D-Bundestag
15.Wahlperiode
(3) Drucksache 15/1971
11.11.03
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BT-Drucks.15/1971 S.139-141

Begründung

A. Allgemeines

Das geltende Kostenrecht wird allgemein als zu kompliziert empfunden. Die Gebühren und Vergütungen bedürfen der Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung.

Bereits bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages die strukturelle Reform des Kostenrechts gefordert.

Bei ihrer 64. Konferenz vom 22. bis 24. Juni 1993 in Dresden haben auch die Justizministerinnen und -minister der Länder und des Bundes festgestellt, dass eine Vereinfachung des Kostenrechts dringend erforderlich ist. Sie sind der Auffassung, dass zur Entlastung der Rechtspflege eine grundlegende Überarbeitung der Struktur und eine Gesamtreform des Justizkostenrechts notwendig sind. Ziel ist die Schaffung eines einfachen, die Übersichtlichkeit, Anwendbarkeit und Verständlichkeit wesentlich verbessernden Justizkostenrechts.

Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 vom 24.Juni 1994 (BGBl.I S.1325, 2591, 3471) ist eine strukturelle Überarbeitung des Gerichtskostengesetzes (GKG) erfolgt. Allerdings ist eine wesentliche Neuerung – das Pauschalgebührensystem – nur für Prozessverfahren erster Instanz in Zivilsachen eingeführt worden. Die Entscheidung über die Ausdehnung der neuen Gebührenstruktur auf die übrigen Bereiche ist auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Nicht in das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 aufgenommen wurden grundlegende Änderungen der Kostenvorschriften in Familiensachen. Wie die Bundesregierung bereits in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 27.Februar 1986 ausführte, bedürfen die für Familiensachen geltenden Wert- und Gebührenvorschriften nach dem GKG, der Kostenordnung (KostO) und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) insgesamt der Überprüfung (Bundestagsdrucksache 10/ 5113, S.63). Änderungsvorschläge sind seinerzeit zurückgestellt worden, weil diese durch eine rechtstatsächliche Untersuchung zum zeitlichen Aufwand der Rechtsanwälte und Richter bei Scheidungsverfahren (einschließlich der Scheidungsfolgesachen) vorbereitet werden sollten. Zwischenzeitlich liegt der vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebene Forschungsbericht „Das Zeitbudget der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Scheidungs- und Folgesachen“ von Prof Dr Christoph Hommerich vor (Bundesanzeigerverlag, 2002, Reihe „Rechtstatsachenforschung“). Eine vergleichbare Untersuchung zum Arbeitsaufwand der Richter ist nicht durchgeführt worden, weil eine ausreichende Beteiligung der Richterschaft nicht erreicht werden konnte.

Im Übrigen sind durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 in der BRAGO und in dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) nur einige wenige strukturelle Änderungen vorgenommen worden.

Der Entwurf sieht eine Neufassung des GKG vor, das grundlegend überarbeitet worden ist. Der Gesetzesteil soll systematisch neu gegliedert und das Kostenverzeichnis (KV) in der Darstellungsform entsprechend aufgebaut werden wie das in Artikel 3 vorgeschlagene Vergütungsverzeichnis (VV) zum Entwurf eines Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG-E). Die vorgeschlagenen strukturellen Änderungen beruhen zum Teil auf Vorschlägen der Konferenz der Kostenrechtsreferenten der Landesjustizverwaltungen und des Bundesministeriums der Justiz.

Der Entwurf des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG-E) beruht zu weiten Teilen auf Vorschlägen der Konferenz der Kostenrechtsreferenten. In diesem Gesetz sollen das ZuSEG und das Gesetz über die Entschädigung der ehrenamtlichen Richter (EhrRiEG) in einem Gesetz zusammengefasst werden. Hierdurch können der Umfang des Kostenrechts reduziert, die Regelungen vereinheitlicht und damit vereinfacht werden. Im Mittelpunkt des Entwurfs eines Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes steht die Umstellung der Entschädigung für Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer in eine Vergütung, deren Höhe sich an den auf dem freien Markt gezahlten Preisen orientiert.

