE_81,138 <140>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 10.10.00, - 1_BvR_586/90 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.8 ff | |
§§§ | |
00.039 | Deutschland muß sterben |
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LB 1) Das Lied "Deutschland muß sterben" der Hamburger Punkrock-Gruppe Slime ist Kunst im Sinne Art.5 Abs.3 GG. | |
LB 2) Die Kunstfreiheit schützt auch die Verbreitung des Liedes, also den Wirkbereich des Kunstwerks. | |
LB 3) Eine Gefährdung des Bestandes der rechtsstaatlichen verfassten Demokratie in der BRD kann zwar, da es sich um ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut handelt grundsätzlich eine Einschränkung der Kunstfreiheit rechtfertigen. Ob aber das einmalige Abspielen eines dreiminütigen Liedes vor 50 Versammlungsteilnehmern, die öffentlichtlich durchweg das Lied bereits kannten und mitsangen, die gebührende Achtung der Bürger vor dem Staat ausgehölt und untergraben werden kann, erscheint zumindest zweifelhaft. | |
* * * | |
Beschluss | Entscheidungsformel: |
§§§ | |
00.040 | Kundenkonten |
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LB 1) Die Auskunftspflicht des § 93 AO 1977 beruht auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage, ist durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls begründet und verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. | |
LB 2) Die Pflicht der Energieversorgungsunternehmen, den Finanzämtern im Rahmen der Vollstreckung von Steuerforderungen nach § 93 AO 1977 Auskunft über die Kontoverbindungen ihrer Kunden zu erteilen ist eine zumutbare Belastung, die das Grundgesetz nicht verletzt. | |
§§§ | |
00.041 | EALG |
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1) Eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung von Vermögensschäden, die eine nicht an das Grundgesetz gebundene Staatsgewalt zu verantworten hat, lässt sich nicht aus einzelnen Grundrechten herleiten. Sie kann sich jedoch aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ergeben. Bei der Ausgestaltung der Wiedergutmachung im Einzelnen sind das Rechtsstaatsprinzip und der allgemeine Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot zu beachten. | |
2) Zur Anwendung dieser Grundsätze auf die Wiedergutmachung von Vermögensschäden nach dem Entschädigungsgesetz, dem Ausgleichsleistungsgesetz und dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz. | |
3) Die Jahresfrist des § 93 Abs.3 BVerfGG für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz ist nach den §§ 187 ff BGB zu berechnen. Demzufolge endet die Frist, wenn das angegriffene Gesetz am Beginn eines Tages in Kraft getreten ist, gemäß § 187 Abs.2 in Verbindung mit § 188 Abs.2 Alternative 2 BGB mit dem Ablauf des Tages des letzten Monats des Folgejahres, der dem Tag vorausgeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. | |
§§§ | |
00.042 | Bennetton-Werbung |
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1) Die Pressefreiheit eines Zeitschriftenverlegers kann verletzt werden, wenn ihm die Veröffentlichung von Werbeanzeigen untersagt wird, für die der Werbende den Schutz der Meinungsfreiheit genießt. | |
2) Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Imagewerbung mit gesellschaftskritischen Themen (Benetton-Werbung). | |
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T-00-24 | Pressefreiheit |
"1. Der Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst den gesamten Inhalt eines Presseorgans, darunter auch Werbeanzeigen (vgl BVerfGE_21,271 <278 f>; BVerfGE_64,108 <114>). Soweit Meinungsäußerungen Dritter, die den Schutz des Art.5 Abs.1 Satz 1 GG genießen, in einem Presseorgan veröffentlicht werden, schließt die Pressefreiheit diesen Schutz mit ein: Einem Presseorgan darf die Veröffentlichung einer fremden Meinungsäußerung nicht verboten werden, wenn dem Meinungsträger selbst ihre Äußerung und Verbreitung zu gestatten ist. In diesem Umfang kann sich das Presseunternehmen auf eine Verletzung der Meinungsfreiheit Dritter in einer gerichtlichen Auseinandersetzung berufen. Das gilt auch in einem Zivilrechtsstreit über wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche. | |
Der - hier in den Schutz der Pressefreiheit eingebettete - Schutz des Art.5 Abs.1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat (vgl BVerfGE_71,162 <175> ). Soweit eine Meinungsäußerung - eine Ansicht, ein Werturteil oder eine bestimmte Anschauung - in einem Bild zum Ausdruck kommt, fällt auch dieses in den Schutzbereich von Art.5 Abs.1 Satz 1 GG (vgl BVerfGE_30,336 <352>; BVerfGE_71,162 <175>). | |
Alle drei streitigen Werbefotos entsprechen diesen Voraussetzungen. Sie veranschaulichen allgemeine Missstände (Umweltverschmutzung, Kinderarbeit, Ausgrenzung von H.I.V.-Infizierten) und enthalten damit zugleich ein (Un-)Werturteil zu gesellschaftlich und politisch relevanten Fragen. Es sind sprechende Bilder mit meinungsbildendem Inhalt. Davon gehen auch die angegriffenen Urteile aus, wenn in ihnen ausgeführt wird, die Anzeigen prangerten das Elend der Welt an. Meinungsäußerungen, die dies bezwecken und damit die Aufmerksamkeit des Bürgers auf allgemeine Missstände lenken, genießen den Schutz des Art.5 Abs.1 Satz 1 GG in besonderem Maße (vgl BVerfGE_28,191 <202>). | |
Daran ändert es nichts, dass die Firma Benetton die genannten Themen im Rahmen einer reinen Imagewerbung aufgreift, auf jeden Kommentar verzichtet und sich nur durch das Firmenlogo zu erkennen gibt. Dadurch kann zwar der Eindruck entstehen, dass es dem werbenden Unternehmen nicht um einen Beitrag zur Meinungsbildung, sondern nur darum geht, sich ins Gespräch zu bringen. Eine solche Deutung, durch die eine subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt der Aussage in Frage gestellt wird, ist jedoch nicht die einzig mögliche, ja nicht einmal besonders nahe liegend. In der öffentlichen Wahrnehmung werden die von den Anzeigen ausgehenden Botschaften durchaus der Firma Benetton als eigene zugerechnet, und auch die Gerichte haben in dieser Hinsicht keine Zweifel geäußert. Auch nach Ansicht des Fotografen Oliviero Toscani, der die Anzeigen gestaltet hat, benutzt Benetton sie als "Vehikel, um eine antirassistische kosmopolitische und tabulose Geisteshaltung" zu verbreiten (Oliviero Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 3.Aufl 2000, S.44). | |
2. Das in den angegriffenen Urteilen bestätigte Verbot, die umstrittenen Anzeigen der Firma Benetton in der illustrierten Wochenzeitschrift "Stern" erneut abzudrucken, schränkt die Beschwerdeführerin in ihrer Pressefreiheit ein. Da das Verbot mit der Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft von sechs Monaten für den Fall eines Verstoßes verbunden ist, ist sie faktisch an einer künftigen Veröffentlichung dieser Anzeigen gehindert. | |
3. Dieses Verbot ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. | |
a) § 1 UWG, auf den der Bundesgerichtshof das Veröffentlichungsverbot stützt, ist ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art.5 Abs.2 GG (vgl BVerfGE_62,230 <245>; BVerfGE_85,248 <263> ). Es dient dem Schutz der Konkurrenten, der Verbraucher und sonstigen Marktbeteiligten sowie der Allgemeinheit (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21.Aufl 1999, UWG Einl, Rn.42, 51, 55; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5.Aufl 1998, S.13). Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung darf nicht dazu führen, dass Einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen. Diese Ziele stehen mit der Wertordnung des Grundgesetzes in Einklang (vgl BVerfGE_32,311 <316>). | |
b) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, § 1 UWG sei nicht bestimmt genug oder einer Auslegung für Fälle der vorliegenden Art von vornherein nicht zugänglich, kann dem nicht gefolgt werden. | |
Bei dem in § 1 UWG enthaltenen Verbot, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vorzunehmen, die gegen die guten Sitten verstoßen, handelt es sich um eine Generalklausel, mit der der Gesetzgeber im Hinblick auf die unübersehbare Vielfalt möglicher Verhaltensweisen im geschäftlichen Wettbewerb die missbilligten Wettbewerbshandlungen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise umschrieben hat (vgl BVerfGE_32,311 <317> ). Eine genauere Regelung erscheint nach der Eigenart des zu ordnenden Sachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck kaum möglich. Unter diesen Voraussetzungen sind unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln grundsätzlich unbedenklich. Dass auch neuartige Fallgestaltungen darunter subsumiert werden können, liegt in ihrer Funktion und ihrem Wesen begründet. Wäre dies ausgeschlossen, könnten sie der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte, die der Normzweck erfassen will, nicht gerecht werden. Die einer richterlichen Rechtsfortbildung durch Art.20 Abs.2 und 3 GG gesetzten Grenzen (vgl BVerfGE_96,375 <394 f>) hat der Bundesgerichtshof bei seiner erweiternden Auslegung des § 1 UWG gewahrt. | |
c) Ebenso wenig greifen die von der Beschwerdeführerin im Verfahren 1_BvR_1787/95 dagegen erhobenen Bedenken durch, dass sie zur Unterlassung einer künftigen Veröffentlichung der beiden Anzeigen verpflichtet wurde, weil sie deren wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit bis zum Abschluss des Verfahrens geltend gemacht und sich insoweit des Rechts berühmt hat, sie auch künftig zu veröffentlichen. Die Beschwerdeführerin sieht darin eine Verletzung ihrer Pressefreiheit, weil ihr damit auch in Zweifelsfällen eine Unterwerfung unter die Rechtsansicht des Prozessgegners beziehungsweise der Vorinstanz auferlegt werde. | |
Durch die Herleitung einer "Erstbegehungsgefahr" aus dem prozessualen Verhalten des Presseunternehmens wird die Pressefreiheit nicht verletzt. Die Anwendung dieser zu § 1004 BGB entwickelten Lehre trägt in Fällen der vorliegenden Art dem Umstand Rechnung, dass Presseunternehmen Anzeigen nur auf grobe Wettbewerbsverstöße hin zu prüfen brauchen. Mit dieser Beschränkung der Prüfungspflicht nimmt die Rechtsprechung auf die pressespezifischen Bedingungen bei der Publikation von Anzeigen und damit auch auf das Grundrecht der Pressefreiheit in angemessener Weise Rücksicht. Beim Umfang des Anzeigengeschäfts kann sich ein Presseunternehmen schwerlich in allen Einzelheiten Klarheit über die Wettbewerbsmäßigkeit einer bei ihm aufgegebenen Annonce verschaffen. Wird darüber jedoch ein Rechtsstreit geführt, so ist ihm eine verantwortliche Prüfung ohne weiteres zuzumuten. Mit der dazu geforderten Erklärung wird ihm die Berufung auf seine zunächst geringere Sorgfaltspflicht ebenso wenig abgeschnitten wie die Behauptung des Rechtsstandpunktes, die Anzeige sei nicht wettbewerbswidrig. Von einem Zwang zur Unterwerfung unter den Rechtsstandpunkt des Prozessgegners oder der Vorinstanz kann daher keine Rede sein. Dass der Bundesgerichtshof eine Erstbegehungsgefahr, die einen Unterlassungsanspruch begründet, annimmt, wenn das Presseunternehmen uneingeschränkt daran festhält, die Anzeige sei wettbewerbsrechtlich unbedenklich, leuchtet ein und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
d) Mit Erfolg macht die Beschwerdeführerin jedoch geltend, der Bundesgerichtshof habe bei seiner wettbewerbsrechtlichen Bewertung der Anzeigen Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt. | |
aa) Berührt eine zivilrechtliche Entscheidung die Meinungsfreiheit, so fordert Art.5 Abs.1 Satz 1 GG, dass die Gerichte der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung des Privatrechts Rechnung tragen (vgl BVerfGE_7,198 <206 ff>; BVerfGE_86,122 <128 f>; stRspr). Die angegriffenen Urteile beruhen auf § 1 UWG, einer Vorschrift des bürgerlichen Rechts. Dessen Auslegung und Anwendung auf den einzelnen Fall ist Sache der Zivilgerichte. Das Bundesverfassungsgericht kann nur eingreifen, wenn Fehler erkennbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl.BVerfGE_18,85 <92 f>; stRspr). Das ist hier der Fall. | |
bb) Der Bundesgerichtshof hat zwar zutreffend erkannt, dass es sich bei den Anzeigen um Meinungsäußerungen handelt, die wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Probleme zum Gegenstand haben und daher den Schutz des Art.5 Abs.1 Satz 1 GG in besonderem Maße genießen. Der Bedeutung und Tragweite dieses Grundrechts werden die angegriffenen Urteile aber bei der Auslegung des § 1 UWG und - im Fall der dritten Anzeige (H.I.V.POSITIVE) - der Anwendung dieser Norm nicht gerecht. | |
Einschränkungen des für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden Rechts der freien Meinungsäußerung (vgl BVerfGE_20,56 <97>; stRspr) bedürfen grundsätzlich einer Rechtfertigung durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritter. Das gilt für kritische Meinungsäußerungen zu gesellschaftlichen oder politischen Fragen in besonderem Maße. Dazu geben die angegriffenen Urteile jedoch keine Hinweise. Auch sonst ist dazu nichts ersichtlich. | |
aaa) Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs untersagt § 1 UWG ein Werbeverhalten, das mit der Darstellung schweren Leids von Menschen und Tieren Gefühle des Mitleids erweckt und diese Gefühle ohne sachliche Veranlassung zu Wettbewerbszwecken ausnutzt, indem der Werbende sich dabei als gleichermaßen betroffen darstellt und damit eine Solidarisierung der Verbraucher mit seinem Namen und seiner Geschäftstätigkeit herbeiführt. | |
Dieses vom Bundesgerichtshof in Auslegung des § 1 UWG formulierte Sittenwidrigkeitsurteil ist als Anstandsregel durchaus billigenswert und dürfte als solche von weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert werden. Dahinter steckt der Wunsch, in einer Gesellschaft zu leben, in der auf Leid nicht mit gefühllosem Gewinnstreben, sondern mit Empathie und Abhilfemaßnahmen, also in einer primär auf das Leid bezogenen Weise reagiert wird. Ob damit zugleich hinreichend gewichtige öffentliche oder private Belange geschützt werden, ist jedoch nicht ohne weiteres erkennbar. | |
bbb) Dass von den Anzeigen eine nennenswerte Belästigung des Publikums ausgehen könnte, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens meint, nimmt der Bundesgerichtshof selbst wohl nicht an. Verletzungen des guten Geschmacks oder eine schockierende Gestaltung von Anzeigen hält er nicht für sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine belästigende Wirkung, die grundrechtsbeschränkende Regelungen rechtfertigen könnte, kann nicht schon darin liegen, dass das Publikum auch außerhalb des redaktionellen Teils der Medien durch Bilder mit unangenehmen oder mitleiderregenden Realitäten konfrontiert wird. Das gilt auch, wenn man mit der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht eine allgemeine Zunahme derartiger Werbung durch einen Nachahmungseffekt in Rechnung stellt. Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf. Anders kann es zu beurteilen sein, wenn ekelerregende, furchteinflößende oder jugendgefährdende Bilder gezeigt werden. | |
Soweit der Kläger des Ausgangsverfahrens die Anzeigen als zudringlich und belästigend einstuft, weil sie mit suggestiver Kraft an Gefühle der Verbraucher appellieren, die mit den Produkten des werbenden Unternehmens oder seiner Geschäftstätigkeit in keinem Zusammenhang stehen, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Großteil der heutigen Werbung ist durch das Bestreben gekennzeichnet, durch gefühlsbetonte Motive Aufmerksamkeit zu erregen und Sympathie zu gewinnen. Kommerzielle Werbung mit Bildern, die mit suggestiver Kraft libidinöse Wünsche wecken, den Drang nach Freiheit und Ungebundenheit beschwören oder den Glanz gesellschaftlicher Prominenz verheißen, ist allgegenwärtig. Es mag zutreffen, dass der Verbraucher diesen Motiven gegenüber "abgehärtet" ist, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens vorträgt. Ein solcher Gewöhnungseffekt rechtfertigt es jedoch nicht, einem Appell an das bisher weniger strapazierte Gefühl des Mitleids belästigende Wirkungen zuzuschreiben. | |
ccc) Belange der Wettbewerber oder Grundsätze des Leistungswettbewerbs sind ebenfalls nicht betroffen. Der Bundesgerichtshof hebt dies ausdrücklich hervor. Dazu ist auch nichts ersichtlich. Produktunabhängige Imagewerbung hat sich eingebürgert, ohne dass der Leistungswettbewerb darunter erkennbar gelitten hat. Wettbewerber, die eine vergleichbare Werbung für geschäftsfördernd erachten, können davon ebenso Gebrauch machen wie die Firma Benetton. 59 | |
ddd) Um den Schutz der abgebildeten Personen könnte es allenfalls bei der Anzeige zur "Kinderarbeit" gehen. Eine Rechtsbetroffenheit ist aber hier nicht erkennbar. Deshalb geht auch der Bundesgerichtshof darauf nicht ein. Die abgebildeten Kinder sind nicht individualisierbar. Abgesehen davon werden sie in einer zwar mitleiderregenden, aber keineswegs abfälligen oder sonst wie negativen Sicht dargestellt. Der Werbekontext als solcher reicht für eine Verletzung menschlicher Achtungsansprüche nicht aus. | |
eee) Gemeinwohlbelange sind nicht betroffen. Der Umweltschutz, der durch Art.20a GG in den Rang eines Staatsziels erhoben worden ist, wird durch die dieses Thema betreffende Anzeige (ölverschmutzte Ente) offensichtlich nicht beeinträchtigt. Dass kommerzielle Werbung, die inhumane Zustände anprangert (Kinderarbeit, Abstempelung von H.I.V.-Infizierten), Verrohungs- oder Abstumpfungstendenzen in unserer Gesellschaft fördern und einer Kultur der Mitmenschlichkeit im Umgang mit Leid abträglich sein könnte, lässt sich jedenfalls mit Bezug auf die streitigen Anzeigen nicht feststellen. | |
cc) Insgesamt rechtfertigt allein das vom Bundesgerichtshof als Bestandteil der guten kaufmännischen Sitte bezeichnete Prinzip, dass Mitgefühl mit schwerem Leid nicht zu Werbezwecken erweckt und ausgenutzt werden dürfe, den Unterlassungsausspruch im Lichte des Grundrechts aus Art.5 Abs.1 Satz 1 GG nicht. Gemeinwohlbelange oder schutzwürdige Interessen Privater werden, wie gezeigt wurde, nicht berührt. | |
Auf der anderen Seite wird die Meinungsfreiheit hier in schwerwiegender Weise beeinträchtigt. Die Anzeigen weisen auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hin und sind auch geeignet, diesen öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der besondere Schutz, unter den Art.5 Abs.1 Satz 1 GG gerade solche Äußerungen stellt, wird nicht dadurch gemindert, dass sie, wie der Bundesgerichtshof meint, zur Auseinandersetzung über das aufgezeigte Elend nichts Wesentliches beitragen. Auch das (bloße) Anprangern eines Missstandes kann ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein. Ob eine Äußerung weiterführend ist oder ob sie sich eines Lösungsvorschlages enthält, beeinflusst den Grundrechtsschutz aus Art.5 Abs.1 Satz 1 GG grundsätzlich nicht. Dieser besteht unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (vgl BVerfGE_30,336 <347>; BVerfGE_93,266 <289> mwN). | |
dd) Nach allem hat der Bundesgerichtshof mit der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Lauterkeitsregel § 1 UWG in einer Weise ausgelegt, die einer Prüfung im Lichte der Meinungsfreiheit nicht standhält. Schon deshalb kommt die genannte Vorschrift in dieser Auslegung als Grundlage für einen Eingriff in die Pressefreiheit der Beschwerdeführerin nicht in Betracht. Das allein auf die Auslegung des § 1 UWG im Sinne der genannten Regel gestützte Urteil zu 1 BvR 1787/95 (ölverschmutzte Ente, Kinderarbeit) ist daher aufzuheben. Die Sache ist an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen. | |
ee) Das angegriffene Urteil in der Sache 1 BvR 1762/95 beruht nicht allein auf der bereits erörterten Auslegung des § 1 UWG. Der Bundesgerichtshof hält die diesem Verfahren zugrunde liegende Anzeige (H.I.V.POSITIVE) vielmehr auch deshalb für wettbewerbswidrig, weil sie in grober Weise gegen die Grundsätze der Wahrung der Menschenwürde verstoße, indem sie den AIDS-Kranken als "abgestempelt" und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt darstelle. | |
aaa) Dieser Begründung ist im Ansatz beizupflichten. Eine Auslegung des § 1 UWG dahin, dass eine Bildwerbung sittenwidrig ist, die die Menschenwürde abgebildeter Personen verletzt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie trägt einem Schutzgut Rechnung, das Beschränkungen der Meinungsfreiheit auch in dem besonders sensiblen Bereich gesellschaftlicher und politischer Kritik rechtfertigt. Art.1 Abs.1 GG verpflichtet den Staat, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde wie Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung usw. zu schützen (vgl BVerfGE_1,97 <104> ). Werbeanzeigen, die einzelne Personen oder Personengruppen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise ausgrenzen, verächtlich machen, verspotten oder sonst wie herabwürdigen, können daher grundsätzlich auch dann wettbewerbsrechtlich untersagt werden, wenn sie den Schutz der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG oder anderweitigen Grundrechtsschutz genießen. | |