Zur Vorbereitung einer Reform des anwaltlichen Vergütungsrechts hat die Bundesministerin der Justiz im Dezember 2000 eine Expertenkommission eingesetzt, in der Vertreter der Anwaltschaft, der Länder, der Richterschaft und des Bundesministeriums der Justiz mitgewirkt haben. Gegenstand der Beratungen, die in der Zeit von Januar bis September 2001 stattfanden, waren Vorschläge des Ausschusses Gebührenrecht/Gebührenstruktur des Deutschen Anwaltvereins, die der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins in seiner Sitzung am 11. Februar 1998 in Bonn erörtert und verabschiedet hat (Beilage zum AnwBl 5/1998).

Die Expertenkommission hat im August 2001 den Entwurf eines „Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes“ vorgelegt, der im weiteren Verlauf Gegenstand zahlreicher Stellungnahmen und Besprechungen – auch mit Vertretern der Anwaltschaft und der Länder – war. Der Auftrag der Expertenkommission bestand darin, einen Vorschlag zur strukturellen Reform der Rechtsanwaltsvergütung zu erarbeiten, nicht aber den Umfang der – im Rahmen der strukturellen Überarbeitung ebenfalls beabsichtigten – Gebührenerhöhung zu bestimmen. Dabei bestand unter den Mitgliedern der Kommission Einvernehmen, dass der Umfang der sich aus dem Entwurf ergebenden Gebührenerhöhung nicht verbindlich festgelegt werden konnte, da es hierzu weiteren Zahlenmaterials bedurfte. Daher ist auf Veranlassung des Bundesministeriums der Justiz eine im Frühjahr 2002 eingegangene, von der Bundesrechtsanwaltskammer in Auftrag gegebene Erhebung zur Umsatzstruktur in den Anwaltskanzleien erfolgt; außerdem wurden die von den Ländern mitgeteilten Erhebungsergebnisse zu den Ausgaben in Strafsachen und die vorhandenen Daten aus der Justizstatistik ausgewertet. Der Entwurf der Expertenkommission wurde einer Überprüfung und Korrektur im Hinblick auf seine finanziellen Auswirkungen für Rechtsanwälte, Länder und nicht zuletzt Recht- suchende unterzogen. Dabei wurde berücksichtigt, dass dem berechtigten Interesse der Anwaltschaft, nach 1994 wieder zu einer deutlichen Einkommenssteigerung zu kommen, die Interessen der rechtsuchenden Bürger, der Bundesländer und letztlich auch die Interessen der Rechtsschutzversicherungen gegenüberstehen. Anliegen der Bundesregierung war es daher, neben der Sicherstellung und Optimierung der Qualitätsstandards der Rechtsberatung diese unterschiedlichen Interessen angemessen zu gewichten. Dies geschieht mit dem vorliegenden Entwurf.

Der Entwurf ist ein wesentlicher Teil der Kostenstrukturreform, deren wichtigstes Ziel die Vereinfachung des Kostenrechts ist. Hierdurch sollen die Gerichte so weit wie möglich von der sehr umfangreich gewordenen Kostenrechtsprechung entlastet werden. Ferner soll durch klarere Regelungen eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung gefördert werden. Diese kann durch die Rechtsprechung alleine nicht gewährleistet werden, weil in Kostensachen eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht zulässig ist. Die Klärung von Streitfragen durch den Gesetzgeber ist auch deshalb geboten, um dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit, dessen Beachtung für die Gebühren als öffentliche Abgaben von besonderer Bedeutung ist, Rechnung zu tragen.