bbb) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die diesbezügliche Anzeige (H.I.V.POSITIVE) hält jedoch einer Prüfung am Maßstab des Art.5 Abs.1 Satz 1 GG nicht stand. Grundsätzlich unterliegt die Deutung von Äußerungen, die durch Art.5 Abs.1 Satz 1 GG geschützt sind, nur insofern der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, als es die Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu gewährleisten hat. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, den Sinn einer umstrittenen Äußerung abschließend zu bestimmen oder eine unter Beachtung der grundrechtlichen Anforderungen erfolgte Deutung durch eine andere zu ersetzen, die es für treffender hält. Zu den grundrechtlichen Anforderungen gehört aber, dass die Äußerung unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugeschrieben wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen müssen die Gerichte sich im Bewusstsein der Mehrdeutigkeit mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinander setzen und für die gefundene Lösung nachvollziehbare Gründe angeben (vgl BVerfGE_94,1 <10 f>). | |
Der Bundesgerichtshof deutet die "H.I.V.POSITIVE"-Anzeige dahin, dass sie den AIDS-Kranken als "abgestempelt" und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt darstelle. An anderer Stelle heißt es, die Anzeige stigmatisiere den AIDS-Kranken in seinem Leid und grenze ihn gesellschaftlich aus. Einer aufkeimenden Mentalität des "Abstempelns" bestimmter Mitglieder der Gesellschaft sei entgegenzuwirken. Zumindest von H.I.V.-Infizierten selbst müsse die Anzeige als grob anstößig und ihre Menschenwürde verletzend angesehen werden. Dieser Wirkung könnten sich aber auch andere Betrachter nicht entziehen. | |
In diesem Sinne eindeutig ist die Anzeige jedoch nicht. Sie zeigt kommentarlos einen Menschen, der als "H.I.V.POSITIVE" abgestempelt erscheint. Dass damit der skandalöse, aber nicht realitätsferne Befund einer gesellschaftlichen Diskriminierung und Ausgrenzung H.I.V.-Infizierter bekräftigt, verstärkt oder auch nur verharmlost wird, drängt sich nicht auf. Mindestens ebenso nahe liegend ist die Deutung, dass auf einen kritikwürdigen Zustand - die Ausgrenzung H.I.V.-Infizierter - in anklagender Tendenz hingewiesen werden soll. Mit dem Foto könnte, wie die Beschwerdeführerin zutreffend anmerkt, auch für einen AIDS-Kongress geworben werden. | |
Die Bildsprache ist zwar reißerisch und in einem konventionellen Sinne ungehörig. Von dem abgebildeten Menschen sieht man nichts als die obere Hälfte des nackten Gesäßes, auf dem in schwarzen Großbuchstaben die Abkürzung "H.I.V." und darunter, schräg versetzt, das Wort "POSITIVE" wie aufgestempelt erscheinen. Allein daraus lässt sich aber weder Zynismus noch eine affirmative Tendenz ablesen. Die Darstellung ist, dem Medium einer Werbeanzeige entsprechend, darauf angelegt, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu fesseln. | |
Eine Deutung der Anzeige im Sinne eines kritischen Aufrufs wird auch durch den Werbekontext nicht in Frage gestellt. Dass ein Unternehmen der Textilbranche Imagewerbung mit ernsthaften gesellschaftspolitischen Themen betreibt, ist ungewohnt und steht in auffallendem Kontrast zur branchenüblichen Selbstdarstellung der Wettbewerber. Dies mag Zweifel an der Ernsthaftigkeit der kritischen Absicht nähren und im Sinne des vom Bundesgerichtshof formulierten Lauterkeitsgebots als anstößig empfunden werden. Der Eindruck indes, dass die Anzeige ihrerseits die H.I.V.-Infizierten stigmatisiere oder ausgrenze, wird auch durch den Werbekontext nicht hervorgerufen. Ihre kritische Tendenz, ihre aufrüttelnde Wirkung bleiben unübersehbar. Anders wäre es vielleicht, wenn mit der Anzeige für ein konkretes Produkt geworben würde; in der Verknüpfung mit bestimmten Gebrauchsgegenständen und Dienstleistungen könnte eine lächerlichmachende oder verharmlosende Wirkung entstehen. Der Schriftzug "United Colors of Benetton" allein erzeugt eine solche Wirkung jedoch nicht. Die Deutung der Anzeige durch den Bundesgerichtshof, nach der diese die Menschenwürde AIDS-kranker Menschen verletzt, erscheint demgegenüber wesentlich weniger nahe liegend, jedenfalls ist sie nicht die einzig mögliche. Das zeigt auch die Aussage des Fotografen Oliviero Toscani über diese Werbung: "Mit diesem Plakat wollte ich signalisieren, daß Benetton weiter an seiner Bereitschaft zur Einmischung festhält, indem wir uns gegen die Ausgrenzung von Aidskranken mit der gleichen Kraft wie gegen den Rassismus einsetzen" (aaO, S.78). | |
ff) Das mit der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1762/95 angegriffene Urteil (H.I.V.POSITIVE) genügt damit nicht den Anforderungen, die zum Schutz der Meinungsfreiheit an die Deutung von Meinungsäußerungen zu stellen sind. Der Bundesgerichtshof hat die nahe liegende Möglichkeit verkannt, dass mit der Anzeige die öffentliche Aufmerksamkeit in kritischer Absicht auf eine tatsächlich anzutreffende Diskriminierung und Ausgrenzung AIDS-Kranker gerichtet werden sollte. In dieser Deutung liegt eine Verletzung der Menschenwürde von AIDS-Kranken nicht vor. Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache wird der Bundesgerichtshof der aufgezeigten Deutungsalternative nachzugehen haben." | |
Auszug aus BVerfG U, 12.12.00, - 1_BvR_1762/95 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.39 ff | |
§§§ | |
00.043 | Singularzulassung |
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Die Regelung über die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten in § 25 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist mit Art.12 Abs.1 GG unvereinbar. | |
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Urteil | Entscheidungsformel: |
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T-00-25 | Unvereinbarkeit der Singularzulassung |
"Die Verfassungsbeschwerde ist im Wesentlichen begründet. | |
Die in § 25 BRAO angeordnete Singularzulassung ist mit Art.12 Abs.1 GG unvereinbar. Einer Prüfung auch am Maßstab des Art.3 Abs.1 GG bedarf es daher nicht. Zurückzuweisen ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richtet, weil in einer Übergangszeit das bisher geltende Recht auf den Beschwerdeführer weiter anwendbar ist. | |
Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende Regelung beeinträchtigen die Berufsausübung des Beschwerdeführers. Ihm wird ein Teil der beruflichen Betätigung verschlossen, die Rechtsanwälten in anderen Bundesländern generell eröffnet und die unter anderem in Nordrhein-Westfalen den beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten ist. § 25 BRAO verbietet die Zulassung eines bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts bei einem anderen Gericht. In Verbindung mit § 78 Abs.1 und 2 ZPO wird damit die Postulationsfähigkeit des bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts im Zivilprozess auf Prozesse beschränkt, die bei diesem Oberlandesgericht geführt werden. Gleichzeitig werden andere Rechtsanwälte, die - wie der Beschwerdeführer - nicht bei diesem Oberlandesgericht zugelassen sind, von der forensischen Tätigkeit bei diesem Oberlandesgericht in Verfahren mit Anwaltszwang ausgeschlossen. | |
Solche gesetzlichen Regelungen der Berufsausübung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfGE_93,362 <369>; BVerfGE_85,248 <259> mwN). Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Regelung zu dienen bestimmt ist (vgl BVerfGE_30,292 <316 f>; stRspr). Die angegriffene Regelung genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. | |
1. Das Institut der Singularzulassung ist ursprünglich auf eine Vielzahl von Gemeinwohlbelangen gestützt worden. Dazu zählten die Rechtstradition und eine Entsprechung dieses Instituts auch im System der Zivilprozessordnung (vgl BRDrucks 258/52, S.23, 25 f; vgl auch Stenografisches Protokoll der 15.Sitzung des Rechtsausschusses des 3.Deutschen Bundestages vom 27.März 1958, S.4 ff) sowie die Vorteile für die Rechtspflege durch eine bessere Erreichbarkeit der postulationsberechtigten Anwälte und durch die Erleichterung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gericht und örtlich niedergelassener Anwaltschaft (vgl die Nachweise bei Berger, JW 1913, Zugabe zur JW Nr.13, S.7; Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 18.Februar 1959, 3.WP, 61.Sitzung, S.3311 <3325>). Mit den letztgenannten Gründen hatte der Gesetzgeber auch § 78 ZPO aF während seiner Geltungsdauer gerechtfertigt: Die auf das Gericht der Zulassung erster Instanz beschränkte Postulationsfähigkeit sollte der zügigen Durchführung der Zivilprozesse, der Förderung der vertrauensvollen Zusammenarbeit von Gericht und Anwaltschaft und der Verbesserung der anwaltlichen Beratung durch Kenntnis örtlicher Gepflogenheiten dienen. Diese Belange hat der Gesetzgeber jedoch im Zuge der Reform des anwaltlichen Berufsrechts selbst nicht mehr für tragfähig erachtet, um eine Beschränkung der Postulationsfähigkeit vor den Landgerichten zu rechtfertigen (vgl hierzu BVerfGE_93,362 <370> unter Bezugnahme auf BTDrucks 12/7868). | |
a) Nachteile, die sich aus der Wahrnehmung auswärtiger Termine durch Anwälte für die Gerichtsbarkeit ergeben könnten, hat der Gesetzgeber angesichts des technischen Fortschritts als nicht mehr erheblich angesehen. Die gestiegene Mobilität als Folge einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur sowie die Existenz von modernen Telekommunikationsmitteln (beispielsweise Handys, Faxgeräten, Laptops) und die Möglichkeit, per E-Mail auch umfangreiche Schriftsätze jederzeit an die Kanzlei und zunehmend auch an Gerichte befördern zu können, leisten Gewähr für eine Erreichbarkeit des Anwalts, solange ihm die Festlegung eines Kanzleisitzes am Ort der Zulassung vorgeschrieben bleibt. Die Abstimmung von Terminen wurde in allen anderen Gerichtsbarkeiten und in Strafsachen schon bisher und inzwischen auch bei den Amts- und Landgerichten in Zivilsachen ohne ortsgebundene Anwaltschaft bewältigt. Bei den Oberlandesgerichten gibt es keine Besonderheiten, die insoweit fortbestehende Gemeinwohlbelange belegen könnten. Die Häufigkeit von Reisen zu auswärtigen Terminen wird davon abhängen, wie wichtig für Mandant oder Rechtsanwalt die persönliche Wahrnehmung eines Termins ist, welche Verantwortung der Anwalt im konkreten Fall übernommen hat und inwieweit er unterschiedliche Aufgaben miteinander vereinbaren kann (vgl BTDrucks 12/4993, S.42 f). Auch mit simultan bei den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsanwälten können Termine sachgerecht und zügig abgestimmt werden. | |
b) Auch von dem Ziel einer auf persönlichem Kontakt beruhenden vertrauensvollen Zusammenarbeit von Richtern und Anwaltschaft als einem Belang der Rechtspflege hat sich der Gesetzgeber in der Zivilgerichtsbarkeit für die Amts- und Landgerichte verabschiedet (BTDrucks 12/4993, S.43). Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Gesichtspunkt als tragender Grund für die Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten aufrechterhalten worden ist. | |
c) Als Gemeinwohlbelang zur Rechtfertigung der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten kann auch nicht die Spezialisierung der dort tätigen Anwaltschaft herangezogen werden. Das gilt sowohl für die Spezialisierung in einzelnen Fachbereichen (bb) als auch für die vertiefte Kenntnis der Rechtsprechung eines bestimmten Gerichts (aa). Das Gewicht der genannten Gemeinwohlbelange ist in diesem Zusammenhang so geschwunden, dass sie zur Rechtfertigung der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten nicht mehr ins Feld geführt werden können. Sie beruhten historisch auf Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die entfallen sind. Zudem hat der Gesetzgeber mit der veränderten Ausgestaltung der Prozessordnungen und des Berufsrechts der Anwälte zu erkennen gegeben, dass diese Gesichtspunkte nicht mehr tragfähig sind. | |
aa) Zwar kann die Kenntnis der Rechtsprechung eines bestimmten Gerichts und eventueller örtlicher Besonderheiten dem Mandanten zugute kommen; in berufungsfähigen Rechtsstreitigkeiten sind solche Kenntnisse aber nicht erst vor dem Berufungsgericht, sondern schon in erster Instanz insofern von erheblichem Nutzen, als hierdurch die Durchführung eines Berufungsverfahrens vermieden werden kann. Solche Umstände wären überdies für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in der die zweite Instanz regelmäßig abschließend über Landesrecht befindet, von größerer Bedeutung als für die Zivilgerichtsbarkeit. Dort aber wurde die Postulationsfähigkeit in Berufungsverfahren nie auf einen kleinen Kreis zugelassener Rechtsanwälte beschränkt. | |
bb) Die Spezialisierung der Anwaltschaft ist inzwischen außerhalb des Bereichs der Singularzulassungen mit Unterstützung des Gesetzgebers (vgl nur §§ 59a, 59b Abs.2 Nr.2 und § 59c BRAO) weit verbreitet. | |
Soweit sich zuvor schon bei einigen Oberlandesgerichten frühzeitig eine spezialisierte Anwaltschaft herausgebildet hatte, war dies nicht Folge der Singularzulassung. Eine Spezialisierung an den Oberlandesgerichten setzt zunächst eine entsprechend ausdifferenzierte Geschäftsverteilung im jeweiligen Oberlandesgericht voraus, die sich nur bei großen Oberlandesgerichten findet. Die vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm vorgetragenen Gesichtspunkte treffen insoweit beispielsweise für Braunschweig, Oldenburg, Rostock oder Zweibrücken nicht in gleicher Weise zu. Vor allem aber setzt die Spezialisierung regelmäßig voraus, dass Anwälte in größeren Kanzleien arbeitsteilig und daher spezialisiert arbeiten können. Solche Kanzleien haben sich infolge von Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht inzwischen in weitaus größerem Umfang gebildet, als es bei In-Kraft-Treten der Bundesrechtsanwaltsordnung im Jahre 1959 vorstellbar gewesen ist. Anwälte schließen sich in unterschiedlichen Rechtsformen zusammen und werden orts- und länderübergreifend tätig unter Beteiligung von singular und simultan zugelassenen Rechtsanwälten sowie von Angehörigen sonstiger Berufsgruppen. Diese Entwicklung macht deutlich, dass die Spezialisierung zum Fachanwalt oder auf sonstige nachgefragte Teilgebiete des Rechts vielfach schon bei der Beratung und Vertretung der Mandanten in erster Instanz erwartet wird und nicht erst als Folge singularer Zulassung beim Oberlandesgericht in Erscheinung tritt. | |
2. Als einzige und auch vom Gesetzgeber noch als relevant eingeschätzte Gemeinwohlbelange verbleiben nach allem die qualitative Verbesserung der forensischen Rechtsberatung und die durch das Vier-Augen-Prinzip ermöglichte unabhängige Erfolgseinschätzung für die Berufung. Dieses Prinzip und die hiermit verbundenen Erwartungen vermögen jedoch den Eingriff in die Berufsfreiheit der Rechtsanwälte nicht zu rechtfertigen. | |
a) Es ist bereits nicht deutlich erkennbar, dass der Gesetzgeber die Singularzulassung noch als ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Verbesserung der Rechtspflege ansieht. | |
aa) Zwar spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber von 1959 auf der Grundlage der damals vorhandenen Erkenntnisquellen die Singularzulassung für besonders geeignet gehalten hat, um durch das Vier-Augen-Prinzip eine qualitativ hochstehende Rechtspflege zu gewährleisten. | |
Das Prinzip der Singularzulassung war vor dem 2.Weltkrieg in der überwiegenden Zahl der OLG-Bezirke praktiziertes Recht und konnte dem Gesetzgeber in Verbindung mit den starken lokalen Beschränkungen der Postulationsfähigkeit in erster Instanz durch § 78 ZPO als tatsächlich bewährtes Prinzip erscheinen. Entscheidungen der Oberlandesgerichte wurden seltener veröffentlicht, so dass sich die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte tendenziell stärker voneinander unterschieden haben dürfte. Überdies waren die Sozietäten klein; überörtliche Sozietäten waren nicht gestattet. Die Anwaltsdichte war geringer. Die Rechtsanwälte waren viel weniger spezialisiert; es gab so gut wie keine Fachanwälte und keine verlautbarte Schwerpunktbildung. Erfahrungen mit der Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, bei denen von vornherein auf Beschränkungen der Postulationsfähigkeit verzichtet worden war, lagen erst in geringem Maße vor. | |
bb) Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Gesetzgeber 1994 seine Einschätzung unter Berücksichtigung der Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse beibehalten hat. | |
Schon im Jahr 1972 zeigte die zügige und bereitwillige Erstreckung der Simultanzulassung auf Baden-Württemberg und Bayern, dass dem Gesetzgeber nach den gewonnenen Erfahrungen Belange der Rechtspflege nicht gefährdet schienen, wenn durch eine Rechtsänderung Wettbewerbsverzerrungen in der Anwaltschaft beseitigt werden konnten. Jedenfalls lassen sich aus der Gesetzgebungsgeschichte vor der Zulassung der Mischsozietäten im Jahr 1994 Zweifel daran ablesen, dass die Singularzulassung weiterhin zur Erreichung der beabsichtigten Zwecke für geeignet gehalten wurde. | |
Bei den Vorarbeiten zur Bundesrechtsanwaltsordnung 1959 hatte der Gesetzgeber noch ein Verbot solcher Sozietäten als flankierende Maßnahme zum Erhalt des Vier-Augen-Prinzips für unverzichtbar gehalten (vgl Stenografisches Protokoll der 15.Sitzung des Rechtsausschusses des 3.Deutschen Bundestages vom 27.März 1958, S.4 ff). Zwar konnte ein solches Verbot letztlich nicht durchgesetzt werden (vgl Stenografisches Protokoll der 33. Sitzung des Rechtsausschusses des 3.Deutschen Bundestages vom 6.November 1958, S.14 ff; Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 19.Februar 1959, 3.WP, 62.Sitzung, S.3359; Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages vom 18.März 1959, 3.WP, 66.Sitzung, S.3532); die überörtliche Sozietät wurde jedoch bis Ende der achtziger Jahre als nicht zulässig angesehen (vgl BGHZ_108,290). Ein - auch rechtlich erheblicher - Zusammenhang zwischen den Sozietätsformen, der beschränkten Postulationsfähigkeit der Anwälte in erster Instanz und der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten wurde auch noch von der Deregulierungskommission in ihrem Bericht vom 15. März 1991 hervorgehoben (vgl den Bericht S.109). | |
Erst 1994 reagierte der Gesetzgeber mit § 59a BRAO auf die tatsächlichen Veränderungen und die ihnen folgende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zugleich gab er die Verknüpfung von Postulationsfähigkeit und berufsrechtlicher Lokalisation für die Zivilprozesse vor den Land- und Familiengerichten bundesweit für die Zukunft auf (§ 78 ZPO idF des Art.3 Nr.1 BRNOG). Nicht zuletzt deshalb ist gelegentlich der Beratungen zu dieser Gesetzesnovelle bezweifelt worden, dass das Vier-Augen-Prinzip das System der Singularzulassung voraussetze (vgl BTDrucks 12/7656, S.48, und den Bericht in der 106.Sitzung des Rechtsausschusses des 12. Deutschen Bundestages vom 12.Januar 1994, S.28, über ein Gespräch beim Bundesministerium der Justiz). | |
cc) Überdies hatte der Gesetzgeber in Art.1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 22.März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte vom 14. März 1990 (BGBl I S.479; im Folgenden: Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz - RADG) ein anderes Mittel gefunden, ohne Singularzulassung das Vier-Augen-Prinzip verpflichtend vorzuschreiben (vgl. BTDrucks 11/4793, S.7). Nach § 3 Abs.1 Satz 3 RADG sind Rechtsanwälte aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft vor den Zivilsenaten eines Oberlandesgerichts in Berufungssachen auch ohne eine Singularzulassung nach § 25 BRAO vertretungsberechtigt; es muss aber sichergestellt sein, dass sie nicht im ersten Rechtszug schon Prozessbevollmächtigte waren. | |
Damit hat der Gesetzgeber schon 1990 zu erkennen gegeben, dass das Vier-Augen-Prinzip auf andere Weise und für die freie Berufsausübung schonender verwirklicht werden kann, indem lediglich ein Bearbeiterwechsel vorgeschrieben wird. Diese Lösung, die Rechtsanwälte aus den Staaten der Europäischen Union begünstigt, fand indessen für die in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte bei den Beratungen zur Änderung der §§ 25, 226 BRAO keine Mehrheit (vgl Stenografisches Protokoll der 106. Sitzung des Rechtsausschusses des 12. Deutschen Bundestages vom 12.Januar 1994, S.28; später wurde die Frage nicht mehr aufgegriffen), obwohl die Singularzulassung weniger geeignet ist, das Vier-Augen-Prinzip durchzusetzen. Danach hat der Gesetzgeber den Bearbeiterwechsel - anders als in § 3 RADG (heute § 27 Abs.1 EuRAG) - nicht mehr für unabdingbar gehalten. | |
dd) Es ist demnach insgesamt festzustellen, dass sich der Gesetzgeber seit 1990 zunehmend und deutlicher von seiner ursprünglichen Einschätzung distanziert hat, die Singularzulassung sei für die Rechtspflege insgesamt förderlicher als die Simultanzulassung. | |