Um die Anwendung des Justizkostenrechts so weit wie möglich zu vereinfachen, sollen die Kostengesetze in ihrem Aufbau einander weitgehend angeglichen werden. Das GKG soll in seinem Aufbau klarer strukturiert werden. Das Kostenverzeichnis zumGKG soll ebenfalls neu gegliedert werden, weil es durch zahlreiche Änderungen in den letzten Jahren an Übersichtlichkeit eingebüßt hat. Mit dem Entwurf des RVG soll dieBRAGOabgelöst werden. Auch in diesem Gesetz sollen die Gebühren- und Auslagentatbestände in einem Verzeichnis dargestellt werden, das dem Gesetz als Anlage beigefügt wird. Diese Regelungstechnik hat sich imGKGund in der Justizverwaltungskostenordnung (JVKostO) bewährt. Insbesondere sind Auslegungsschwierigkeiten seltener geworden. Im Gerichtsvollzieherkostengesetz (GvKostG) ist diese Regelungstechnik durch das Gesetz zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherkostenrechts vom 19.April 2001 (GvKostRNeuOG – BGBl.I S.623) eingeführt worden.

Die strukturellen Änderungen sollen auch dazu dienen, die Gebühren und Vergütungen an die wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Eine Anpassung durch strukturelle Änderungen anstelle einer linearen Erhöhung bietet die Möglichkeit, Gebühren und Entschädigungen entsprechend der Entwicklung der Verfahrensordnungen praxisnäher zu gestalten. Die vorgeschlagenen strukturellen Änderungen des GKG führen zu Mehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte, mit denen die durch die übrigen Teile des Entwurfs zu erwartenden Mehrausgaben ausgeglichen werden sollen.

Eine wesentliche Änderung, die in allen Kostengesetzen umgesetzt werden soll, besteht darin, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens den Wert des Beschwerdegegenstands auf 200 Euro heraufzusetzen. Neu ist, dass es dem Gericht zugleich ermöglicht werden soll, die Beschwerde bei Gegenstandswerten von bis zu 200 Euro wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Bei einem Beschwerdewert bis zu 200 Euro wird in den meisten Fällen eine richterliche Entscheidung ausreichen. Mit Einführung der Zulassungsbeschwerde sollen indes zukünftig auch solche Fragen von grundsätzlicher kostenrechtlicher Bedeutung einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht zugänglich gemacht werden, über die gegenwärtig bei einem Gegenstandswert bis zu 50 Euro von den Beschwerdegerichten nicht entschieden werden kann.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt mit Ausnahme von Artikel 4 Abs. 58 aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (GG). Die wesentlichen Regelungen des Entwurfs unterfallen den folgenden Sachgebieten: Artikel 1, Artikel 2, soweit dieser die Vergütung von Tätigkeiten oder eine Entschädigung im gerichtlichen Verfahren sowie in Ermittlungsverfahren vor der Staatsanwaltschaft und der Finanzbehörde oder die Vergütung oder Entschädigung im Falle der Heranziehung durch den Gerichtsvollzieher betrifft, und Artikel 4 Abs. 18, 20 bis 24 und 28 bis 30 dem Sachgebiet „gerichtliches Verfahren“, Artikel 2, soweit es die Vergütung von Tätigkeiten oder eine Entschädigung im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde betrifft, und Artikel 4 Nr. 53 aufgrund einer Annexkompetenz für das Verwaltungsverfahren dem Sachgebiet „Strafrecht“, Artikel 3 und 5 dem Sachgebiet „Rechtsanwaltschaft“, Artikel 4 Abs. 19 dem Sachgebiet „Rechtsberatung“ und Nummer 34 dem Sachgebiet „bürgerliches Recht“. Die übrigen Vorschriften betreffen lediglich terminologische Anpassungen bereits bestehender Bundesgesetze an die Artikel 1 bis 3 des Entwurfs. Die Gesetzgebungskompetenz für Artikel 4 Abs. 58 folgt aus Artikel 108 Abs. 5 GG. Bundesgesetzliche Regelungen sind erforderlich, weil einheitliche Regelungen über die Gerichtskosten, die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern, die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern und Zeugen sowie die Vergütung von Rechtsanwälten zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im Sinne von Artikel 72 Abs.2 GG im gesamtstaatlichen Interesse unerlässlich sind.