Grundlage dafür waren offenbar einmal die in einigen Bundesländern und in den anderen Gerichtszweigen gewonnenen Erkennisse zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege unter der Geltung der Simultanzulassung und zum anderen Vorteile für die Rechtspflege, die sich vornehmlich aus der Sicht der Mandanten ergeben. Dazu gehört zuvörderst das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, das nicht nur auf der Aktenkenntnis im konkreten Fall beruhen muss, sondern sich auf langjährige Beratung und erfolgreiche begleitende Zusammenarbeit bei allen rechtlichen Angelegenheiten eines Mandanten gründen kann. Von dem, der in erster Instanz obsiegt hat, kann ein erzwungener Anwaltswechsel als störend empfunden werden. Sollen die Folgen des Wechsels abgemildert werden, indem der gut eingearbeitete erstinstanzliche Anwalt auch in der Berufungsinstanz hinzugezogen wird, entstehen zusätzliche Kosten. | |
Infolgedessen legte sich der Bundesgesetzgeber beim Rechtspflege-Anpassungsgesetz des Jahres 1992 erhebliche Zurückhaltung auf und entschied nicht selbst, ob der Rechtspflege durch die Simultan- oder durch die Singularzulassung besser gedient werde (vgl BTDrucks 12/2168, S.31). Hierdurch sollte zunächst den neuen Ländern die Möglichkeit gegeben werden, nach eigenen Präferenzen zu entscheiden. Eine entsprechende Freigabe für alle Länder enthielt sodann auch der ursprüngliche Entwurf zur Reform 1994 (vgl BTDrucks 12/4993, S.26). Damit sollte klargestellt werden, dass nach Bundesrecht weder der Simultan- noch der Singularzulassung bei dem Oberlandesgericht der Vorrang einzuräumen war. Dieselbe Rechtsüberzeugung gewann der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Anhörung am 1.Dezember 1993 (vgl BTDrucks 12/7656, S.48). | |
b) Diese Zweifel des Gesetzgebers an der Eignung und Erforderlichkeit der Singularzulassung als Mittel zugunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege werden durch die in der Bundesrepublik insgesamt gewonnenen Erfahrungen bestärkt. Die Singularzulassung nach § 25 BRAO ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele nicht mehr erforderlich und verstößt gegen Art.12 Abs.1 GG. | |
Defizite in der Rechtspflege sind auch dort nicht in Erscheinung getreten, wo infolge von Simultanzulassung der Mandant selbst darüber entscheidet, ob er für die Berufungsinstanz einen Anwaltswechsel vornehmen will und welche Gesichtspunkte insoweit für ihn maßgeblich sind, beispielsweise Ortsnähe, Spezialisierung und Größe der Kanzlei, Vertrautheit mit der Rechtsprechung des zuständigen Senats oder auch nur die Unzufriedenheit mit der bisherigen Rechtsvertretung. | |
Zur Herausbildung einer spezialisierten Anwaltschaft, die vom Verein der Singularanwälte und auch vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm als Gemeinwohlbelang genannt wird, ist das Prinzip ersichtlich nicht erforderlich. Fachanwälte gibt es für die Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit; sie treten dort in allen Instanzen auf. Fachanwälte wirken auch in erheblichem Umfang in solchen Kanzleien mit, in denen einige Sozien vor den Oberlandesgerichten auftreten dürfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob im jeweiligen Bereich die Simultan- oder die Singularzulassung gilt. An einem Teil der Oberlandesgerichte gehören die singular zugelassenen Anwälte ausnahmslos Mischsozietäten an, in denen auch Spezialisten auf einzelnen Rechtsgebieten tätig sind, die durch Fachanwaltsbezeichnungen oder Tätigkeitsschwerpunkte ausgewiesen sind. In den neuen Ländern mit Singularzulassung haben sich überdies reine oberlandesgerichtliche Sozietäten gar nicht erst ausgebildet. Für eine Fachanwaltschaft für Berufungsrecht allein hat kein nennenswerter Bedarf bestanden, was sich frühzeitig in den Stadtstaaten und auch sonst in den Ländern mit Simultanzulassung gezeigt hat. | |
Hinreichende Vorteile für die Rechtspflege, die sich auf die Singularzulassung zurückführen ließen, sind nicht erkennbar. Die vorgelegten Statistiken belegen zwar Abweichungen in der Häufigkeit und im Erfolg von Berufungen sowie nicht unerhebliche Schwankungen im Verlauf der Jahre und im Verhältnis einzelner Länder zueinander. Evidente Fehlentwicklungen lassen sich hieran jedoch ebenso wenig ablesen wie hervorstechende Vorteile des einen oder anderen Systems, zumal die Leistungen der Anwaltschaft in den Statistiken maßgeblich durch die Anzahl und das Ergebnis von Urteilen abgebildet worden sind. Die Urteile unabhängiger Gerichte lassen sich aber nicht gradlinig auf die Vorarbeit der Rechtsanwälte in der Berufungsinstanz oder gar auf das für sie geltende Zulassungsrecht zurückführen. | |
Richter haben zwar zu allen Zeiten die Singularzulassung favorisiert, weil sie die richterliche Arbeit erleichtert. Mandanten hingegen gewinnen durch die Simultanzulassung eine größere Wahlfreiheit. Dass sie in vielen Fällen keinen Anwaltswechsel wollen, belegen die häufigen, seit langem zu beobachtenden Umgehungen der Singularzulassung. Beschränkungen der Berufsausübung müssen dem Umstand Rechnung tragen, dass Rechtsanwälte vor allem ihren Mandanten als unabhängige Berater und Vertreter verpflichtet sind (vgl BVerfGE_63,266 <283 ff>). Beschränkungen der anwaltlichen Tätigkeit sind nicht allein deswegen erforderlich, weil sie dort, wo sie gelten, von den am Oberlandesgericht singular zugelassenen Rechtsanwälten oder auch von Richtern als sachdienlich empfunden werden. | |
Schränkt der Gesetzgeber über Jahre die berufliche Freiheit nur in einem Teilgebiet Deutschlands ein, ohne dass sich in Gebieten größerer Berufsausübungsfreiheit Fehlentwicklungen oder in Gebieten eingeschränkter Berufsausübungsfreiheit besondere Vorteile ergeben, so steht damit fest, dass die Einschränkung nicht erforderlich ist. | |
Obwohl § 25 BRAO mit Art.12 Abs.1 GG nicht in Einklang steht, ist die Vorschrift mit den aus dem Tenor ersichtlichen Maßgaben noch bis zum 30.Juni 2002 weiter anzuwenden. Die betroffenen Rechtsanwälte in den Ländern, die § 226 Abs.2 BRAO nicht nennt, bedürfen einer gewissen Anpassungszeit. | |
Die Zeitspanne dient zunächst dazu, dass sich die singular zugelassenen Rechtsanwälte bei den Oberlandesgerichten um Zulassungen bei den für sie in Betracht kommenden Amts- und Landgerichten bemühen und berufliche Zusammenschlüsse anbahnen können. Manche werden auch die Verlegung des Kanzleisitzes - im Ganzen oder für einen Teil der Sozien - in Erwägung ziehen müssen; Planung und Ausführung wärden geraume Zeit erfordern. Für die seit mehr als fünf Jahren erstinstanzlich tätigen Anwälte (§ 20 Abs.1 Nr.4 BRAO) stellt sich die Frage der simultanen Zulassung beim Oberlandesgericht. Ortsgebundene Mandanten in den großen Flächenstaaten können die eingeräumte Frist zu der Entscheidung nutzen, welcher der Anwälte, die sie bisher in den Verfahren in erster und zweiter Instanz begleitet haben, in Zukunft für eine dauerhafte Vertretung in Betracht kommen wird. | |
Da im Verfahren vorgetragen worden ist, dass die an den Oberlandesgerichten singular zugelassenen Rechtsanwälte bisher durch ihre forensische Tätigkeit ausgelastet sind, erschiene es allerdings problematisch, ihnen zusätzlich die Zulassung in erster Instanz und daraus folgend eine Verlagerung ihres eigenen Arbeitsschwerpunkts für die Dauer der gesamten Übergangszeit zu ermöglichen, obwohl neue Singularzulassungen aufgrund der verfassungswidrigen Normen nicht mehr in Betracht kommen. Je erfolgreicher sich die bisher ausschließlich zweitinstanzlich tätigen Rechtsanwälte umorientierten, desto mehr würde ihre Arbeitskraft durch die forensische Tätigkeit in erster Instanz und durch die Beratung neu gewonnener Mandanten gebunden. Damit wäre die gleichbleibend sorgfältige Bearbeitung der ihnen weiterhin vorbehaltenen Mandate vor dem Oberlandesgericht nicht mehr gewährleistet. Da aber andererseits nicht zu verkennen ist, dass den zweitinstanzlichen Anwälten die Umstellung größere Schwierigkeiten bereiten wird als den bisher ausschließlich erstinstanzlich tätigen Rechtsanwälten, ist es sachgerecht, die Simultanzulassung zeitlich versetzt zu eröffnen. Die bisher nur bei den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsanwälte können Simultanzulassungen für die erste Instanz bereits ab 1.Januar 2002 erhalten, wohingegen die bisher erstinstanzlich tätigen Rechtsanwälte frühestens zum 1.Juli 2002 beim Oberlandesgericht zugelassen werden können. | |
Als Folge der Übergangsregelung kann auch der Beschwerdeführer mit seinem Begehren erst zur Jahresmitte 2002 Erfolg haben. Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs, des Anwaltsgerichtshofs und gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm richtet. Für die Vergangenheit bleibt es bei diesen Entscheidungen. Der Beschwerdeführer wird einen neuen Antrag stellen müssen. | |
Da die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die den Entscheidungen zugrunde liegende Norm erfolgreich war, erscheint es angemessen, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 34a Abs.2 und 3 BVerfGG)." | |
Auszug aus BVerfG U, 13.12.00, - 1_BvR_335/97 -, www.BVerfG.de, Abs.17 ff | |
§§§ | |
00.044 | Genetischer Fingerabdruck |
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LB 1) Die gesetzliche Regelung nach § 2 DNA-IFG iVm § 81g StPO genügt auch den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normenklarheit und Justiabilität. Dazu reicht es aus, dass sie mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden kann. Dies ist insbesondere für die Anknüpfung der Maßnahmen an Straftaten von erheblicher Bedeutung anzunehmen. | |
LB 2) Nach überwiegender Auffassung muss eine Straftat von erheblicher Bedeutung mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden ermpfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Dabei grenzen die in der Vorschrift genannten Regelbeispiele den unbestimmten Rechtsbegriff weiter ein. Dadurch wird dem Bestimmeheitsgebot hinreichend Rechnung getragen. | |
LB 3) Allein die Annahme, eine Rückfallgefahr eines vor langer Zeit verurteilten Betroffenen sei "nicht sicher auszuschließen", kann einen Eingriff in das Recht auf informationnelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen. Es bedarf vielmehr positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. | |
LB 4) Eine tragfähig begründete Entscheidung setzt im Fall des Eingriffs in das Recht auf informationnelle Selbstbestimmung voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung (vgl BVerfGE_70,297 <309>, insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungshefts und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (vgl LG Würzburg, StV 2000,12), vorausgegangen ist und in den Entscheidungsgründen die bedeutsamen Umstände abgewogen wurden. Dabei ist stets eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung erforderlich; die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus (vgl LG Zweibrücken, StV 2000,304). | |
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T-00-26 | Informationelle Selbstbestimmung |
"Die Auslegung und Anwendung des § 2 Abs.1 DNA-IFG iVm § 81g StPO durch die Fachgerichte ist nur im Fall des Beschwerdeführers zu 1. verfassungsrechtlich zu beanstanden. In den Fällen der Beschwerdeführer zu 2. und zu 3. kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht festgestellt werden. | |
1. Eine tragfähig begründete Entscheidung setzt im Fall des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung (vgl BVerfGE_70,297 <309> ), insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungshefts und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (vgl LG Würzburg, StV 2000, S.12), vorausgegangen ist und in den Entscheidungsgründen die bedeutsamen Umstände abgewogen wurden. Dabei ist stets eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung erforderlich; die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus (vgl LG Zweibrücken, StV 2000, S.304). | |
a) Eine rechtliche Bindung an eine von einem anderen Gericht zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung getroffene Sozialprognose besteht nicht, zumal die Gründe der früheren Verurteilung einschließlich der Tatsachenfeststellungen nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl BGHSt_43,106 ff). Das Gericht, das die Maßnahme nach § 2 DNA-IFG iVm § 81g StPO anordnet, entscheidet zudem aufgrund eines anderen Maßstabs und spricht eine andersartige Rechtsfolge aus als das Gericht, das über die Strafaussetzung zu befinden hat (vgl LG Göttingen, NJW 2000, S.751 f; LG Ingolstadt, NJW 2000, S.749 ff; Markwardt/Brodersen, NJW 2000, S.692, 693 f; Messer/Siebenbürger, aaO, Rn.130). Aus denselben Gründen fehlt eine rechtliche Bindung des für die Anordnung der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters zuständigen Gerichts an die Gefährlichkeitsprognose in einer vorangegangenen Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel, wie sie etwa gegen den Beschwerdeführer zu 2. verhängt wurde. | |
Jedoch sind im Rahmen der Gefahrenprognose im Sinne des § 81g Abs.1 StPO Umstände in den Abwägungsvorgang einzustellen, die gleichermaßen bei einer Sozialprognose für die Strafaussetzung zur Bewährung oder einer Gefahrenprognose bei der Verhängung einer Maßregel bestimmend sein können. Dies gilt etwa für die Rückfallgeschwindigkeit, den Zeitablauf seit der früheren Tatbegehung (vgl LG Hannover, Beschluss vom 3.September 1999 - 49 Qs 138/99 -, StV 1999, S.590 | |
b) Notwendig und ausreichend für die Anordnung der Maßnahme nach § 2 DNA-IFG iVm § 81g StPO ist, dass wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Zwar wird keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall gefordert (vgl LG Hannover, NStZ 2000, S.221 mit Anm Kauffmann). Jedoch setzt die Maßnahme voraus, dass sie im Hinblick auf die Prognose der Gefahr der Wiederholung auf schlüssigen, verwertbaren (vgl Rogall in: SK-StPO, § 81g Rn.15 und Anh zu § 81g Rn.11) und in der Entscheidung nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruht und auf dieser Grundlage die richterliche Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung belegt, für die das DNA-Identifizierungsmuster einen Aufklärungsansatz durch einen (künftigen) Spurenvergleich bieten kann. Dafür ist das Freibeweisverfahren geeignet, in dem die Aufklärungspflicht gilt (vgl BVerfGE_70,297 <309> ). Die Anordnung der Maßnahme kann nur auf Umstände gestützt werden, denen Aussagekraft für die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Tatbegehung zukommt (vgl LG Nürnberg-Fürth, StV 2000, S.71 f; LG Tübingen, StV 2000, S.114). Allein die Annahme, eine Rückfallgefahr eines vor langer Zeit verurteilten Betroffenen sei "nicht sicher auszuschließen" (LG Bremen, StV 2000, S.303 f), kann einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen. Es bedarf vielmehr positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Annahme einer Wiederholungsgefahr. | |
2. Diesem Maßstab genügen die vom Beschwerdeführer zu 1. mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen offensichtlich nicht. | |
a) Die Begründung des Amtsgerichts erschöpft sich, neben einer Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, in der schlichten Bezeichnung der Vorverurteilungen des Beschwerdeführers. | |
Daraus ist bereits nicht ersichtlich, dass es sich bei den Anlasstaten um Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt. Mag es sich zum Teil auch um Regelbeispielsfälle gehandelt haben, so entbindet diese Tatsache nicht von der einzelfallbezogenen Prüfung der Erheblichkeit. Die Regelbeispiele, denen der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung übergeordnet ist, belegen nicht, dass bei Erfüllung des Regeltatbestands ausnahmslos eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliege (vgl Messer/Siebenbürger, aaO, Rn.122). Vielmehr ist bei Hinweisen darauf, dass eine Ausnahme von der Regel in Betracht kommt, wiederum eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung erforderlich. Erörterungsbedarf besteht beispielsweise dann, wenn milde Strafen verhängt wurden und die Vollstreckung von Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurde, weil auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Strafvollstreckung nicht geboten hatte (vgl § 56 Abs.3 StGB). Die wiederholte Strafaussetzung zur Bewährung zugunsten des Beschwerdeführers zu 1. hätte deshalb Anlass zur Prüfung gegeben, ob die abgeurteilten Taten von erheblicher Bedeutung waren. Sodann wäre angesichts der Unterschiedlichkeit von Art und Gewicht der abgeurteilten Taten zu prüfen gewesen, auf welche Art von Straftaten sich die Negativprognose bezieht und ob diese wiederum die Kategorie der Straftaten von erheblicher Bedeutung betrifft. An einer solchen Prüfung fehlt es. | |
Vor allem das Amtsgericht hat die Negativprognose nicht tragfähig begründet. Die Aufzählung allein des Inhalts des Bundeszentralregisters lässt vermuten, dass eine weiter gehende Sachaufklärung, die schon wegen der günstigen Sozialprognosen in den Bewährungsentscheidungen angezeigt war, unterblieben ist. Der allgemeine Hinweis auf die trotz der verhängten Bewährungsstrafe nicht näher erläuterte "Schwere der begangenen Straftat" und das daraus angeblich herzuleitende "hohe Maß an krimineller Energie" konnten nicht die Aufklärung und Prüfung aller bedeutsamen Umstände einschließlich derjenigen, die gegen eine Negativprognose sprechen, ersetzen. Zumindest hätten die Gründe der gegenläufigen Prognoseentscheidungen berücksichtigt werden müssen. Dies gilt auch deshalb, weil die Anlassverurteilung zur Zeit der Anordnung der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters bereits mehrere Jahre zurücklag und die Strafe erlassen worden war. | |
b) Mit dem Hinweis auf "die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses" hat das Landgericht den offensichtlichen Mangel der Entscheidung des Ermittlungsrichters aufrecht erhalten. Auch allgemeine Hinweise auf die "Kriminalstatistik" oder nicht weiter belegte kriminologische Erkenntnisse ersetzen die gebotene Einzelfallprüfung nicht. 66 | |
3. a) Die von den Beschwerdeführern zu 2. und zu 3. angegriffenen Entscheidungen tragen demgegenüber den verfassungsrechtlichen Erfordernissen einer zureichenden Sachaufklärung und tragfähigen Entscheidungsbegründung hinreichend Rechnung. Sie stützen sich auf aussagekräftige Indizien und würdigen den Einzelfall. Dabei kam den Feststellungen der früheren Urteile, auch wenn diese nicht in Rechtskraft erwachsen sind, jedenfalls indizielle Beweisbedeutung zu, die die Gerichte der beiden Ausgangsverfahren ihren Entscheidungen zugrunde legen konnten. | |
Die vom Beschwerdeführer zu 3. angegriffenen Entscheidungen konnten knapp begründet werden; denn sie enthielten schon im Hinblick auf die frühere Gefahrenprognose bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs.1 Nr.3 StGB) tragfähige Gründe für die Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Strafverfahren. Insoweit ist auch die Begründung der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, die sich in einer Bezugnahme auf die tragfähige Entscheidung des Ermittlungsrichters erschöpft, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. | |
b) Ein unauflöslicher Widerspruch der Maßnahme gemäß § 2 Abs.1 DNA-IFG iVm § 81g StPO zu dem aus Art.1 Abs.1 und Art.2 Abs.1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes abzuleitenden Resozialisierungsgebot besteht auch in Fällen eines längeren Straf- oder Maßregelvollzugs nicht; denn Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere Taten, die gegen Leib oder Leben anderer Personen gerichtet sind und dabei Spuren entstehen lassen, die dem Vergleich anhand des DNA-Identifizierungsmusters zugänglich sind, können auch während des Vollzugs von Strafen und Maßregeln oder bei einer zur Zeit der Anordnung der Maßnahme nicht vorhersehbaren Vollzugsunterbrechung begangen werden. | |
c) Der vom Beschwerdeführer zu 2.beantragten Hinzuziehung eines Sachverständigen, die nach dem Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben ist, bedurfte es nicht (vgl LG Duisburg, StraFo 1999, S.202 <203>); denn es ging nicht darum, geistige oder seelische Anomalien aufzuklären (vgl BVerfGE_70,297 <309>)." | |
Auszug aus BVerfG B, 14.12.00, - 2_BvR_1741/99 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.56 ff | |
§§§ | |
00.045 | Zeugen Jehovas |
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1) Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will (Art 140 GG iVm Art.137 Abs.5 Satz 2 WRV), muss rechtstreu sein. | |
2) Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat verlangt das Grundgesetz nicht. | |
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T-00-27 | Körperschaft des öffentlichen Rechts |
"Für die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft müssen - im Rahmen der Grundwerte der Verfassung - weitere, in Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 Satz 2 WRV nicht ausdrücklich genannte, Voraussetzungen erfüllt sein. | |