An Rechtsstreitigkeiten sind häufig Rechtsuchende, Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer sowie Rechtsanwälte aus verschiedenen Bundesländern beteiligt. Ohne bundesgesetzliche Regelungen wäre eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen zu besorgen, die im Interesse des Bundes und der Länder, aber auch im Interesse der Rechtsuchenden, der Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer sowie der Rechtsanwälte nicht hingenommen werden kann. Unterschiedliche rechtliche Behandlungen derselben oder vergleichbarer Lebenssachverhalte hätten unvermeidbar erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr, schließlich aber auch für die Rechtsuchenden und die unmittelbar von den neuen Vergütungs- und Entschädigungsregelungen Betroffenen zur Folge. Gäbe es in den Ländern (grundlegend) unterschiedliche Regelungen über die Gerichtskosten, die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern, die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern und Zeugen sowie die Vergütung von Rechtsanwälten, könnten der Einzelne oder überregional agierende Unternehmen nicht darauf vertrauen, in gleich effektiver Weise Rechtsschutz zu erlangen, weil eine zuverlässige Berechenbarkeit der mit der Rechtsverfolgung verbundenen Kosten nicht mehr gewährleistet wäre. Für viele Rechtsuchende ist aber die Höhe der mit der Rechtsverfolgung verbundenen Kosten ein entscheidender Gesichtspunkt bei der Abwägung, ob es aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt verantwortet werden kann, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Die vielen über die Ländergrenzen hinweg tätigen Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Rechtsanwälte sähen sich einer Vielzahl unterschiedlicher Vergütungssysteme gegenüber, was die Abrechnung ihrer Vergütungsansprüche wesentlich erschweren, damit aber auch unvermeidbar verteuern würde. Die daraus erwachsenden Erschwernisse würden auch die Rechtsuchenden, die im Ergebnis häufig die Vergütungsansprüche auszugleichen haben, bei der Überprüfung der Richtigkeit der ihnen gegenüber geltend gemachten Aufwendungen in unzumutbarer Weise beeinträchtigen. Nicht zuletzt würde auch die Überprüfung des Gerichtskostenansatzes unzumutbar erschwert, müsste sich der Rechtsuchende auf eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichtskostensysteme einstellen.

Bundeseinheitliche Regelungen sind schließlich auch zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich, weil abweichende Landesregelungen bzw. das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen würden. Unterschiedliche landesrechtliche Regelungen zum Umfang der mit der Rechtsverfolgung verbundenen Kosten hätten eine nicht zu vermeidende Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen für die rechtsuchenden Wirtschaftsunternehmen wie auch für die gleichfalls im ökonomischen Wettbewerb stehenden Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Rechtsanwälte zur Folge.

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

Eine Befristung der in dem Entwurf vorgeschlagenen Gesetze scheidet aus, weil die Regelungen als Dauerregelungen angelegt sind, bis der Gesetzgeber eine Änderung für angezeigt hält.

Der Entwurf hat keine erkennbaren gleichstellungspolitischen Auswirkungen. Grundsätzlich sind Frauen und Männer von den Vorschriften des Entwurfs in gleicher Weise betroffen. Konkrete Aussagen darüber, ob die Vorschläge des Entwurfs, die sich sowohl bei den gerichtlich und staatsanwaltschaftlich bestellten Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern als auch bei den Rechtsanwälten je nach der konkreten Tätigkeit unterschiedlich auswirken, Frauen und Männer unterschiedlich betreffen, können mangels konkreter Erkenntnisse des Grades der Betroffenheit nicht gemacht werden.



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