1. Art.140 GG erklärt die Weimarer Kirchenartikel zu Bestandteilen des Grundgesetzes. Ihre Auslegung hat sich nunmehr von den Wertungen des Grundgesetzes leiten zu lassen (BVerfGE_19,226 <236>; BVerfGE_53,366 <400>). Insbesondere sind die Weimarer Kirchenartikel Bestandteil des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes, welches das Grundrecht der Religionsfreiheit ohne Gesetzesvorbehalt in den Katalog unmittelbar verbindlicher Grundrechte übernommen und es so gegenüber der Weimarer Reichsverfassung erheblich verstärkt hat (vgl BVerfGE_33,23 <30 f> ). Die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel sind funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (Art.4 Abs.1 und 2 GG; vgl BVerfGE_42,312 <322>). | |
2. Im Kontext des Grundgesetzes ist der den Religionsgemeinschaften in Art.137 Abs.5 Satz 2 WRV angebotene Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit (vgl K Meyer-Teschendorf, Der Körperschaftsstatus der Kirchen, AöR 103 <1978>, S.329 ff; M Morlok/M.Heinig, Parität im Leistungsstaat - Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S.697, 700 f). Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen. Die Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status sind in gleichem Umfang grundrechtsfähig wie Religionsgemeinschaften privat-rechtlicher Rechtsform. Sie stehen dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber (vgl BVerfGE_53,366 <387>; BVerfGE_70,138 <160 f>). Dass sie ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem die Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können (vgl. E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Säkularisation und Utopie. Ernst Forsthoff zum 65.Geburtstag, Stuttgart et al 1967, S.75, 93; ders, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J.Isensee/P.Kirchhof | |
Damit unterscheiden sich die korporierten Religionsgemeinschaften im religiös-weltanschaulich neutralen Staat des Grundgesetzes, der keine Staatskirche oder Staatsreligion kennt (Art.140 GG iVm Art.137 Abs.1 WRV), grundlegend von den Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und staatsorganisationsrechtlichen Verständnis. Sie nehmen keineS taatsaufgaben wahr, sind nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht (vgl BVerfGE_18,385 <386>; BVerfGE_19,1 <5>; BVerfGE_30,415 <428>; BVerfGE_42,312 <332>; BVerfGE_66,1 <19 f>). | |
3. Verglichen mit dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Körperschaft im allgemeinen Verständnis hat dieser Begriff im Regelungszusammenhang des Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 Satz 2 WRV nur die Funktion eines "Mantelbegriffs" (BVerfGE_83,341 <357>). Er ist aber mehr als eine leere Form, weil er den korporierten Religionsgemeinschaften auch eine besondere Rechtsstellung vermittelt, die über diejenige privatrechtlich verfasster Religionsgemeinschaften hinausgeht: Mit dem Körperschaftsstatus werden ihnen bestimmte hoheitliche Befugnisse übertragen, sowohl gegenüber ihren Mitgliedern - etwa beim Besteuerungsrecht und der Dienstherrenfähigkeit - als auch - bei der Widmungsbefugnis - gegenüber Anderen. Zudem verschafft ihnen das öffentlich-rechtliche Kleid in der Wahrnehmung der Gesellschaft eine besondere Stellung (vgl A.Frhr v Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3.Aufl 1996, S.139 ff; A.Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: J.Isensee/P.Kirchhof | |
Die Vergünstigungen bewirken mit erhöhten Einflussmöglichkeiten aber auch die erhöhte Gefahr eines Missbrauchs zum Nachteil der Religionsfreiheit der Mitglieder oder zum Nachteil anderer Verfassungsgüter. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen eine Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen kann, muss deswegen auch die Verantwortung des Staates zur Geltung gebracht werden, welche das Grundgesetz ihm auferlegt. Es gibt ihm die Achtung und den Schutz der Menschenwürde als des tragenden Konstitutionsprinzips und obersten Grundwerts der freiheitlichen, demokratisch verfassten Grundordnung auf (Art.1 Abs.1 GG, vgl dazu BVerfGE_96,375 <398>) und verpflichtet ihn zur Wahrung und zum Schutz der Grundwerte der Verfassung (vgl BVerfGE_40,287 <291 f>). | |
4. Der Wortlaut des Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 Satz 2 WRV schließt nicht aus, dass der in dieser Gewährleistung eingeräumte Verleihensanspruch weiteren Einschränkungen aus dem Zusammenhang des Grundgesetzes unterliegt. Der Parlamentarische Rat hatte bei der Übernahme der Weimarer Kirchenartikel weder die Frage der Verleihensvoraussetzungen im Blick noch verwandte er seine Aufmerksamkeit darauf, Art.137 WRV materiell in die Ordnung des Grundgesetzes einzupassen. Er begnügte sich damit, durch redaktionelle Änderungen des späteren Art.4 GG doppelte Gewährleistungen zu vermeiden (ParlR, HA-Prot, 22.Sitzung vom 8.Dezember 1948, S.255 - 261; 39.Sitzung vom 14. Januar 1949, S. 483, 489 - 491; 46. Sitzung vom 20.Januar 1949, S.599 - 601; 51.Sitzung vom 10.Februar 1949, S.673, 682; 57.Sitzung vom 5.Mai 1949, S.743, 745 f und 765; Redaktionsausschuss, Kurzprot vom 28.April 1949, S.1; vgl auch BVerfGE_83,341 <354 f> zur religiösen Vereinigungsfreiheit). | |
Dass es mit den geschriebenen Verleihensvoraussetzungen nicht sein Bewenden haben kann, wird im Ergebnis auch in Rechtsprechung und Literatur nicht bezweifelt. Nach nahezu einhelliger Auffassung ist der Körperschaftsstatus jedenfalls dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen eine private Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG zu verbieten wäre (vgl etwa BVerwGE_105,117 <121 f>; OVG Berlin, NVwZ 1996, S.478, 480; VG Berlin, NVwZ 1994, S.609; St. Korioth, Loyalität im Staatskirchenrecht?, in: Gedächtnisschrift für Bernd Jeand'Heur, 1999, S. 221, 236; M. Morlok/M. Heinig, Parität im Leistungsstaat - Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S.697, 703 f; G. Robbers, Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Festschrift für Martin Heckel, 1999, S.411, 414; H Weber, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften, ZevKR 34 <1989>, S.337, 356). Es wäre auch nicht einsichtig, dass Vereinigungen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, insoweit weniger festen Bindungen unterliegen sollten als private Vereinigungen. | |
5. Die Grenzen, innerhalb deren eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts frei handeln darf, zieht die Verfassung gerade auch durch ihre grundlegenden Wertentscheidungen. Zu diesen Wertentscheidungen gehören die Religionsfreiheit, aus der Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 WRV als Verstärkung der Entfaltung grundrechtlicher Freiheit letztlich seine Rechtfertigung bezieht, das Verbot jeglicher Staatskirche oder Staatsreligion (Art.140 GG iVm Art.137 Abs.1 WRV) sowie die Grundsätze der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse. | |
Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, muss rechtstreu sein. Sie muss die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachten, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird. | |
1. Das ist auch in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. A. Frhr. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, GG, 3. Aufl. 1991, Art. 140 GG/Art. 137 WRV Rn. 150; Ch. Link, Zeugen Jehovas und Körperschaftsstatus, ZevKR 43 <1998>, S. 1, 20, m. w. N.). Schon aus der Bindung aller öffentlichen Gewalt an Gesetz, Recht und Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt, dass eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Gewähr dafür bieten muss, die ihr übertragene Hoheitsgewalt in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Vorgaben auszuüben. | |
Diese rechtsstaatliche Bindung scheitert nicht daran, dass korporierte Religionsgemeinschaften die ihnen übertragene Hoheitsgewalt nicht - wie Beliehene - zur Erfüllung staatlicher Aufgaben einsetzen, sondern zu eigenen Zwecken. Denn unter dem Grundgesetz ist jegliche Ausübung von Hoheitsgewalt an die Verfassung und an die gesetzliche Ordnung gebunden. | |
2. Freilich darf auch außerhalb des Bereichs hoheitlichen Handelns von den korporierten Religionsgemeinschaften Rechtstreue verlangt werden. Jede Vereinigung hat, wie jeder Bürger, die staatsbürgerliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze. Zwar trifft sie bei Verletzung dieser Pflicht nur die im Gesetz jeweils vorgesehene Sanktion, und ein Verbot der Vereinigung ist erst unter den in Art. 9 Abs. 2 GG bestimmten besonderen Voraussetzungen angeordnet. Von einer Vereinigung aber, die in öffentlich-rechtlicher Gestalt auftritt, darf erwartet werden, dass sie nicht erst durch die Drohung mit staatlichen Sanktionen und Zwangsmechanismen zu rechtskonformem Handeln angehalten werden muss. Ansonsten stünde nicht nur zu befürchten, dass diese Vereinigung auch ihre hoheitlichen Befugnisse nicht rechtskonform ausüben werde. Der Staat muss vielmehr darauf bedacht sein und dafür Sorge tragen, dass durch das Handeln öffentlich-rechtlicher Gebilde Rechte Dritter nicht verletzt werden, selbst wenn diese Zuordnung zum öffentlichen Recht eine eher formelle ist. | |
3. Allerdings stellt nicht jeder einzelne Verstoß gegen Recht und Gesetz die Gewähr rechtstreuen Verhaltens in Frage. Auch den korporierten Religionsgemeinschaften ist es unbenommen, Meinungsverschiedenheiten mit staatlichen Behörden darüber, wo im Einzelfall die der Religionsfreiheit (Art.4 Abs.1 und 2 GG) und dem religiösen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG iVm Art.137 Abs.3 WRV) durch das Gesetz gezogene Grenze verläuft, durch die Gerichte klären zu lassen (vgl G Robbers, Sinn und Zweck des Körperschaftsstatus im Staatskirchenrecht, in: Festschrift für Martin Heckel, 1999, S.411, 413). | |
Außerdem erheben viele Religionen, die die Autorität staatlicher Gesetze für sich grundsätzlich anerkennen, gleichwohl einen Vorbehalt zu Gunsten ihres Gewissens und ihrer aus dem Glauben begründeten Entscheidungen und bestehen letztlich darauf, im unausweichlichen Konfliktfall den Glaubensgeboten mehr zu gehorchen als den Geboten des Rechts. Derartige Vorbehalte sind Ausdruck der für Religionen nicht untypischen Unbedingtheit ihrer Glaubenssätze. Sie sind auch von manchen alt- und neukorporierten Religionsgemeinschaften bekannt, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie, je nach Lage des Einzelfalls, unter dem Schutz des Art.4 GG stehen. Aus Rücksicht auf die Religionsfreiheit, der der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aus Art.140 GG iVm Art.137 Abs.5 WRV letztlich dient, stehen sie der Verleihung dieses Status jedenfalls so lange nicht im Wege, als die Religionsgemeinschaft im Grundsatz bereit ist, Recht und Gesetz zu achten und sich in die verfassungsmäßige Ordnung einzufügen. | |
Eine Religionsgemeinschaft, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwerben will, muss insbesondere die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs.3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet. | |
1. a) Art.79 Abs.3 GG entzieht die in Art.1 Abs.1 und Art.20 GG niedergelegten Grundsätze jeglicher Änderung. Das Grundgesetz erklärt damit neben dem in Art.1 Abs.1 GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde und den von ihm umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte (vgl BVerfGE_84,90 <120 f>; BVerfGE_94,12 <34> ) auch andere Garantien für unantastbar, die in Art.20 GG festgehalten sind. Dazu gehören die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie (vgl BVerfGE_89,155 <182>; BVerfGE_94,49 <103>). Eine systematische Beeinträchtigung oder Gefährdung dieser vom Grundgesetz auf Dauer gestellten Grundsätze darf der Staat nicht hinnehmen, auch nicht von Seiten einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaft. | |
b) Die korporierten Religionsgemeinschaften sind - soweit sie außerhalb des ihnen übertragenen Bereichs hoheitlicher Befugnisse handeln - an die einzelnen Grundrechte nicht unmittelbar gebunden (P. Kirchhof, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, in: J. Listl/D. Pirson | |
Korporierte Religionsgemeinschaften haben einen öffentlich-rechtlichen Status und sind mit bestimmten hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Sie verfügen damit über besondere Machtmittel und einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft. Ihnen liegen deshalb die besonderen Pflichten des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter näher als anderen Religionsgemeinschaften. Diese Pflichten verbieten die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft, gegen die einzuschreiten der Staat zum Schutz grundrechtlicher Rechtsgüter berechtigt oder gar verpflichtet wäre. | |
c) Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein Mittel zur Erleichterung und Entfaltung der Religionsfreiheit. Für die korporierten Religionsgemeinschaften begründet er eine bevorzugte Rechtsstellung. Er ist in das freiheitliche Staatskirchenrecht des Grundgesetzes eingebettet. Dieses Staatskirchenrecht hat die Religionsfreiheit zum leitenden Bezugspunkt. Es hat Staatskirche und Staatsreligion abgeschafft. Es achtet die Grundsätze der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Parität der Religionen und Bekenntnisse, und es gewährleistet, dass der Körperschaftsstatus die Freiheitlichkeit des Religionsverfassungsrechts insgesamt nicht schmälert. Diese Verfassung setzt dem Körperschaftsstatus Grenzen, und diese Grenzen müssen auch die mit dem bevorzugten Status ausgestatteten Religionsgemeinschaften achten. Ihr Verhalten darf diese Grundsätze des freiheitlichen Staatskirchenrechts nicht beeinträchtigen oder gefährden. Das Grundgesetz verbietet die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft, die nicht die Gewähr dafür bietet, dass das Verbot einer Staatskirche sowie die Prinzipien von Neutralität und Parität unangetastet bleiben. | |
2. Rechtliche Anforderungen an eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, müssen in ihren Inhalten so gefasst werden, dass sie nicht ihrerseits in Widerspruch zu den prinzipiellen Wertungen des verfassungsrechtlichen Religions- und Staatskirchenrechts geraten. | |
a) Ob einer antragstellenden Religionsgemeinschaft der Körperschaftsstatus zu versagen ist, richtet sich nicht nach ihrem Glauben, sondern nach ihrem Verhalten. Der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität (vgl.BVerfGE 19, 206 <216>; 93, 1 <17> ) verwehrt es dem Staat, Glaube und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten. Mangels Einsicht und geeigneter Kriterien darf der neutrale Staat im Bereich genuin religiöser Fragen nichts regeln und bestimmen (BVerfGE 12, 1 <4>; 41, 65 <84>; 72, 278 <294>; 74, 244 <255>). Das hindert ihn freilich nicht daran, das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist. Ob dabei Glaube und Lehre der Gemeinschaft, soweit sie sich nach außen manifestieren, Rückschlüsse auf ihr zu erwartendes Verhalten zulassen, ist eine Frage des Einzelfalls. | |
b) Die in Art.20 GG niedergelegten Grundprinzipien und die Grundsätze des Religions- und Staatskirchenrechts sind schon ihrer Herkunft und ihrem Inhalt nach Strukturvorgaben staatlicher Ordnung. Nur als solche verdienen sie Schutz. Sie enthalten keine Vorgaben für die Binnenstruktur einer Religionsgemeinschaft. | |
Überdies widerspräche es der Religionsfreiheit und dem in Art.140 GG iVm Art.137 Abs.3 WRV gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, von einer korporierten Religionsgemeinschaft etwa eine demokratische Binnenstruktur zu verlangen oder ihre Äußerungen über andere Religionen und Religionsgemeinschaften dem Gebot der Neutralität zu unterstellen. Auch den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften bleibt es unbenommen, ihr Verhältnis zu anderen Religionen und Religionsgemeinschaften nach ihrem eigenen religiösen Selbstverständnis zu gestalten, solange sie den verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen, der auch die Grundlage ihrer eigenen religiösen Freiheit bildet, nicht beeinträchtigen. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie auf die Verwirklichung einer theokratischen Herrschaftsordnung | |
c) Von den korporierten Religionsgemeinschaften eine über die genannten Anforderungen hinausgehende Loyalität zum Staat zu verlangen, ist zum Schutz der verfassungsrechtlichen Grundwerte nicht notwendig und mit ihnen im Übrigen auch nicht vereinbar. | |
Das Wirken und der Status einer korporierten Religionsgemeinschaft bleiben, soweit nicht verfassungsrechtliche Einschränkungen geboten sind, von der grundrechtlichen Freiheit des Art.4 Abs.1 und 2 GG geprägt. Dem Träger dieser Freiheit ist es überlassen, ob und wie er seinen Freiheitsraum ausfüllt. Grundrechtliche Freiheit ist, vom Staat aus betrachtet, formale Freiheit. Der Grundrechtsträger muss sein Handeln nicht an den Interessen des Staates orientieren. Dies aber würde man von einer Religionsgemeinschaft verlangen, die ihr Wirken auf die Ziele des Staates, seine Verfassungsordnung und die dort niedergelegten Werte "loyal" auszurichten hätte (vgl St Korioth, Loyalität im Staatskirchenrecht?, in: Gedächtnisschrift für Bernd Jeand'Heur, 1999, S.221, 243). | |
Überdies ist die Forderung, eine korporierte Religionsgemeinschaft müsse loyal zum Staat stehen, rechtlich nicht leicht zu handhaben. "Loyalität" ist ein vager Begriff, der außerordentlich viele Deutungsmöglichkeiten eröffnet bis hin zu der Erwartung, die Religionsgemeinschaft müsse sich bestimmte Staatsziele zu Eigen machen oder sich als Sachwalter des Staates verstehen. Der Begriff zielt nämlich auch auf eine innere Disposition, auf eine Gesinnung, und nicht nur auf ein äußeres Verhalten. Damit gefährdet er nicht nur die Rechtssicherheit, sondern führt auch in eine Annäherung von Religionsgemeinschaft und Staat, die das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes weder verlangt noch billigt. | |
Aus den gleichen Gründen kann es unter dem Grundgesetz nicht Ziel einer Verleihung des Körperschaftsstatus sein, eine Religionsgemeinschaft durch Privilegien zur Kooperation mit dem Staat anzuhalten. Das Grundgesetz sieht eine Zusammenarbeit des Staates mit den Religionsgemeinschaften zum Teil ausdrücklich vor - etwa bei der Erhebung von Kirchensteuern (Art.140 GG iVm Art.137 Abs.6 WRV) oder beim Religionsunterricht (Art.7 Abs.3 GG) - und lässt sie in weiteren Bereichen zu. Es macht sie den Religionsgemeinschaften aber nicht zur Bedingung. Ob sie derartige Angebote annehmen oder Distanz zum Staat wahren möchten, bleibt ihrem religiösen Selbstverständnis überlassen. Andererseits hängt es von den Charakteristika der jeweiligen Kooperationsangebote und den konkreten Vorgaben der auf Neutralität und Parität bedachten Verfassung ab, welchen Religionsgemeinschaften sie offen stehen. Dass das Grundgesetz Religionsunterricht und Anstaltsseelsorge im Grundsatz allen Religionsgemeinschaften zugänglich macht, zeigt aber, dass es Vergünstigungen und Mitwirkungschancen nicht schematisch danach zuweist, in welcher Rechtsform eine Religionsgemeinschaft organisiert ist. Einen Automatismus zwischen dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und staatlichen Vergünstigungen, die nicht bereits mit diesem Status selbst gewährleistet sind ("Privilegien"), gibt es nicht. | |
3. Die Prüfung, ob eine Religionsgemeinschaft nach ihrem gegenwärtigen und zu erwartenden Verhalten die Gewähr dafür bietet, die in Art.79 Abs.3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die staatlichem Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden, setzt eine komplexe Prognose voraus. Dabei muss eine Vielzahl von Elementen zusammengestellt und gewürdigt werden. Mathematische Genauigkeit ist nicht zu erreichen. Für eine solche Prognose nicht untypisch wäre die Annahme, dass sich eine Gefährdung der genannten Schutzgüter erst aus dem Zusammenwirken vieler einzelner Umstände ergibt. Andererseits stellen bloß punktuelle Defizite die geforderte Gewähr nicht in Frage. Hier ist den Fachgerichten eine typisierende Gesamtbetrachtung und Gesamtwürdigung aller derjenigen Umstände aufgegeben, die für die Entscheidung über den Körperschaftsstatus von Bedeutung sind." | |
Auszug aus BVerfG U, 19.12.00, - 2_BvR_1500/97 -, www.BVerfG.de, Abs.68 ff | |
§§§ | |
00.046 | Formularmäßige Begründung |
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LB: Zur formularartigen Abfassung und der Bezugnahme auf Schriftstücke in Entscheidungen. | |
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T-00-28 | Zur formularartigen Abfassung |
"a) Die formularartige Abfassung einer Entscheidung und eine Bezugnahme auf Schriftstücke außerhalb der Entscheidungsbegründung sind nicht stets von Verfassungs wegen zu beanstanden (vgl BVerfG | |
b) Auch die Begründung der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie erschöpft sich zwar in einer Bezugnahme auf die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts. Dies reichte im Ausgangsverfahren aber ausnahmsweise aus, zumal dem Landgericht eine Begründung der Beschwerde nicht vorlag; zumindest ist eine Beschwerdebegründung nicht im Sinne der §§ 23 Abs.1 Satz 2, 92 BVerfGG mitgeteilt worden. | |
Auszug aus BVerfG B, 20.12.00, - 2_BvR_2232/00 -, www.dfr/BVerfGE, Abs.4 f | |
§§§ |
RS-BVerfG - 2000 | [ ] |
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§§§